Es ist da: Die Witwe von Nienstedten

????????Wie versprochen, hier die Info, dass meine neue spukige Kurzgeschichte Die Witwe von Nienstedten im Vertrieb ist. Ab sofort kann dieses eBook Short bei allen wichtigen Online-Stores für alle gängigen eReader abgerufen werden.

Für alle Leser, die die Vorankündigung verpasst haben – das hat es mit der Witwe von Nienstedten auf sich:

 

Das gediegene Anwesen der Kaufmannsfamilie Christiansen in Nienstedten vor den Toren Hamburgs im Jahr 1898. Clara, die neue Gesellschafterin für die Hausherrin, begegnet einer geheimnisvollen, in altmodischer Witwentracht gekleideten Frau, die jeder zu kennen scheint, von der jedoch niemand sprechen will.

Erst, als die Frau immer öfter auftaucht und ein schreckliches Ereignis die Familie Christiansen erschüttert, offenbart sich für Clara das ganze, fast zweihundert Jahre alte Geheimnis. Es scheint, dass die Besuche der Witwe Smidt ein noch größeres Unglück ankündigen, das durch nichts aufzuhalten ist – auch nicht durch das bevorstehende Weihnachtsfest…

 

????????Gleichzeitig ist übrigens Das Nebelschiff in einer Neuauflage mit neuem Cover erschienen…

Wir müssen alle sterben!

20141128-1Woran erkennt man, dass Weihnachten naht? Ich meine, außer daran, dass man schon seit September Christstollen, Dominosteine und Co. erwerben kann?

Ganz einfach: Jedes Jahr kurz vor dem ersten Advent steigt die Ausgabe von gar Fürchterliches prophezeienden Verbraucherwarnmeldungen sprunghaft an, z. B. „Benutzen Sie die Kerze vom Hersteller X aus dem Material Y nicht, die Dämpfe enthalten Schadstoffe, mit denen Sie langfristig Lungenkrebs entwickeln.“ Oder „Kaufen Sie nicht den Plastiktannbaum ABC, denn mit dessen Ausdünstungen vergiften Sie sich.“ Aber im gleichen Atemzug: „Kaufen Sie keine echten Bäume der Baumarkt- und Gartencenterkette 08/15, die sind mit Pestiziden verseucht!“

Wir bekommen’s ja schon das ganze Jahr hindurch zu hören: Esst dies nicht! Trinkt dass nicht! Guckt euch jenes nicht zu lange an! Verzichtet auf dies-und-das!

Das Leben ist gefährlich, also passt auf, sonst bringt es euch am Ende um… Sensationelle Entdeckung! Lebewesen sind sterblich! Und nicht alle fallen irgendwann aus Altersschwäche um!

Wobei früher ein verallgemeinernder Warnhinweis in der Tagesschau gereicht hat: „Alle Seifenprodukte mit ______ (hier Zusatz nach Wahl einsetzen, z. B. einen Duftstoff) enthalten Gift – Finger weg!“ Heute bekommt jeder einzelne Hersteller seine eigene 45minütige Doku, und zwar von jedem Sender in der bundesdeutschen TV-Landschaft eine neue.

Eigentlich müssen wir doch längst ausgerottet sein, weil wirklich nichts mehr sicher ist. Aber komisch – wir sind immer noch da und werden sogar immer noch mehr.

Kleidung ist vergiftet, Spielzeugkleinteile können beim Einatmen zum ersticken führen, nicht überall, wo Bio drauf steht, ist auch wirklich Bio drin. Das ist alles sicherlich nicht schön, gar keine Frage, und sicherlich sind viele Warnungen auch absolut sinnvoll.

Dennoch habe ich das Gefühl, wir versinken allmählich in einer Sicherheitshysterie, bei der die Lebensfreude nur auf der Strecke bleiben kann.

Aber sehen wir den harten Fakten ins Auge: Das risikofreie Leben gibt es nicht. Hat es noch nie gegeben. Wird es nie geben. Irgendwo lauert immer eine Gefahr, und wenn es nur der Blumenpott ist, der einem aus dem dritten Stock auf die Gedächtnishalle fällt.

