Wanna cup o‘ tea, luv?

Eigentlich bin ich nahezu Fernseh-Nihilist – bis auf eine Ausnahme habe ich von unserem Fernsehgerät anno 2013 keinen Gebrauch gemacht. Wozu auch? Gerade zeigt ein ursprünglich in Luxemburg beheimateter Sender wieder mit Übertragungen vom 5. Kontinent, dass man nix verpasst, wenn die Kiste aus bleibt. Es wäre wohl auch 2014 so weitergegangen, wenn mich liebe Freunde nicht auf die Sitcom Mrs. Brown’s Boys aufmerksam gemacht hätten.

Agnes Brown ist eine irische Mammy, die die Zügel ihrer Familie fest im Griff hat. Sie hat ein lautes, loses Mundwerk (fast jeder Satz beinhaltet einen Kraftausdruck und sehr rustikale Titulierungen des Gegenübers wie wie „Ye gobshite“, „F*ck off“ oder „Ye feckin‘ eejit!“) und lässt kein Fettnäpfchen aus. Im Gegenteil, sie springt munter von Fritteuse zu Fritteuse. Doch hinter der harten Schale steckt ein riesengroßes weiches Herz, das wie eine Löwin für das Glück ihrer Kinder kämpft – assistiert von ihrer besten Freundin Winnie McGoogan, mit der sie unzählige „cup o‘ tea“ schlürft.

Genau hier setzt der Charme ein: Zum Brüllen komische Pointen auf der einen Seite, herzergreifende Taschentuchmomente auf der anderen. Ich habe bisweilen vor Rührung so geblarrt, dass ich den DVD-Player auf Pause schalten musste.

Ähnlich wie The Golden Girls in den 1980ern nähert sich Mrs Brown’s Boys über das Stilmittel der Komödie auch eindringlich ernsten Themen: Die Haltung der Katholischen Kirche zur schwulen Ehe und Analphabetismus, dysfunktionale Familien – brüllend komisch aufbereitet und dabei doch so respektvoll, dass man als Zuschauer am Ende der Folge nachdenklich zurückbleibt.

Die professionellen Kritiker in England und Irland hassen Mrs Brown’s Boys förmlich; es gibt kaum eine wohlmeinende Rezension. Die Einschaltquoten sprechen jedoch eine andere Sprache: Die Weihnachtsspecials 2013 lagen weit vor dem sonstigen Publikumsliebling Downton Abbey. Das Publikum liebt Agnes Brown und ihren Clan, weil sie so echt daherkommen.

Das Gefühl, in liebevoll überzeichneter Form der Familie zu zuschauen, die man gerne selber hätte (oder sogar schon hat), kommt nicht von ungefähr: Erfinder und Hauptdarsteller Brendan O’Carroll hat seine ganze Familie und besten Freunde an der Serie beteiligt – ein richtiger Clan, und das merkt man. Da ist so viel Liebe und Hingabe dabei, dass man sie alle ins Herz schließen muss. Sie machen sich gar nicht die Mühe, dabei perfekt zu sein. Versprecher? Requisite umgeworfen? Egal, dann wird die Szene wiederholt – und die Fehlversuche werden nicht einmal aus der fertigen Folge rausgeschnitten, und obendrein wird ganz absichtlich improvisiert. Es ist alles so menschlich, was sich auch im gesprochenen Wort ausdrückt: Die Dialoge sind so gestaltet, wie der ganz normale irische/britische Durchschnittsbürger spricht – mit verschluckten Silben, lokalen Dialekten, ungefilterten Schimpfworten und so weiter. Von dem sorgfältigen polierten Haus am Eaton Place-Oxford-English aus dem Lehrbuch, wie es u. a. in der BBC-Sitcom Keeping up appearances äußerst witzreich karikiert wurde, keine Spur.

Leider ist genau deswegen nicht davon auszugehen, dass Mrs. Brown’s Boys je im deutschen Fernsehen auftauchen wird. Die Serie ist so typisch irisch, dass sie selbst mit dem besten Team einfach nicht in deutscher Synchro funktionieren würde. Hier reicht es einfach nicht, nur die Dialoge zu übersetzen. Man müsste sowohl als Sprecher als auch als Zuschauer die britische und irische Seele ausreichend kennen und verstehen, um die Serie so zu bearbeiten, dass sie in Deutschland nicht nur von den Worten, sondern auch von der Seele begriffen wird.

Aber ich find’s einfach schön, in Zeiten, in denen auf der ganzen Welt Fernsehsendungen, die nur darauf ausgelegt sind, andere Menschen vorzuführen und zu erniedrigen, in der Überzahl sind, gelegentlich auch mal auf eine echte Perle zu stoßen.