Hollywooddrama

OLYMPUS DIGITAL CAMERAEs ist Freitag, der letzte Abend meines Strohwitwerdaseins naht. Für dessen Gestaltung kam mir spontan die Idee, nach Ewigkeiten mal wieder einen kleinen Filmabend zu veranstalten. Doch meiner einer wäre nicht meiner einer, wenn es da nicht wieder einen Haken bei der Sache gäbe. Ein echtes Drama, sozusagen.

Ich möchte nämlich einen ganz bestimmten Film schauen, einen Western, um genau zu sein. Aber ich weiß nicht, wie er heißt!!! Es ist etwa schon zwanzig Jahre her, seit ich diese Zelluloid-Perle der gepflegten Unterhaltung zuletzt gesehen habe, darum kann mich auch nicht mehr ganz auf den Plot besinnen und auf die Darsteller schon gar nicht, aber ich würde den Streifen wirklich gerne mal wieder sehen. Denn eins weiß ich noch genau: Ich fand den Film damals richtig toll!

Hauptsächlich geht um ein Pokerspiel, bei dem einer der Spieler stirbt. Keine Ahnung, ob er „nur“ an einem Herzanfall eingeht oder ob ihm eine Portion blaue Bohnen nicht bekommt. Jedenfalls ist besagter Spieler irgendwann perdu. Seine Frau erbt darum das Blatt, das er zuletzt auf der Hand hatte, was den übrigen Herren der Tafelrunde gar nicht in den Kram passt. Denn es geht um eine Menge Geld (Òder eine Farm? Oder lukrative Goldschürfrechte?). Die Gute hat natürlich vom Pokern nicht die geringste Ahnung, doch selbstverständlich gewinnt sie, weil ihr Mann ihr das ultimative Gewinnerblatt hinterlassen hat.

Tja, aber wie komme ich nun an diesen Film? Eventuell können mir ja die Leser hier im Wortgepüttscher mit Titel und Darstellern auf die Sprünge helfen – vielleicht schaffe ich es dann ja noch, den Film vor Ladenschluss beim DVD-Höker meines Vertrauens käuflich zu erwerben. Ansonsten gibt’s halt doch Marlene Dietrich in Witness For the Prosecution.

Herzrhythmusstörungen

Musik_abspielenEs ist etwa so, als würde man versuchen, die berühmte Liebe auf den ersten Blick zu erklären: Es geht nicht, weil es einfach Dinge im Leben gibt, die sich jeder Erklärung entziehen. Darum habe ich auch heute noch arge Nöte, die Frage „Was soll das?“ zu beantworten, die mir vor geraumer Zeit schon von meinem Mann gestellt wurde, als ich eines Tages in unsere Küche stürmte und die Lautstärke der Stereoanlage so energisch auf null drehte, dass ich den Knopf dabei fast abbrach. Ich wusste ja selber nicht, wieso, weshalb und warum ich plötzlich so auf hundertachtzig war, denn drei Minuten später war der Spuk auch schon wieder vorbei. Vielleicht war es nur der übliche Blues zum Wochenbeginn, denn es war eigentlich ein ganz normaler Montag wie jeder andere.

Doch am nächsten Tag wiederholte sich das Ganze, und dann auch noch gleich zweimal. Bis ich allmählich dahinterkam: Es passierte immer bei dem Lied Heart Skips a Beat von Olly Murs. Irgendetwas in oder an diesem Lied macht mich rasend, doch ich kann beim besten Willen nicht ermitteln, was und weshalb. Wenn man ihn auf Fotos sieht, scheint Herr Murs ein liebes kleines Ding zu sein, und seine anderen Lieder sind zwar keine große Sangeskunst, aber sie stören auch nicht weiter, das ein oder andere finde ich sogar ganz nett. Doch jedes Mal, wenn dieses Lied über die Kardio-Arrhythmie läuft, stehe ich binnen Zehntelsekunden unter Strom und möchte am liebsten die komplette Stereoanlage aus dem Fenster werfen.