Eigentlich bleibt uns doch nur folgendes übrig: Wenn ich auf alles verzichte, was irgendwie ungesund, schlecht für mein Leben ist oder ethisch unkorrekt produziert wurde, bleibt mir doch nix anderes übrig, als splitterfasernackt in den nächsten Wald zu gehen, mir mit bloßen Händen ein Grab zu schaufeln und mich darin selbst zu verbuddeln. Hab‘ ich aber keine Lust zu. Also mache ich einfach weiter, wie ich es für mich für richtig halte…

Throwback Thursday: Bücher des Jahres 2014

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Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und schon jetzt, so kurz vor dem 1. Advent, ist in vielen Bereichen der angenehmen Seiten des Lebens nicht mehr damit zu rechnen, dass sich noch etwas weltbewegendes Neues tut. Also kann man eigentlich schon mit den Jahresrückblicken beginnen. An den kommenden Throwback Thursdays bis Weihnachten gibt’s daher hier im Wortgepüttscher jeweils Jahreshighlights 2014 zu bestimmten Themenschwerpunkten.

Den Anfang machen – wie könnte es anders sein – Bücher. Dabei berücksichtige ich übrigens nicht, ob ein Buch in diesem Jahr brandneu erschienen ist. Es kann auch ein ganz olle Kamelle sein, die mir lediglich erst in diesem Jahr zum ersten Mal in diesem Jahr über den Weg lief.

Genug Vorgeplänkel, los geht’s: Weiterlesen

Ankündigung: Die Witwe von Nienstedten

????????Es ist soweit – heute wurde die Vertriebsfreigabe für meine neue spukige Kurzgeschichte Die Witwe von Nienstedten erteilt. Noch ein paar Tage Geduld, dann ist das eBook-Short in allen gängigen Shops für alle gängigen eReader gelistet. Wenn es soweit ist, gebe ich natürlich hier an dieser Stelle Bescheid.

Und darum geht es bei der Witwe von Nienstedten:

 

Das gediegene Anwesen der Kaufmannsfamilie Christiansen in Nienstedten vor den Toren Hamburgs im Jahr 1898. Clara, die neue Gesellschafterin für die Hausherrin, begegnet einer geheimnisvollen, in altmodischer Witwentracht gekleideten Frau, die jeder zu kennen scheint, von der jedoch niemand sprechen will.

Erst, als die Frau immer öfter auftaucht und ein schreckliches Ereignis die Familie Christiansen erschüttert, offenbart sich für Clara das ganze, fast zweihundert Jahre alte Geheimnis. Es scheint, dass die Besuche der Witwe Smidt ein noch größeres Unglück ankündigen, das durch nichts aufzuhalten ist – auch nicht durch das bevorstehende Weihnachtsfest…

 

Ich wünsche schauriges Lesevergnügen…

’Ne Abkürzung nehmen

Vergangenen Sonnabend, Bahnhof Möllerbrücke, ich warte auf meinen Kaffeebesuch, der mit der S-Bahn anreist. Am Bahnsteig gegenüber eine junge Deern, etwa Mitte 20, aber scheinbar schon gut betucht, denn am Telefon erzählt sie laut… sehr laut, dass sie nun endlich ihre zwei Wochen New York buchen könne, sie hätte nach langem Suchen geeignete Wohnungs- und Hundesitter gefunden, „zwei ganz süße Schwupoki.“

Dunkel ist der Rede Sinn, und die Person am anderen Ende der Leitung ist offenbar ebenso irritiert ob des unbekannten Ausdrucks wie. Was sich wie ein griechischer Tanz anhört, ist es offenbar keiner. Denn nun sagt die Deern: „Schwupoki sind das. Weißt du nicht, was Schwupoki sind? Is‘ ’ne Abkürzung.“

Ach so, alles klar… ‚Ne Abkürzung. Wie LGBT, ARD, ABC, THW, LKW, AKW  – o jemine. Es gibt viele sinnvolle Buchstabenkombinationen, die uns beim täglichen Schnack viel Zeit ersparen, weil sie endlos lange Bandwurmbezeichnungen auf wenige Buchstaben verkürzen. Aber vieles ist auch das aus dem Ruder gelaufen, weil es mittlerweile auch einige Abkürzungen gibt, die genauso fatal daher kommen wie der inflationäre Gebrauch von Kunst-Anglizismen.

