Küchenexorzismus

So langsam zeichnet sich wirklich das Ende unserer Küchenrenovierung ab. Eigentlich fehlt nur noch das neue Bild für die lange Wand, an welcher der Esstisch steht. Gestern habe ich es bestellt, als Leinwanddruck auf einem Keilrahmen. Es handelt sich um das hier gezeigte Motiv – ist doch selbstverständlich, dass die neue Küchendeko einen Hamburgbezug hat, oder?

Eine Überraschung lauerte hingegen an einer ganz anderen Stelle. Seit ungefähr anno 2000 sind mein Mann und ich Besitzer einer Küchenmaschine, die durchaus mehr kann als das übliche Zerhacken und Rühren, wie es Standardgeräte veranstalten. Dünsten, Kochen und Teige kneten sind nur einige der vielen Zusatzfunktionen. Das sündhaft teure Teil mit dem Edelstahlkessel hat eine treue Fangemeinde und darin wiederum einen gewissen Kultstatus. Ganz unberechtigt ist das wegen der vielen Funktionen, ehrlich gesagt, nicht. Das Ding kann schon viel, wenn auch nicht alles. Gerade Rezepte der Landküche – und davon kochen wir viele – funktionieren ü-ber-haupt nicht mit dem Teil. Wenn man damit Schnüsch oder Süße Graupen kocht, denkt man beim Endergebnis nur: „Da hätte ich auch gleich ’ne Tüte Astronautenkost für Magenkranke aufmachen können.“

Wo wir schon mal bei der Ehrlichkeit sind: Kürzlich machte ein Clip von der Webseite eines Nachrichtenmagazins die Runde, in welchem ein Hobbykoch sehr amüsant, aber auch sehr ehrlich berichtete, warum er das Ding nicht benutzt und warum ihm vor allem die „Jünger“ mit ihren Elogen („… macht das in schniff-schnuff Minuten auf Stufe Bla-bla-bla…“ – „… benutze nix anderes mehr da-und-dafür…“) auf das Gerät ziemlich auf den Zeiger gingen. Mein Mann und ich haben uns mit einer gewissen peinlichen Verlegenheit angegrinst, denn ein bisschen erkannten wir uns schon darin wieder. Lange Zeit haben wir nämlich selber eifrig in das Hohelied auf dieses Teil eingestimmt.  Mea culpa.

Inzwischen liegt das allerdings ziemlich in der Vergangenheit und wir haben uns mit einiger Verlegenheit zwei Dinge eingestanden:

  1. Wir haben uns von der raffinierten Werbemasche für dieses Monstrum einlullen lassen.
  2. Was der fette Sportwagen für die Autofahrer darstellt, ist dieses Küchengerät für die Hobbyköche: Eine künstliche Schwanzverlängerung zur Kompension mangelnden Selbstbewusstseins

Ha’m wa das nötig?

NEIN!

WIR KÖNNEN RICHTIG KOCHEN!

Deswegen sind wir inzwischen im „Heilungsprozess“. Schon während der letzten gut zwölf Monate, also lange bevor dieser Clip Furore machte, haben nämlich wir das empfunden, was der Hobbykoch so treffend in Worte gefasst hat: Lieber wieder alles selber machen, jeden einzelnen Schritt. Nichts mehr in eine Maschine werfen, Knöpfchen drücken und machen lassen. Kochen wieder komplett erleben – vom tränenreichen Würfeln der Zwiebeln bis zum Verkosten des fertigen Gerichts mit wohlig verdrehten Augen (oder auch der Feststellung „Igitt“, wenn mal was so richtig  in die Grütze gegangen ist). Das nennt man Kochen mit Herz und Seele – etwas, das einem eine Vollautomatik-Maschine niemals geben kann.

Deswegen trat das Ding in den letzten zwei, drei Jahren immer mehr in den Hintergrund. So sehr, dass uns beim Einräumen der Küche nach der Renovierung zuerst gar nicht aufgefallen ist, dass wir schlichtweg vergessen hatten, sie wieder aufzustellen. Da war nur ein Gefühl von: „Da fehlt was – aber WAS?“

Als es uns eingefallen ist, haben wir nur mit den Schultern gezuckt. Wir haben das Maschinchen zwar doch noch wieder aufgestellt, aber eigentlich nur noch, um die eingebaute Waage zu benutzen. Vielleicht halten wir auch mal darin ein Sößchen warm, wenn uns mal wieder eine fünfte Platte auf dem Herd fehlt. Drei Tage später haben wir es wieder weggeräumt, denn besagte Waage ist viel zu ungenau. Das kriegt die von Oma geerbte Küchenwaage besser hin. Außerdem kochen wir wirklich lieber wieder komplett so, wie wir es von Müttern und Omas gelernt haben. Fühlt sich gut an, wie nach einem gelungenen Exorzismus.


Hinweis: Die Titelgraphik dieses Beitrags stammt aus dem Pool frei verwendbarer Bilder von Pixabay und befindet sich unter dem Vermerk CC0 der Creative Commons in der Public Domain.