Segen der Faulheit

„Ich denke nicht, dass Erfindungen aus Notwendigkeit heraus geboren werden. Erfindungen entspringen, meiner Meinung nach, aus Müßiggang, vielleicht sogar Faulheit – um sich Mühen zu ersparen.“ – Agatha Christie

Vielleicht ein etwas arg allgemeines Statement, aber als Agatha Christie 1950 mit ihren Memoiren begann, gehörten einige Dinge noch nicht zum alltäglichen Leben, und es ist eher unwahrscheinlich, dass der Herzschrittmacher aus Faulheit erfunden wurde.

Trotzdem scheint da ein Kern Wahrheit drin zu stecken. Nehmen wir nur die Spülmaschine – die Lieblingstasse von Hand zu spülen, dauert keine dreißig Sekunden. Aber lieber warten wir, bis das zwei Stunden dauernde Programm des weißen Elektrokastens durchgelaufen ist und stimmen ein Riesenlamento an, wenn das Ding koppheister gegangen ist.

Kühlschränke sind auch so ein Ding. In einer Episode der NDR-Dokureihe Land im Gezeitenstrom wurde kürzlich u. a. ein Dithmarscher Kohlbauer vorgestellt. Zu dessen Betrieb gehörte auch Lagerkeller. Keine Maschinen, sondern Baustoffe, Lüftungsschlitze etc. regelten hier über ein ausgeklügeltes System das Klima so raffiniert, dass die Kohlköpfe aller Art bis zu einem Jahr frisch blieben ohne auch nur ein Fitzelchen von ihren Vitaminen einzubüßen.

Sowas gab es früher auch im Kleinen. Mein Großonkel hatte so etwas auf seinem Bauernhof. Vom normalen Keller ging ein schmaler Gang von etwa zwei Metern Länge ab, dann ging es nochmal fünf Stufen hinunter, und dann stand man in einem Raum, in dem es selbst im Hochsommer bei Hitzefreitemperaturen nie wärmer als vier Grad wurde. Den amerikanischen Riesenkühlschrank in der Küche brauchte meine Tante eigentlich nur, wenn für große Feste (und bi uns op’n Dörp waren Feste immer sehr groß) vorbereitet wurde und die Regale im Kühlkeller nicht reichten.

Solche Kühlkeller fanden sich vor ewigen Zeiten überall, selbst in den Städten. Es gab sie in einzelnen Häusern, aber auch als zentral gelegene Häuschen für die ganze Nachbarschaft, in denen man für seine Familie ein Kühlfach pachten konnte. Hier ließen sich Lebensmittel lange lagern, ohne dass man dabei abhängig von einem stabilen Elektrizitätsnetz war.

Mann, was könnten wir heute an Stromkosten sparen (von mehr Platz in unseren Wohnungen ganz zu schweigen), wenn wir die alten Eiskeller nicht zu Cafés, Hobbyräumen und ähnlichem umgebaut hätten.

Andererseits… wer möchte schon des nachts, wenn man von Lust auf ein Stück Schokolade geweckt und aus dem muckelig warmen Bett getrieben wurde, im Bademantel und mit Kerze in der Hand wie deroeinst das Darmolmännchen in den Keller oder gar zum Kühlhaus am anderen Ende der Straße tapern und dabei vielleicht noch von den Nachbarn gesehen werden?

Da bin ich doch lieber faul und gehe in die Küche an den Kühlschrank…