Falls jemand unter den Lesern des Wortgepüttscher dieses seltsame Phänomen (ggf. mit einem anderen Lied) auch kennt und eine Erklärung dafür liefern kann – nur her damit!

Murphy kann mich mal!

Auch so genannte Markenware hat irgendwann mal das Ende ihrer Haltbarkeit erreicht. Aber warum, verflixt nochmal, muss sowas immer im unpassendsten Moment passieren? „Das Nutellabrot fällt immer auf die Marmeladenseite“ oder wie auch immer der Spruch von diesem Herrn Murphy lauten mag. Jedenfalls hat nach langen treuen Diensten dieser Brausekopf am Schlauch (den fachlich korrekten Namen könnte mein Mann als versierter Handwerker hier beiläufig einstreuen, aber der ist gerade für ein paar Tage verreist) in der Küche seinen Geist aufgegeben. Statt ganz normal ins Spülbecken zu laufen, spritzte das Wasser wild in der Gegend rum und ersparte mir fast die Dusche an dem dafür üblicherweise vorgesehenen Ort.

Das war gestern. Und was war gestern? Weiterlesen

Lass das mal die Oma machen…

Manchmal wird die ältere Generation zu Unrecht als rückständig gescholten. Als meine Eltern endlich von s/w-Fernsehern auf Farbe umstiegen, hatten meine Großeltern schon mindestens zehn Jahre einen. Auch einen Videorecorder, Satelliten-TV und eine Stereoanlage mit CD-Player besaßen sie lange vorher.

© 2014 by Gerrit Jan Appel

© 2014 by Gerrit Jan Appel

Selbst in der Küche war meine Oma Trendsetterin. Nun sind Großmütter ohnehin die unangefochtenen Meister, wenn es um gutes Essen geht. Es gehört zu den unergründlichen Mysterien, wie das zustande kommt, aber Omas Gerichte sind immer besser als die von jedem anderen in der Familie. In diesem speziellen Fall hatte meine Oma die Nase ganz besonders weit vorn. Irgendwann in den 70ern kam sie von einem Besuch bei Verwandten in Wormerveer bei Amsterdam mit einem ziemlich eigentümlich aussehenden Gerät zurück, das niemand sonst in der Nachbarschaft hatte. Doch was sie damit zubereitete, gelang so gut, dass es Schule machte und ihr die halbe Nachbarschaft für den nächsten Besuch in Wormerveer Geld und Kaufaufträge zusteckte.

Ein paar Jahre später kam das Gerät auch nach Deutschland, geriet jedoch recht schnell außer Mode, weil Fertigprodukte auf den Markt kamen, welche das Gerät schlicht wieder überflüssig machten.

Auch Oma stellte das Gerät irgendwann in den „Stall“, wie die Abstellkammer im hinteren Bereich des Hauses genannt wurde, wo es dann fast zwanzig Jahre vor sich hin staubte. Eines Tages fand ich es dann bei einer Ist das noch gut oder kann das weg-Aktion und konnte es dank Omas Großzügigkeit dem eigenen Haushalt hinzufügen.

© 2014 by Gerrit Jan Appel

Was man damit zubereitet, ist eine Kalorienbombe ohne Ende, aber manchmal muss man sich einfach mal etwas gönnen. Da wir keine Fritteuse haben, schmeißen wir diese leckere Sünde zum Ausfrittieren in unseren Wok und konnten dadurch, dass wir dem Frittiergut die Möglichkeit zum „Freischwimmen“ geben, das Geschmackserlebnis noch einmal verfeinern. Darum kommt dieses ominöse Gerät nach wie vor bei uns immer wieder mal zum Einsatz. So wie heute. Es ist Freitag. Start ins Wochenende, und manchmal muss man sich… (siehe oben). Also holen wir ihn heute wieder mal raus – Omas Pommesschneider.

