Bei uns auf’m Dorf

Es ist kurz vor Ultimo – nicht nur Zeit für die Gehaltsüberweisung, sondern auch für die hochdeutsche Fassung des plattdeutschen Artikels vom 22. Juli. Viel Spaß!

Ich bin mit meinem Mann gerade wieder mal für ein paar Tage bei uns auf’m Dorf gewesen, also da, wo ich „aus dem Grünkohl gekrochen bin“. Das war wirklich schön, meine Verwandten zu besuchen und ein paar Erinnerungen aufzufrischen.

Nun ist mein Mann selbst auch nicht gerade in einer großen Metropole aufgewachsen. Mülheim an der Ruhr ist zwar eine Millionärsstadt, aber dort liegen die Millionen bloß auf den Konten der reichsten Einwohner und finden sich nicht in den Bewohnerzahlen wieder. Trotzdem ist das immer fast ein Kulturschock für ihn, wenn wir länger als einen Tag in dem kleinen Dorf irgendwo zwischen Posemuckel und St. Irgendwo-auf-der-Heide sind. Denn es gibt dort ein paar Dinge, an die er sich einfach nicht gewöhnen kann.

Das eine sind die Frösche in den Tümpeln und Bächen rund um die Häuser von meinen Eltern oder meiner Schwester. Wenn du nämlich einer größeren Stadt wohnst und mal aufs Land rausfährst, um den Lärm der Großstadt hinter dir zu lassen und das ruhige Idyll zu genießen, merkst du erst, dass das auf’m Land zwar optisch wirklich ganz idyllisch ist, aber eben nicht so ruhig, wie die Leute immer denken. So eine ganze Kompanie Frösche, die die ganze Nacht hindurch nichts anderes machen als ihr quuaaaark, quuaaaark abzusondern, können einem schon schnell auf die Eier Nerven gehen. Nichts da mit still ruht der See! Spätestens nach der dritten Nacht fängt mein Mann dann auch meist an, das Rumpeln der Straßenbahn bei uns über den grünen Klee zu loben.

Das andere, womit er nicht klarkommt, ist die Zeitrechnung bei uns. Er sagt, das kommt ihm immer so vor wie das „Sternenzeit Null-acht-fünfzehn“ oder so beim Raumschiff Enterprise: Er versteht nicht, was gemeint ist. Wenn wir auf dem Dorf nämlich von früher erzählen, dann sagen wir nicht sowas wie „Das ist neunzehnhundertundsechsundsiebzig passiert“. Nein, wir sagen „Das ist in dem Herbst passiert, als Bauer Willis Altenteilerkotten abgebrannt ist“ oder „War das nicht in dem Sommer, als die Jungs aus’m Nachbardorf den Maibaum geklaut haben?“

Bei uns wissen dann natürlich alle Bescheid und können ziemlich klug aus der Wäsche gucken, aber so einer von draußen, der nicht hier geboren und aufgewachsen ist, sieht bloß so verdattert aus wie eine nasse Ente nach dem Gewitter.

Aber eigentlich ist das nur gerecht, denn ich wiederum komme nach siebzehn Jahren mit diesem Mannsbild an meiner Seite immer noch nicht damit klar, dass er zu einem Knief – also so einem Messer zum  Kartoffeln schälen und Gemüse schnippeln – Pittermesser* sagt!

* In Dortmund sagt man wohl so was wie „Hümmken“, habe ich mal gehört.