Jetzt bin ich aber mal gespannt, was sich hinter diesem geheimnisvollen Schwupoki versteckt, und endlich lüftet die Deern den Schleier: „Ist doch logisch: Schwules Paar ohne Kinder.“

Aaaaaaaaaaaaah, ja.

 

Müll-Safe

20141121-1„Endlich haben wir sie“, freut sich der ehemalige Arbeitskollege beim Kaffeeplausch und zeigt mir stolz einen neuen Schlüssel an seinem Bund.

„Ach, habt ihr eurem Vermieter endlich ein Fahrradhäuschen aus dem Kreuz geleiert?“

„Nee, aber abschließbare Mülltonnen!“

Ehe ich meine große Fresse meinen vorlauten Rappel halten kann, entfleucht mir: „Nee, is‘ klar. Hat ja auch in der Zeitung gestanden, dass die Mülldiebstähle in letzter Zeit besorgniserregende Ausmaße angenommen haben. Da muss dringend was getan werden.“

„Quatsch! Aber du weißt doch, dass die Mülltonnen bei uns nicht hinten im Hof, sondern vorne an der Straße stehen. Und wir sind es leid, dass ständig irgendwelche Fremden ihren Müll in unsere Tonnen schmeißen.“

Mir ist es vorher noch gar nicht so aufgefallen, aber als ich nach dem Kaffeeplausch noch zum Grünhöker gehe, achte ich bewusst drauf: Tatsächlich, in immer mehr Ecken der Stadt gibt es Mülltonnen mit dieser roten Wulst auf dem Deckel, in der das Schloss eingebaut ist.

Andererseits haben die gleichen Ecken ein deutlich höheres Problem mit Straßenverdreckung, weil es weit und breit keine öffentlichen Mülleimer gibt, teilweise nicht mal an den Bushaltestellen und den unwichtigeren Straßenbahnstationen. Da müsste doch die so genannte Öffentliche Hand auch mal aktiv werden. Nur mit Schlössern für die Mülltonnen kann’s da nicht getan sein.

Jedenfalls wär’s mir lieber, die Leute schmeißen ihren Müll en passant in meine Mülltonnen, so lange nicht mehr öffentliche Mülltonnen da sind. Gut, ich zahle deren Entsorgungskosten mit. Aber wenigstens wäre mein Vorgarten sauber.

Nur drei Buchstaben…

Hach, was war das heute für eine tolle Laufrunde… Siebzehn Kilometer und somit nur noch von vier von meinem Trainingsziel Halbmarathon entfernt. Ich war richtig beflügelt, als ich die letzten Meter zwischen meiner eigentlichen Laufstrecke und zuhause in lockerem Entspannungstrab zurücklegte.

In der Nähe des Westfalenstadions hielten mich zwei asiatische Touristen an. „Excuse me…? Can you help us?“ kam es zögernd von den beiden, junge Kerls so um die Zwanzig.

„Good morning“, erwiderte ich fröhlich. „What can I do for you?“

Um das Ganze abzukürzen: Die beiden fragten mich sehr höflich nach dem Weg zum BVB-Fanstore, ich erklärte selbigen. Dann fragten sie noch, warum am Stadion nicht Westfalenstadion, sondern der Name eines Versicherungskonzerns stünde, und ich erklärte auch das: Bruch mit alten Traditionen für schnöden Mammon.

Die beiden bedankten sich höflich und verabschiedeten sich: „Have a nice day…“ Und, quasi wie ein zusätzliches Aufblitzen: „… Sir!“

Toll.

„Sir“ hatten sie mich genannt, mich mit jenem Wort belegt, das einen Mann schlagartig um ganze Dezennien altern lässt.“Have a nice day!“ – die hatten gut reden mit ihrem „Sir“… Gerade eben hatte ich mich noch wie Chris Meloni gefühlt: In den besten Jahren, fit wie ein Turnschuh, True Blood-Hauptdar… Naja, zumindest Nebendarstellermaterial. Doch ein Wort, ein einziges Wort mit lausigen drei Buchstaben hatte gereicht, dass ich mir nun vorkam wie Bruce Forsyth.

