Late Night Talk

LateNightTalk„Hast du den Autoschlüssel wiedergefunden?“

Irritiert blicke ich von meiner Bettlektüre hoch, denn dunkel ist meines Mannes Rede Sinn. „Was ist los?“ frage ich.

„Hast du den Autoschlüssel wiedergefunden?“

Also habe ich ihn doch richtig verstanden. Das Dumme ist nur: Wir ‚aben gar keine Auto! Also antworte ich: „Nö.“

Jetzt schlägt er die Bettdecke zurück und schwenkt die Beine auf den Fußboden. „Dann suche ich ihn eben selber!“

Ich überrede ihn, sich wieder hinzulegen. Nachts um halb drei muss man keine Autoschlüssel suchen. Schon gar keine eingebildeten. Aber ich kann mir am folgenden Morgen nicht verkneifen zu fragen: „Und? Hast du die Autoschlüssel gefunden?“

„Welche Autoschlüssel?“

„Die, die du letzte Nacht gesucht hast.“

„Spinnst du?“

Kein Zweifel, mein Lieblingsmensch hat das Herz am rechten Fleck. Aber manchmal – vor allem nachts – frage ich mich, wo sein Kopf herumschwirrt. Eine Situation wie die beschriebene kommt nämlich immer wieder mal vor, seit ich ihn kenne: Scheinbar wach, kann er sich Tee kochen, das letzte halbe Rundstück von gestern belegen und essen und dabei komplette Konversationen bestreiten. Und von alledem weiß er am nächsten Morgen… nichts mehr! Ich kenn‘ mich da nicht so aus, aber könnte das eine Vorstufe von Mondsucht sein.

Nun ja, solange es nur um imaginäre Autoschlüssel geht, ist das nicht weiter tragisch. Aber manche Dinge gefährden am nächsten Tag ganz schön den Ehefrieden. In der Regel bin ich nämlich noch hellwach, wenn er nachtgeschwätzig wird, eben weil ich so lange lese. Dabei übersehe ich oft, dass Ulis Bewusstsein anders als meins auf Sparflamme kocht. Trotzdem breche ich spontan ein alltägliches Gespräch vom Zaun: „Was soll ich eigentlich morgen kochen?“

„Mach doch mal wieder Schnüsch. Aber nicht wieder so geizig mit dem Matjes!“

„Okay.“

„Eine einziger ist ja wohl ein bisschen wenig – wenn du so weitermachst, haben wir bald wieder Lebensmittelkarten!“

„Ist ja schon gut, Herr und Gebieter! Also zwei Matjesfilets für dich.“ Ich selbst bin nämlich Vegetarier.

Vier! Soll ja für zwei Tage reichen.“

„Ist notiert – vier“, gebe ich nach. „Zufrieden?“

„Zufrieden.“

Am nächsten Morgen, ich komme gerade vom Einkaufen wieder: „Weißt du, worauf ich mal wieder Lust hätte? Auf ’nen richtig schönen Nudelauflauf. Machste uns den heute?“

„Du hast wohl nicht mehr alle Krabben auf’m Kutter! Letzte Nacht hast du noch Schnüsch bestellt und ausdrücklich auf vier Matjesfilets bestanden. Jetzt, wo ich alles eingekauft habe, soll ich das Menü wieder umstellen? Kommt gar nicht in die Tüte!“

„Wann habe ich letzte Nacht Schnüsch bestellt? Da habe ich tief und fest geschlafen!“

Manchmal frage ich wirklich, warum manche Leute so begeistert die Late Night Talk Shows im Fernsehen einschalten. Das, was man zu später Stunde in den eigenen vier Wänden erleben kann, ist doch viel unterhaltsamer. Oder geht’s etwa nur bei mir so zu?