Stets behütet

Eine Hundertstelsekunde Unachtsamkeit und eine scharfe Windböe reichten, um meinem Mann den letzten Heiligabend ziemlich zu vermiesen. Denn trotz aller Zuneigung zu seinem Lieblingshut war er doch nicht so wahnsinnig, ihm nach dem Malheur zur Rettung ins Gleisbett des Bahnhofs hinterher zu hechten. Der Hut wurde dann auch alsbald von einem Zug überrollt. Dass es sich dabei nur um einen schnöden Regionalexpress gehandelt hat und nicht etwa eine Sonderfahrt eines alten TEE, war dabei unerheblich. Der Verlust, und das auch noch auf dem Weg zu den freudig erwarteten Weihnachtsfeierlichkeiten bei der Familie, schmerzte.

Nachdem das Thema jetzt aus gegebenem Anlass eine ganze Weile tabu war, ist es gestern wieder ausgegraben worden. Mein Mann trägt gerne Hut, und er hätte gerne Ersatz für den vom Winde verwehten. Darum stand der Mittwoch im Zeichen der Suche nach einem Hut. Gar nicht so einfach, denn das gute alte Fachgeschäft für Herrenhüte scheint ausgestorben zu sein – sämtliche Anlaufstellen zwischen Dortmund und Duisburg, bei denen mein Mann früher Stammkunde war, haben inzwischen dichtgemacht. Aber es gibt ja noch Brendler, und das schon seit 1879. Mein Mann liebäugelt eh schon seit Ewigkeiten mit einem echten Tropenhelm als Nice-To-Have für seine Hutsammlung, und wenn wir beim nächsten Hamburg-Trip schon mal am Großen Burstah sind, können wir dann auch gleich nach einem normalen Hut für den Alltagsbedarf Ausschau halten…

Fünf kleine Schweinchen

Es gibt Bücher, die kann man wieder und wieder lesen, weil sie einen, obwohl man die Story inzwischen beinahe auswendig kennt, jedesmal aufs Neue begeistern. Bei mir ist das u. a. Five Little Pigs (deutsch: Das unvollendete Bildnis) von Agatha Christie.

Worum geht’s? Carla Lemarchant bittet Hercule Poirot um Hilfe: Ihre Mutter Caroline wurde, als Carla noch ein Kleinkind war, wegen Mord an ihrem Mann Amyas schuldig gesprochen und starb bald darauf im Gefängnis. Ein Brief, den Carla zur Volljährigkeit erhält, lässt diese an der Schuld zweifeln. Poirot soll alles daran setzen, diese Zweifel zu beseitigen und definitiv beweisen, ob Caroline nun schuldig oder nicht schuldig war, damit Carla die Sache für sich abschließen kann. Doch wie klärt man einen fast zwanzig Jahre alten Mord auf, der bereits als aufgeklärt gilt? Die vermeintliche Täterin ist tot, alle Asservate vernichtet. Poirot bleibt nur, die fünf Zeugen von damals zu befragen.

Was macht den Reiz dieses Buchs aus? Der Mordfall an sich mag konventionell sein: Der untreue Ehemann, zwei rivalisierende Frauen, die Freunde und Familienmitglieder zwischen allen Stühlen. Man kennt das. Aber die Umsetzung hat es in sich: Agatha Christie lässt Poirot die Hinweise über nichts als Worte zukommen. Keine umgeknickten Grashalme, kein Zigarettenstummel am Boden, und Worte können bestenfalls ungenaue Erinnerungen, schlimmstenfalls faustdicke Lügen sein. Zunächst befragt Poirot die fünf Zeugen persönlich, anschließend lässt er sich schriftliche Aussagen anfertigen. Das heißt, als Leser bekommt man 2x fünf Mal, also insgesamt zehn Mal die Mordumstände beschrieben, doch es wird zu keiner Zeit langweilig. Agatha Christie ist es gelungen, fünf sehr differenzierte Figuren zu zeichnen, die über individuelle Ausdrucksweisen, Meinungen, eigene Geheimnisse und vor allem über ihre ganz eigene Interpretation der Ereignisse zunächst einmal mehr Widersprüche schaffen als sie beseitigen können. Das Dénouement dürfte für den, der Five Little Pigs erstmals liest, eine Riesenüberraschung sein und ihm dennoch ein „Klar, es kann gar nicht anders gewesen ein“ entlocken. Ein echtes Lehrstück zum Thema „Variationen (und Interpretationsmöglichkeiten) desselben Themas“.