Vroom… vroom…

20141118-01Aus rein praktischen Erwägungen haben mein Mann und ich vor sechs oder sieben Jahren unser Auto abgeschafft. Ich habe eh keinen Führerschein, und mein Mann hatte keine Lust mehr auf den täglichen Ärger mit der Parkplatzsuche in unserem Quartier. Pure Mathematik. 100 Parkplätze : 200 Autos = Ärger!

Zum anderen waren da die Kosten. Von wegen pecunia non olet – die Spritpreise stanken zum Himmel!

Last but not least muss man der Stadt bei all meiner (immer augenzwinkernd gemeinten) Lästerei eines lassen: Zumindest unser Quartier ist perfekt erschlossen. Von A über Arzt und Apotheker bis Z wie Zoohandel ist hier alles Lebenswichtige fußläufig in wenigen Schritten zu erreichen, die Haltestellen von sechs verschiedenen Linien des Nahverkehrs liegen quasi in Rufweite, und selbst bis zum Bahnhof und der Fußgängerzone downtown sind es nur fünfzehn Minuten Fußweg. Weiteres K. O.-Kriterium: Keiner von uns muss beruflich pendeln. In so einer Situation braucht man einfach kein Auto.

Wenn wir doch mal eins brauchen, dann wird gemietet, was in unserem Fall wirklich die günstigste Alternative ist. Wir mieten zudem anlassgerecht und hatten so vom Smart über VW Polo und 1er BMW bis zum Volvo V70 inzwischen jede Fahrzeugkategorie. Zudem haben wir dadurch etwa drei Mal pro Jahr ein fast fabrikneues Auto unter dem Pöter, das kann auch nicht jeder von sich behaupten. So macht die ganze Mieterei dann auch noch ein wenig Spaß.

Apropos Volvo V70. Das Ding ist ja echt ein dicker Brummer und saubequem. Wir hatten mal einen für einen Fehmarn-Wochenende gemietet. In unserem eigenen, zum Schluss recht klapprigen Fiat Fiorino durfte mein Mann nie schneller als 120 fahren, und ich achtete genau auf die Tachonadel! Aber im Schweden-Express fühlte ich mich sicher, so dass ich entspannt nach draußen auf die Landschaft blickte und irgendwann beiläufig sagte: „Schatz, kannst heute ruhig schneller als hundertzwanzig fahren.“

Mein Mann verriss fast das Lenkrad vor Lachen. „Schatz“, japste er, „ich fahr schon seit einer halben Stunde zweihundertzwanzig!“

Ich zuckte nur gleichgültig mit den Achseln.

Wie weicheiig ich beim Autofahren bin hängt also ganz stark von Marke und Stabilität der Karre ab. Sonst wäre ich ja unkompliziert, und wo bleibt da das Abenteuer für die, die mit mir zu tun haben?

Hat sich auch heute wieder gezeigt. Als ich nach dem Einkauf aus dem Supermarkt kam, regnete es. Wie es der Zufall wollte, war unser Nachbar Felix (Name von der Redaktion geändert) ebenfalls einkaufen und bot mir großzügig an, mich mitzunehmen, obwohl es nur ein paar Meter waren. Aber es pladderte wirklich fies.

Nun ja, was soll ich sagen… Auf jeden Fall nicht, dass Felix schlechter fährt als mein Mann. Wirklich nicht. Er hat sein Töff-Töff wirklich im Griff. Aber wie er aufs Gas trat und die Rasanz, mit der seinen klapprigen Opel Astra, Baujahr 1997, in die Kurven jagte, war einfach nix für mich. Beim Aussteigen hatte ich das Gefühl, mit dem Restkörper schon vor unserem Haus zu stehen, während mein Magen noch auf dem Supermarkt-Parkplatz darauf wartete, überhaupt EINsteigen zu können. So nett, sympathisch und hilfsbereit wie Felix auch ist, aber ich glaube, das nächste Mal werde ich lieber nass.

