Nachdurst

… oder besser: Nachhunger. Der Neujahrsmorgen geht ja mitunter – je nachdem, wie wild der Altjahrsabend war – mit einem ziemlichen Kater einher. Oder einem gewaltigen Nachdurst. Da ich selber für gewöhnlich keinen Alkohol trinke – nicht mal den Mitternachtssekt – macht sich eine lange Nacht bei mir immer mit einem kaum zu stillenden Heißhunger auf etwas ganz Ausgefallenes bemerkbar, das in keinerlei Verbindung mit dem am Vorabend Gegessenen steht. So auch vorhin wieder. Ich bin wachgeworden mit einem Riesenhunger auf Melle.

Jawoll, Melle. Die ich zuletzt in dem Jahr gegessen habe, bevor meine Großeltern altersbedingt ihren Gemüsegarten plattgemacht haben. Das war 1989. Vor einem Vierteljahrhundert also.

Folgende Zubereitung à la Oma war in unserer Familie überliefert: Gewürfelten fetten Speck in einem Topf auslassen, bis die Grieben knusprig waren. Die Grieben wurden rausgefischt und beiseite gestellt, dann wurde mit dem Speckfett und eine Mehlschwitze angerührt, welche mit Wasser soweit aufgefüllt wurde, um die Masse nicht zu sehr eindicken zu lassen. Melle hinzugeben und weichkochen lassen. Zum Schluss alles pürieren, mit Kondensmilch für eine gewisse Crèmigkeit sorgen und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. Die Melle auf Salzkartoffeln servieren und die Speckgrieben drübergeben, dazu ein Spiegelei. Voilà.

Die Verwendung von Kondensmilch lässt darauf schließen, dass es sich hierbei um eine kriegsbedingte Variante der Zubereitung handelt, aber das hat dem Genuss keinen Abbruch getan. Spinat mit Blubb konnte jeder – Melle war eine Kunst!

Auch wenn es inzwischen viele Biobauern gibt, die alte Gemüsesorten zu neuem Leben erwecken, stehen die Chancen, kurzfristig mal wieder Melle auf den Tisch zu bekommen, eher schlecht, denn Melle hat wegen ihrer ausgeprägten Verbreitungsfreude immer noch den Status von Unkraut und gilt in vielen Gemüsegärten sozusagen als Pflanze non grata.

Leider – denn der eingangs erwähnte Nachhunger ist immer noch verdammt groß, und die Tatsache, dass wegen bedauerlicher Mängel in der Einkaufsplanung vorhin nur Cornflakes ohne Milch oder kalte Sojaschnitzel von gestern zur Frühstücksauswahl standen, trägt nicht wirklich zur Steigerung der Resttagslaune bei…

ICH WILL MELLE!

Ach, ja – frohes neues Jahr nachträglich, übrigens.