Doch noch etwas anderes macht Five Little Pigs für mich so mitreißend: Für das Anwesen der Familie Crale stand Agatha Christies eigener Landsitz (externer Link) Greenway in Dittisham am Dart in der Grafschaft Devon Pate. Die Atmosphäre und besondere Geographie von Greenway mit dem Haupthaus, dem Fußpfad von dorthin zum Aussichtspunkt mit Blick auf den Dart (wo der Mord geschieht), dem Gewächshaus, der Flora & Fauna und einigen anderen Details hat sie so stimmungsvoll eingefangen und eingewoben, dass der Ort der Handlung so lebendig vor meinem innneren Auge entstanden ist, wie es kaum ein anderer Schriftsteller bei mir je geschafft hat. Und als ich viele Jahre nach dem ersten Lesen erstmals Fotos von Greenway gesehen habe, gab es da einen riesigen „Wow!“-Effekt, denn die Bilder deckten sich genau mit denen meines Kopfkinos. Seitdem steht Greenway (das von der britischen Denkmalbehörde National Trust übrigens auf dem Einrichtungstand jener Zeit gehalten wird, als Agatha Christie dort gewohnt und Five Little Pigs geschrieben hat) auf meiner ganz persönlichen 1,000 Places to see before I die-Liste.

My funny Valentine

Valentinstag_3Geht es nur mir so, oder nimmt die Amerikanisierung der Feiertage wirklich inzwischen eher ab als zu? Letztes Jahr an Halloween hat es zum Beispiel nicht ein einziges Mal an unserer Tür geläutet. Entweder haben die Kinder wirklich keine Lust mehr auf „Süßes oder Saures“, oder ich habe es bereits im Jahr davor selber versaubeutelt. Da hatte ich nämlich gleich nach dem ersten Läuten die etwa 30 Sekunden lange mp3-Schleife über die Stereoanlage gestartet, die ich aus diversen „Hui Buh! Hui Buuuuuuuuuuh hä-ä-ä-ä-ä-ä-ä-ä-ä huhuhuhuuu!“-Heulern des unvergessenen Hans Clarin mit viel Geklapper der rostigen Rasselkette zusammengeschnitten hatte. Danach hatte ich die Tür geöffnet, doch es war niemand mehr dagewesen. Bis heute weiß ich nicht, ob meine Idee viel zu gruselig gewesen ist, oder ob ich mit besagten 30 Sekunden einfach nur die Aufmerksamkeitsspanne von Schulkindern überschätzt habe. Jedenfalls sind vorletztes Jahr die angeblich gesunden Nasch-Vitamine nicht in den Sammeltüten von verkleideten Halloween-Kindern gelandet, sondern im Magen von meinem Mann, und letztes Jahr habe ich erst gar keine gekauft.

Die Adventszeit und Weihnachten bleiben bisher noch unangetastet; die Konsummaschinerie brummt wie eh und je. Trotzdem habe ich 2013 das Fest der rieselnden Tannennadeln wirklich zum fünften Mal in Folge erleben können, ohne ein einziges Mal Last Christmas hören zu müssen. Geht ganz einfach: Ab dem 1. Advent verzichte ich stets auf meinen eigentlichen Radiosender R.SH (Radio Schleswig-Holstein) und höre bis Altjahrsabend einen Jazzkanal von Danmarks Radio. Denn auch wenn ich nicht gerade ein Fan deutschen Weihnachtsliedgutes bin (ich vertrete die unumstößliche Theorie, dass Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätääää bei einem Horrortrip nach der Einnahme bewusstseinserweiternder Substanzen entstanden sein muss), tut es auch nicht nötig, jedes Jahr immer wieder die schmalztriefende Stimme von George Michael ertragen zu müssen.