Feuer und Pflaume

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich die Wirksamkeit von Rauchmeldern gepriesen habe. Ihr Geräusch geht einem ja auch wirklich durch und durch. Man ist sofort aufmerksam.

Gestern Abend zum Beispiel. Da saß ich in meiner kuscheligen Leseecke, als es auf einmal ertönte: Fiep-fiep-fiep-fiep…

Das Buch flog in die Ecke, ich sprang auf und stürzte zu meinem Gemahl ins Wohnzimmer: „Schatz, hier brennt’s irgendwo!“

„Ach, ja?“ Er zuckte nur desinteressiert mit den Schultern. Nach einem Blick auf den Fernseher wurde mir auch klar, warum:

Zwar hatte ich beim Lesen vage im Hintergrund mitbekommen, dass der Fernseher lief, doch mir war entgangen, dass mein Mann den Tatort als stinklangweilig empfunden (Wie jede Woche eigentlich – ich weiß gar nicht warum er das überhaupt immer noch einschaltet, aber das ist eine andere Geschichte) und auf das Dalli Dalli-Revival mit Kai Pflaume umgeschaltet hatte. Das Fiep-fiep-fiep-fiep war nur das Signal des Publikums gewesen, die Kandidatenleistung als „Spitze!“ empfunden zu haben.

Mit hochrotem Kopf kehrte ich zu meinem Buch zurück, während mein Mann sich kaputtlachte.

Frühsport, Senioren-Style

Heute habe ich Frau L. eine Geburtstagskarte geschickt. Frau L. ist jene sympathische ältere Dame, die ich im Juli im Café auf dem Blankeneser Bulln kennengelernt habe. Wir sind seitdem lose in Kontakt geblieben und haben die ein oder andere Nachricht getauscht. Ganz klassisch per Brief, obwohl Frau L. sehr auf der Höhe der Zeit ist und mit ihrem Smartphone besser umgehen kann als ich mit meinem.

Dass ich Frau L. an jenem Tag überhaupt kennenlernen durfte, war purer Zufall. Einmal in der Woche geht sie außer Haus frühstücken. Meistens ist sie der erste Gast, gleich nachdem die Tür aufgeschlossen wurde, denn sie will wieder weg sein, bevor die Latte Macchiato-Muttis kommen: „Die bringen ihren Blagen noch nicht mal vernünftig die eigene Sprache bei, zwingen sie aber schon im Kindergarten zu Englisch. Blöde Trutschen.“

Allein schon mit diesem Satz hatte Frau L. sich meine uneingeschränkte Sympathie erworben.

Doch an diesem Morgen war sie spät dran und ist nicht wie sonst in ihr Stammcafé am oberen Ende des Treppenviertels gegangen, sondern saß eben unten auf dem Bulln. Dabei las sie die Tageszeitung. Bevor wir ins Gespräch kamen, bekam ich mit, wie sie immer wieder ein zufriedenes „Ja!“ oder „Jawoll“ murmelte.

Später, als wir eine Weile geschnackt hatten, fasste ich mir ein Herz und fragte sie danach.

„Och, ich habe nur die Sportergebnisse gelesen.“

„HSV oder St. Pauli?“ fragte ich.

„Wer redet den von Fußball? Ich meine das hier.“

Sie schlug die Zeitung auf und zeigte mir – die Todesanzeigen.

Das sind für Sie die Sportergebnisse?“

„Klar doch – bloß dass in meiner Disziplin derjenige der Sieger ist, der zuletzt im Ziel einläuft. Und meine Chancen werden immer besser! Wie Sie sehen, ist heute wieder ein Tag, an dem ich nicht auf dem Treppchen nach unten stehe. Wissen Sie, in meinem Alter ist jeder Tag ohne Grabstein ein Meilenstein!“

Davon, liebe Frau L., wünsche ich Ihnen noch viele weitere – un alln’s Gode to’n Gebortsdag!

