Europareise mit Vampiren

Zum Welttag des Buches habe ich u. a. den Roman Those Who Hunt the Night (Jagd der Vampire) von Barbara Hambly aus dem Jahr 1989 vorgestellt. Durch Zufall habe ich herausgefunden, dass Frau Hambly kürzlich nach über 20 Jahren mit Blood Maidens das dritte Abenteuer für den Oxford-Professor James Asher und den charismatischen spanischen Vampir Don Simon Xavier Christian Morado-de la Cadena Ysidro vorgelegt hat. Bestellt, am Wochenende erhalten und verschlungen. Doch bevor ich mich dazu äußere, erstmal der Lückenschluss mit Band 2:

Travelling With the Dead (Gefährten des Todes) von Barbara Hambly

Worum geht es? London, 1908. Ein Jahr ist es her, dass sich die Wege von James Asher und seiner Frau Lydia mit denen der Vampire Londons kreuzten. Durch einen Zufall kommt Asher nun erneut mit ihnen in Verbindung, denn er macht eine erschreckende Entdeckung: Der Vampir Earl of Ernchester scheint sich der Regierung eines anderen Landes angedient zu haben, das England nicht wohlgesonnen ist. Obwohl nicht mehr als Spion für die englische Krone tätig, erwachen alte Instinkte in Asher. Er folgt dem Earl sowie dessen ungarischem Begleiter über Paris und Wien bis nach Konstantinopel. Ihm zur Seite steht die Gattin des Earls, Lady Ernchester, und diesmal muss Asher sich nicht nur mit einem Vampir zusammentun, sondern auch dessen Rettung vor Unheil vorantreiben. Doch statt mit dem enigmatischen, seine Gefährlichkeit nicht verhehlenden Don Ysidro hat Asher es nun mit einer Untoten zu tun, die ihn zunehmend auch persönlich fasziniert. In London wird Don Ysidro seinerseits zu einer Allianz mit Sterblichen genötigt – durch Ashers unerschrockene Frau Lydia, die weit davon entfernt ist, ihren Mann eine unerbetene, aber umso gefährlichere Mission allein durchstehen zu lassen, weshalb sie ihm mit Don Ysidro folgt. Und auch Lydia Asher baut zu ihrem Reisegefährten eine Verbindung auf, die es eigentlich nicht geben darf. So nähern sich die vier Gestalten dem Geheimnis, das hinter der unerwarteten Reise von Lord Ernchester steckt.

Welchen Eindruck hinterlässt das Buch? Wieder verbindet Barbara Hambly Vampirroman und Gaslight-Krimi. Dass Frau Hambly ihre Protagonisten dabei nach Konstantinopel schickt, fügt der Story eine angenehm exotische Note hinzu. Zwar wählt sie als Kulissen Serails und Hamams, doch die Atmosphäre gleitet nicht in die Märchen aus 1001 Nacht ab, sondern entspricht ganz dem, was man über das beginnende 20. Jahrhundert gelesen und gehört hat. Eine Zeit, zu der sich die Diplomaten von Orient und Okzident zu prachtvollen Bällen trafen und unter dem Vorwand diskreter Salonplaudereien politische Schachzüge wie den Bau der Bagdadbahn planten, während die mitgereisten Gattinnen sich bei Musik und Tanz vergnügten.

Generell ist die Geschichte gelungen, trotzdem hakt es an einigen Stellen gewaltig. In Those Who Hunt the Night hat Barbara Hambly ihren James Asher als gewieften Spion vorgestellt, dessen größte Stärke seine polyglotte Ader ist. Genau das wird ihm jetzt zum Verhängnis: Besonders die in Wien spielenden Kapitel sind bisweilen eine Qual. Hambly lässt Asher Deutsch sprechen. Fließend, wie sie behauptet, und sogar so gewandt in den Dialekten, dass er einzelne Stadtteile der großen Metropolen voneinander unterscheiden kann. Doch in Wahrheit ist sein Deutsch so grauenhaft, dass es das Bild des polyglotten Chamäleon-Spions auf fatale Weise demontiert. Falsche Anreden und Sachbezeichnungen (z. B. „Herr Oberhaupt“ statt „Herr Oberhauptmann“, man spricht „hoche Deutsch“ statt „Hochdeutsch“ etc.), falsche Anwendung der Umlaute (das eine zentrale Rolle spielende Sanatorium Frühlingszeit wird beharrlich Fruhlingzeit genannt) und vieles mehr. Mein Lieblingswort, das alle Schrecken dieses Sprachgemetzels zusammengefasst hat, war Zwanzigstejahrhundert Abkuhlunggeselleschaft – die Erfindung elektrischer Kühlsysteme spielt eine wichtige Rolle im Dénouement am Ende der Geschichte. Sicherlich kann ein Autor beim Verfassen seines Manuskriptes Fehler machen, wenn er sich einer ihm nicht wirklich vertrauten Sprache bedient, das ist problemlos entschuldbar. Dass das Lektorat nicht korrigierend eingreift, hingegen nicht.

Wenn man über diese Sandkörner im Getriebe hinwegsehen kann, ist Travelling With the Dead allerdings ein durchaus spannender und lesenswerter Vampirroman.

Lesen ist Genuss – welche kulinarische Begleitung sollte es geben? Passend zur Story ein Vierstädtemenü. Londoner Entree: Leek & Potato Soup – Pariser Zwischengang: Crudités – Wiener Hauptgericht: Tafelspitz – Konstantinopel-Dessert: Şekerpare und ein heißer Mocca.