Nächster Jubeltag im Jahresreigen ist der Valentinstag, so wie heute. Ich weiß nicht recht…  Fast sechzehn Lenze bin ich nun mit meinem Mann zusammen, und wir haben diesen Tag noch nie gefeiert. Okay, ich habe ihm mal zum 14. Februar einen Besuch auf dem Fernsehturm geschenkt, was insofern außergewöhnlich war, weil ich die Aussichtsplattform wegen meiner Höhenangst mehr tot als lebendig erreichte. Aber das hatte nichts mit St. Valentin zu tun, sondern damit, dass wir an diesem Tag einfach nichts Besseres vorhatten. Wir haben unsere eigenen, viel wichtigeren Daten – der erste Spaziergang, der erste Kuss, der erste… nun ja, es dürfte klar sein, worauf ich hinaus will. Jedenfalls sind solche individuellen Tage doch viel schöner, als sich das Zelebrieren der Liebe von außen aufdiktieren und regelrecht normen zu lassen.  Blumen kann man seinem/seiner Liebsten auch an anderen Tagen als nur dem 14. Februar kaufen – der Florist eures Vertrauens wird es euch danken!

Blumen- und Süßwarenhändler haben sich an unserer Verweigerungshaltung jedoch nie gestört, weil sie genügend andere Zielobjekte fanden, welche nur zu gerne ihr Geld für Schokoherzen und Blumengebinde ausgegeben haben, weil ihnen die Werbung das so eingetrichtert hat. Dieses Jahr scheint sie aber nicht so viel Lust zum Eintrichtern gehabt haben. Im Radio habe ich keinen einzigen Werbespot mitbekommen, und auch die wenigen Reklameblöcke die ich en passant im Fernsehen aufgeschnappt habe, sind vollkommen valentinsfrei gewesen. Auch gerade im Supermarkt hat mich kein Jingle zum Last Minute-Ankauf von zarten Versuchungen oder zu gebenden Küsschen animieren wollen. Dabei war ich wirklich lange unterwegs, weil viel auf meinem Zettel stand. Aber da kam nichts. Nothing. Nada. Rien. Niente. Zilch.

Auf dem Weg zur Kasse musste ich allerdings einem Supermarktangestellten mit einem Riesenhubwagen voller Europaletten ausweichen. Unglücklicherweise wurde ich in den Gang mit den Süßigkeiten gedrückt, wo ich ganz automatisch zur Lieblingsschokolade meines Göttergatten griff. Zuhause überreichte ich ihm die Schachtel dann mit: „Alles Liebe zum Valentinstag.“

Verflixt, wie ist das nun wieder passiert?

Frühjahrsputz

Balkon ist gut, Loggia ist besser. Auch wenn man noch eine Jacke braucht, ist unser wind- und regengeschütztes Open-Air-Zusatzzimmer mangels richtigen Winterwetters in diesem noch recht jungen Jahr schon mehrmals in Gebrauch gewesen, denn ein, zwei Becher Kaffee lang kann man es an dem einen oder anderen Tag durchaus schon draußen aushalten.

Nun soll man den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben oder besser den Winter nicht vor Ostern, trotzdem haben wir gestern beschlossen, dass das Gröbste vorüber ist, und in einem Anflug von Kühnheit den „Ostflügel“ für die neue Saison hergerichtet. Natürlich haben wir nicht erwartet, alles so sauber und schier vorzufinden wie dereinst Omas gute Stube, die nur zu Geburts- und Feiertagen „hochgefahren“ wurde, aber es ist trotzdem erstaunlich, was sich in knapp fünf Monaten ohne Nutzung an vom Winde verwehter Erde, Blätter, Tannennadeln in den Ecken ansammelt.