Modeläden

20141110-2Nun wohne ich ja schon eine ganze Weile mit meinem Mann in der Stadt an der Emscher. Obendrein in einem der gefragtesten Quartiere, und wir haben schon so einiges an Moden hier gesehen. Nein, nicht Plünnen, Kledaasche, Couture oder Klamotten – wie immer man es nennen will -, sondern welche Art von Ladengeschäft gerade en vogue ist. Man kann da einen regelrechten „Takt“ beobachten: In Jahr 1 macht irgendein Pionier mit seiner Geschäftsidee den Anfang, in Jahr 2 und 3 steigt die Zahl der Läden, die diese Geschäftsidee auch verfolgen, sprunghaft an, bis in Jahr vier allmählich der Niedergang beginnt und die ersten Läden wieder verschwinden. Dieses Jahr 4 ist dann gleichzeitig Jahr 1 für die nächste neue Idee

Zuerst fiel mir die extrem hohe Rate an Putzbüddeln (Friseuren) auf – jede Straße schien schon ihren eigenen Laden zu haben, als ich herkam, und es wurden trotzdem immer noch mehr.

Diese wurden aber dann doch weniger und es machte eine Pizzeria nach dem anderen auf. Das war auch der langlebigste Trend. Wann immer mein Mann oder ich nach Hause kam und berichtete „Der ________-Laden in der ________-Straße hat dicht gemacht“ kam die Antwort: „Ach, brauchen wir wieder ’ne neue Pizzeria?“ Es war die Pest. Warum bekamen wir nicht mal ein indisches oder skandinavisches Restaurant? In unserem kosmopolitschen und aufgeschlossenen Quartier wäre das wirklich mal eine echte Marktlücke gewesen.

Es folgten Caféhäuser, Einrichtungsläden, Waschsalons und so weiter. Selbst von den an manchen Ecken des Potts schon totgesagten guten alten Kiosks erlebten wir für eine Weile eine echte Schwemme. Bis die ersten wieder verschwanden und von jeder Sorte nur noch ein, zwei Läden mit unerschütterlich treuer Stammkundschaft überleben konnten.

Der neueste Trend sind Änderungsschneidereien, der allerdings jetzt schon wieder von Burger-Restaurants ohne Großkettenanschluss abgelöst wird, kaum dass er richtig begonnen hat.

Die Pizzerien (oder auch Döner- und Gyrosbuden) mal ausgenommen – futtern geht bekanntlich immer. Aber bei all den anderen Dingen will sich mir diese Nachahmer-Mentalität nicht erschließen. Es ist doch seit Urzeiten ein Gesetz von Angebot und Nachfrage, dass letztere irgendwann erschöpft ist, wenn ersteres im Überfluss da ist. Und dann setzt das Sterben ein.

Wenn in einem Quartier X einer Stadt also bereits zehn Läden für Idee Y vorhanden sind, obwohl das schon drei zuviel sind, warum tue ich es mir dann an, mich noch mit meinem elften Laden dazwischen zu quetschen? Verspricht der Kuchen der Gentrifizierung wirklich so viel, dass er so blind für die Gefahren macht, die entstehen, je später man sich einem Trend anschließt? Oder ist es Gedankenlosigkeit? Schauen sich die Leute in dem Quartier, in dem sie ihren Laden eröffnen wollen, vorher nicht genügend um? „Oh, da ist ein leeres Ladenlokal. Ziehen wir da doch mit unserer Tintentankstelle ein“ – dabei schön ignorierend oder gar nicht erst bemerkend, dass es drei Häuser weiter längs bereits eine gibt. Ist denn niemand da, der diese ambitionierten, ihren großen Traum leben wollenden, spannenden Menschen warnt und sagt, „Lass es hier lieber sein – hier gibt’s zuviel davon. In ’nem anderen Viertel hast du viel größere Chancen“??? Kein Banker, kein Immobilienmakler, kein Berater für Existenzgründer?

Man weiß es nicht. Schade nur um all jene, die am Ende ihren großen Traum begraben müssen, weil er von den Gesetzen der Gentrifizierung und der Mode aufgefressen wurde.

Sonntagszwischenruf

20141109-1Heute: Die Mauer ist weg?

