„Ihre Meinung ist uns wichtig“

Endlich habe ich den Account bei meinem alten eMail-Anbieter gekündigt. Den neuen benutze ich schon seit über einem Jahr bei größter Zufriedenheit, und hätte ich nicht die Kündigungsfrist für die kostenpflichtigen Zusatzangebote verpasst, wäre ich den alten Anbieter ebenfalls schon seit letztem Jahr losgewesen. Nun ja, Schietkrom passiert halt.

Jedenfalls habe ich mich jetzt in den alten Account eingeloggt, mich durchs Menü gewurschtelt und schließlich die Schaltfläche „Vertrag kündigen“ gewählt. Und was kam als erstes? Natürlich das großartige unwiderstehliche Topangebot, mit dem man mich halten wollte. Nein, danke, lieber Anbieter – alea iacta est. Ich will weg von euch, und das so fix wie möglich. Also das unwiderstehliche Angebot mit der Schaltfläche „Weiter“ übersprungen.

Doch so schnell will man mich nicht von der Angel lassen. Jetzt will man zumindest noch wissen, warum ich überhaupt gehen will. Das ist für einen Moment lang echt verlockend. Denn zusätzlich zu den üblichen Multiple Choice-Möglichkeiten zu teuer oder zu unübersichtlich gibt es da tatsächlich ein Feld, in dem ich auf 2.000 Zeichen frei formulieren kann, denn „Ihre Meinung ist uns wichtig!“

Soll ich da wirklich reinschreiben, dass ich mich ziemlich verarscht gefühlt habe, als ich mit einem „werbefreien Postfach“ geködert wurde, ich aber trotzdem jeden Tag mindestens fünf Mails mit Eigenwerbung des Providers hatte? Dass die Benutzeroberfläche mit jedem Update unübersichtlicher und bedienungsunfreundlicher wurde? Oder dass das journalistische „Niveau“ der Startseite mit dem Log In noch unter dem der BILD-Zeitung liegt (Nebenbei – weiß jemand, was ein Nicki Minaj ist? Ist das ein Spielwarenartikel? Auf dem Foto zum Artikel war nur etwas zu sehen, das frappierende Ähnlichkeit mit dem Gemüsemännchen aus Billigplastik hatte, welches meine Mutter in den 1970ern als Deko in der Küche hängen hatte?).

Ach, Quatsch. Es lohnt die Mühe nicht. „Ihre Meinung ist uns wichtig“ ist hier doch genau so eine inhaltsleere Worthülse wie in den Warteschleifen von Telefonhotlines. Wer glaubt, dass sich jemand im Servicecenter des Providers diesen freien Text wirklich durchliest und auch noch ernst nimmt, um entsprechende Änderungen anzuleiern, dem kann man nur Helmut Schmidt ans Herz legen: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!“. Und letzten Endes trifft das doch bei allen Umfragen dieses Tenors zu.

Also einfach „Ich möchte keine Gründe angeben“ angeklickt und den Kündigungsvorgang abgeschlossen. Die Kündigungsbestätigung kam schon eine Stunde später.

Erste gute Tat des Jahres: Check!