Außerdem waren unsere gefiederten Freunde auch nicht untätig. Einigen heimischen Vogelarten wird mitunter Lernfähigkeit attestiert, doch den hier im Garten beheimateten Piepmätze scheinen die einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen unbekannt zu sein, sonst würden sie nicht wieder und wieder auf der stets vergeblichen Suche nach schmackhaften Gewürm unsere Blumenkästen umgraben und alles, was ihnen dabei im Weg ist, wild durch die Gegend schmeißen.

Aber nun ist alles wieder nett hergerichtet, und wenn jetzt noch Mutter Natur mitspielt, sieht es bald bei uns wieder so aus:

© 2014 by Gerrit Jan Appel

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Malwine

© 2014 by Gerrit Jan Appel

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Neue Woche, neue Energie, neue Ideen. Ich wollte einfach mal in einem ganz anderen Genre als sonst schreiben. Dabei herausgekommen ist eine Story im Stil einer altviktorianischen Geistergeschichte à la H. D. Everett oder Amelia B. Edwards. Ich freu‘ mich bannig, das geschafft zu haben! Mal schauen, vielleicht gibt’s bald eine Veröffentlichung für eBook-Reader…

Hafengayburtstag

© 2014 by Gerrit Jan Appel

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Der Hafengeburtstag gehört zu Hamburg wie der Hafen selbst. In diesem Jahr wird das 825. Wiegenfest begangen, und neben 300 Schiffen werden wie immer auch hunderttausende Menschen aus aller Welt erwartet, die an dem bunten Programm mit Schiffsbesichtigungen, Einlauf-/Auslaufparade, Regatten, Schlepperballett und zahlreichen Rahmenveranstaltungen teilnehmen. In diesem Jahr wird es, wie der Lokalpresse zu entnehmen ist, mit Harbour Pride erstmals einen reinen LGBT-Programmpunkt geben. Auf einem eigens reservierten Areal soll es Veranstaltungen wie auf der Gay Pride im August geben mit Travestie, Infoveranstaltungen und einem Gay Village.

Prima, da weiß ich schon, was nicht besuchen werde, wenn ich zum Hafengeburtstag in der Heimat weile. Nicht etwa, weil ich eventuell fehlende maritime Elemente beklage – statt im Discofummel treten die Travestiekünstler halt in Rollkragenpulli und weißen Leinenhosen auf, singen Ein Schiff wird kommen statt I Am What I Am und die Sache ist geritzt.

Der Punkt ist, dass ich diese Extrawürste (wie etwa auch den schwulen Abend beim Oktoberfest in München) hochgradig kontraproduktiv finde. Natürlich wird von allen Beteiligten nach außen propagiert, dieser Festivalbeitrag solle die Toleranz und Weltoffenheit der Stadt betonen, und hinter dem gemeinsamen Feiern stünde die Absicht, Vorurteile abzubauen. Nette Worte, würden sie in meinen Augen nicht durch die Art der Ausführung durch beide Seiten konterkariert. Wie kann ich denn gleichwertige Behandlung in der Gesellschaft erwarten, wenn ich es zulasse, dass ich durch eine solche Organisation eher als eine Besonderheit herausgestellt werde? Wirklich schade, dass die Veranstalter sich darauf eingelassen haben.

Auch für Hamburg an sich finde ich das Vorhaben – sollte es denn wirklich in dieser Art kommen – eher peinlich. Eine Stadt, die immer wieder mit ihrer Weltoffenheit prahlt, unterwandert doch ihre erklärte Absicht, wenn sie die schwulen Programmpunkte auf eine Stelle abseits des Hauptgeschehens zwischen Landungsbrücken und Chicagokai konzentriert, wodurch sie wie ein neu präsentiertes Gehege bei Hagenbeck wirken.