Es gibt Daten, die sich ins kollektive Gedächtnis eingraben. „Wo warst du, als Kennedy ermordet wurde?“ oder „Wo warst du am 11. September?“ etwa, und als Antwort gibt es von den Befragten stets eine ausgiebige, lebendige Geschichte. Natürlich auch zum 9. November 1989.

Heute vor fünfundzwanzig Jahren öffnete sich also die Mauer, und ich weiß… von nix mehr. Da bin ich Zeuge eines der wichtigsten, tollsten Ereignisse meiner Zeit geworden, aber ich kann nur noch die Äußerlichkeiten nachlesen, mir Bilder und Filme anschauen von überfüllten Zügen, von den langen Schlangen an den Grenzübergängen, von Freudentränen vergießenden Menschen sowie den Erzählungen anderer Zeitzeugen zuhören.

Doch an meinen eigenen Platz in dieser so wichtigen, spannenden Zeit fehlt mir jede Erinnerung. Gut, ich war erst sechzehn, aber ich war politisch/historisch informiert, interessiert und wusste oft besser über das aktuelle Tagesgeschehen Bescheid als meine Altersgenossen. Habe ich mich gefreut, als ich und alle um mich herum allmählich realisierten, dass Freunde und entfernte Verwandte aus Potsdam, Rostock und Stralsund uns jetzt einfach so nach Lust und Laune besuchen konnten, ohne Fragebögen auszufüllen und gar auf eine Erlaubnis zu warten? Bestimmt. Habe ich an jenem 9. November 1989 vor dem Fernseher gesessen und mit offenem Mund staunend das Geschehen der Liveberichte verfolgt? Ganz sicher. Aber ich habe kein Gefühl mehr dafür.

Ich schaue mir das alles an wie Wochenschauberichte vom Tag der Befreiung 1945, von der Eröffnung der Fährlinie Großenbrode Kai – Gedser 1951 oder vom Eurovision Song Contest 1957 in Frankfurt. Es hat stattgefunden, aber ohne mich.

Ausgerechnet bei 1989 klafft bei mir also eine große Lücke, obwohl ich sonst das sprichwörtliche Erinnerungsvermögen eines Elefanten habe. Die Worte von Hans Dietrich Genscher auf dem Balkon in Prag, die Montagsdemonstrationen in Leipzig und schließlich der Mauerfall… Wann, wo und wie ich all das, was in jenem turbulenten Jahr passiert ist, erlebt habe, wie ich dabei empfunden habe – es ist nicht mehr da. Übrigens nicht nur in dieser großen historischen Dimension. Auch wenn ich auf alte Fotos von der Studienfahrt mit meiner wirklich plietschen und tollen Klasse von der Handelsschule, private Urlaubsfotos oder in jenem Jahr gekaufte Bücher und CDs schaue, dann ist es, als wäre der Ordner für 1989 auf meiner mentalen Festplatte zwar noch da, aber ohne Inhalt. Dabei war es eigentlich ein gutes Jahr, und heißt es in diesem Lied The Way We Were nicht, dass wir das Schmerzhafte vergessen, das Gute dafür umso intensiver erinnern?

Ich hab‘ mal im Freundeskreis rumgefragt. Fast jeder hatte auch so ein Jahr, das er/sie – obwohl es wirklich gute zwölf Monate waren – beim besten Willen nicht mehr auf dem Schirm hatte. Es scheint also kein Einzelphänomen zu sein, ich bin quasi in bester Gesellschaft. Dass es mir ausgerechnet mit 1989 passieren musste, ist trotzdem blöd. Gerade heute würde ich mich gerne nochmal drauf besinnen, wie’s damals gewesen ist. Da draußen sind tausende Geschichten, die schon erzählt sind, die aber auch noch erzählt werden müssen, und ich würde gerne dazu beitragen. Geht aber nicht, und das wurmt mich.