Los, Leute, setzt euch zusammen, hebt diese Abgrenzung auf und schmeißt alles in einen Pott. Nächstes Jahr beim Hafengeburtstag finden die Travestieacts dann an der Hafenmeile auf derselben Bühne statt wie die NDR-Livesendungen, und der Veranstalter für Gay-Kreuzfahrten hat seinen Stand direkt neben der Tourist-Info aus dem Gastland des Jahres. Dann ist es wirklich so bunt, wie es sein sollte, „un denn kiek ik mi dat ook bannig gern an“.

Crazy Kitchen

Manchmal sorgt das Web echt für spannende Ideen. Kürzlich las ich nur das Wort Colabraten und dachte reflexhaft: Igittigittpfuideibelbäh. Ein paar Tage vergingen, dann wollte ich mal wieder Buttermilchkartoffeln als Beilage kochen und griff ins Bücherregal zu meinem Hamburger Kochbuch. Daneben stand das Buch zur ehemaligen TV-Show Kochduell, das mir vor Ewigkeiten zum Geburtstag geschenkt worden war. Zur Erinnerung: Die Aufgabe für die Kandidaten bestand darin, für 15 Mark (da sieht man, wie alt das Werk ist) möglichst absurde Zutaten zu kaufen, welche einen Profikoch vor die heldenhafte Aufgabe stellten, etwas möglichst Delikates daraus zu zaubern.

Als ich das Buch in der Hand hielt, fiel mir der Colabraten wieder ein. Die Buttermilchkartoffeln wurden verworfen, weil ich mich zum Kochduell mit mir selber aufforderte. Der erste Blick auf die seit fast zehn Jahren nicht mehr gelesenen Rezepte ließ mich kurzzeitig am Verstand der Rezepterfinder zweifeln. Edles Lammfleisch mit schnöden Salzstangen kombiniert? Schillerlocken im Kohleintopf? Maronen mit Alete Fruchtbrei für Babies?

Andererseits – mit einem britischen Großvater liegt mir Exzentrik quasi im Blut, also Herausforderung angenommen! Inhaltsverzeichnis aufgeschlagen, Augen zu und mit dem Zeigefinger auf eine beliebige Stelle getippt. Was soll ich sagen… die im Mandel-Mehl-Ei-Milch-Teig frittierten Broccoliröschen war so lecker, dass sie nicht mal lange genug „überlebt“ haben, um für diesen Eintrag fotografiert zu werden.

Wer ist Daphne?

Nach der Rumpelkammer habe ich mich in den letzten Wochen immer wieder mal für ein halbes Stündchen unserem Hängeboden gewidmet, jene eingezogene Zwischendecke über der Küchen- oder Wohnungstür, die in gutsituierten Familien des 19. Jahrhunderts als Schlafgelass für das in der Hierarchie weiter unten stehende Personal diente (Näheres hierzu verraten die Werke von einschlägigen Autoren wie Hedwig Courths-Mahler, Theodor Fontane oder Utta Danella), heute in Altbauten jedoch als Lagerraum für Dinge herhalten muss, für die der Keller zu kalt, überfüllt und feucht ist.

Auch auf so einem Hängeboden sammelt sich eine ganze Menge Plunder an, den man „irgendwann“ mal aussortieren will. Inzwischen habe ich endlich die Kurve gekriegt, und jeden Tag werden einige Teile wieder in den Haushalt integriert oder ins lokale Recyclingsystem gespeist.

Gestern hielt ich plötzlich ein einzelnes Blatt aus einem Buch in Händen. Keine Ahnung, wann es aus dem zugehörigen Werk der Hochliteratur gefallen ist, es muss nur schon eine ganze Weile her sein, denn eigentlich hatte ich in diesem Karton seit Jahren Tischdecken gelagert; besagtes Blatt musste also noch von der vorherigen Füllung stammen. Ich las die wenigen Zeilen auf beiden Seiten, in denen es um eine Daphne ging, die in ziemlich schmalzigen Worten und unnötig epischer Breite darüber resümiert, wie die Mutterschaft sie verändert hat.