PS: Lasst uns bei aller Feierei des Jahres 1989 bitte auch bedenken, was einundfünfzig Jahre davor geschehen ist, also am 9. November 1938. Stichwort Novemberpogrome. Auch hier sollte man einen Moment innehalten und dran denken, was sich da zugetragen hat. Damit uns die Geschichte keine Wiederholung aufdrängt…

Breaking News – 06.11.2014 – 23:12 Uhr

20141106-1

Fertig. Nach dem Nebelschiff nun die zweite Schauergeschichte in viktorianischer Erzähltradition von mir. Mit weihnachtlichem Bezug, wie versprochen. Morgen dann ins Lektorat mit dem Ding, damit’s mit der Veröffentlichung zur Advents-/Weihnachtszeit auch wirklich klappt. Und jetzt Zeit für die Koje… gute Nacht!

Willkommene Einmischung

20141105-1Vieles von dem, was uns die Politiker auf Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europaebene an Bestimmungen und Gesetzen aufs Auge drücken, kann man mal mehr, mal weniger zu recht als Gängelei empfinden, als unerwünschte und unzulässige Einmischung in das Leben von mündigen Bürgern, die sich in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sehen. Und bei einigen Dingen, wie etwa dem höchstzulässigen Krümmungsgrad von Gurken oder Bananen, fasst man sich mitunter entsetzt an den Kopf und denkt: „Haben die eigentlich nichts Besseres zu tun???“

Es gibt aber durchaus sinnvolle Zwangsmaßnahmen, wenn man’s denn so nennen will. Heute hat unser Vermieter die gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder montieren lassen. Auch da mag es Leute geben, die sagen: „Ob ich das will oder für nötig befinde, kann ich auch selber entscheiden.“

Klar, kann man. Macht man nur selten. Denn alles, was irgendwie Gefahr für Leib und Leben darstellt schiebt man doch viel zu gerne von sich, verdrängt es, sperrt es aus den Gedanken aus. Patientenverfügung, Testament, Bestimmungen für die eigene Beerdigung, Organspendeausweis, whatever. „Ja, ja, ich weiß – mach ich in einer stillen Minute.“

Viel zu selten nimmt man sich diese stille Minute. Ich weiß, wovon ich rede. Vor etwa zehn Jahren sind wir hier in unserem Haus einer Feuerkatastrophe entronnen. Es war wirklich ’ne knappe Kiste, nur durch einen glücklichen Zufall ist fast allen von uns der Ritt op Düwels Schuuvkarr (auf Teufels Schubkarre) erspart geblieben. Zwei Todesopfer durch Rauchvergiftung waren dennoch zu beklagen.

Danach war man ein förmlich gebranntes Kind. Rauchmelder müssen ins Haus, das hatte sich jeder fest vorgenommen. „Sobald wir die Brandspuren beseitigt haben, besorgen wir uns die Dinger.“

Dieser Vorsatz war aber genau so schnell vergessen wie jene, die man zu Neujahr trifft. Direkt nach dem Feuer war es vielleicht sogar verständlich – man musste mit dem Schock klarkommen, dass man mehrere Stunden in einer kalten Dezembernacht draußen verbracht hat und lange nicht wusste, wie alles ausgehen würde, ob man nicht alles verlieren würde. Und das kurz vor Weihnachten! Natürlich sehnt man sich da nach Ablenkung, wenn’s vorbei ist und man nochmal davongekommen ist. Aber danach waren es wirklich nur noch Ausreden, warum man keinen Rauchmelder mitgebracht hat.

Nun hat uns der Gesetzgeber also die Entscheidung abgenommen. Und ganz ehrlich? In diesem Fall finde ich das verdammt gut.

Denn Rauchmelder können wirklich Leben retten. Der eine Nachbar nämlich, der sich tatsächlich noch am Tag nach dem Feuer Rauchmelder gekauft hat, war ein halbes Jahr später verdammt dankbar dafür, als ihn mitten in der Nacht ein lautes „Piiiiiiiiiiieeeeeeeeeep“ an die vergessene Kerze im Wohnzimmer erinnert hat und zum Glück nur sein Tisch und der Teppich ruiniert waren.

Also Leute: Rauchmelder ins Haus. Wer zur Miete wohnt, bekommt sie sowieso, dafür sorgt der Vermieter. Wenn er damit schlampt: Macht ihm Druck! Und wer selber für sein Eigentum verantwortlich ist: Ab in den Baumarkt. Heute noch. Sich rausreden gilt nicht.