Nun gibt es zwar in einem meiner Romane eine Daphne, aber die kann keine Mutter sein, weil sie eigentlich Sven heißt und nur abends als Teil eines Travestieakts in Frauenkledaasche auf die Bühne geht. Aber auch da geht es dann nicht um Mutterfreuden.

Es muss sich also um eine ganz andere Daphne handeln. Seitdem ist mein kriminalistischer Spürsinn geweckt – vielleicht findet sich das um eine Seite beraubte Werk ja doch noch irgendwo in meiner Riesenbibliothek. Sachdienliche Hinweise der Leser des Wortgepüttscher werden natürlich auch gerne entgegengenommen!

Eine kleine Nachtmusik

Balkon Collage 1

Nacht zum Sonnabend; Aufräumen nach einem gemütlichen Kochabend. Im Radio läuft Unconditionally, was mich an einen Blog denken lässt, den ich gelesen und kommentiert habe. Katy Perry ist so gar nicht mein Fall. Da kommt nichts rüber. In meinen Ohren singt sie einfach Arbeitsaufträge runter, die ihr die Produzenten auf den Notenständer legen. Ich mag es aber, wenn Künstler ihre Lieder nicht nur singen, sondern regelrecht leben und so viel Persönlichkeit in ihre Musik legen, dass ich ihnen jedes Wort abnehme, wie beispielsweise Dusty Springfield. Als sie 1966 Carole Kings Lebensresümeelied Goin‘ Back aufnahm, war sie erst 27 – und trotzdem passte es, weil sie es mit einer Intensität sang, die nur auf eigenen Erfahrungen beruhen konnte. Ähnliche Empfindungen hat Pink durchaus schon mal bei mir ausgelöst, eine Madonna oder eben das Käthe-Kind hingegen noch nie.

Trotz wirklich gelungener Ausnahmen ist mir die Musik aus der Zeit vor 1970 schlichtweg näher als das meiste von dem, was danach kam. Hinter dieser Musik steckte noch etwas. Goin‘ Back hat eine komplexe und doch eingängige Geschichte erzählt, mit der man sich identifizieren kann – bei einer Beyoncé bestehen von dreizehn Zeilen insgesamt sechs aus der Frage „Who run the world“. Banaler geht es kaum.

Des Weiteren sind mit vielen Liedern der old school interessante Geschichten verbunden, welche eine Aufnahme mit noch mehr Leben füllen. Wer z. B. die Hintergründe zu Ciao, Amore Ciao kennt, wird dieses Lied mit ganz anderen Augen sehen, weil es eben nicht nur ein Lied ist, sondern auch ein tragischer Teil der Biographie von Dalida.

Hinzu kamen die Künstler selbst. Gewiss, Musik war auch damals schon eine Industrie, aber ihre Vertreter waren keine Massenprodukte. Statt steriler, einheitlicher, sich jedem Trend und ohne Mumm zu Individualität unterwerfender Räder in einer Maschinerie waren sie eigenständige Menschen mit hohem Wiedererkennungswert. Sie brauchten auch keine aufwändigen Lasershows, ständige Kostümwechsel, halbnackte Tänzer und Feuerwerkskracher. Eine – abgesehen vom Orchester – leere Bühne und ein Mikrophon reichten völlig aus. Den Rest brachten die Stars mit: Talent, Stimme und vor allem individuelle, starke Persönlichkeiten, die man aus jeder Note heraushörte. Mich erstaunt gar nicht, dass ein Album mit fast 70 Jahre alten Aufnahmen es schaffen kann, aktuelle Produktionen wochenlang von Platz 1 der Charts fernzuhalten und Vera Lynn mit 91 Jahren zur ältesten Chart Topperin der Welt zu machen.

Ironischerweise waren Dame Vera und die anderen Vertreter(innen) ihrer Generation mit ihren puren Auftritten (ganz egal, ob sie dabei charmant oder zickig-divenhaft daherkamen) und der Ehrlichkeit in ihrem Vortrag genau das, was Katy Perry nicht ist: Bedingungslos – Unconditionally.