… ist wundervoll. Hat Mae West behauptet. Ich behaupte hingegen, dass es ganz schön lästig sein kann. Im letzten Blogeintrag hatte ich ja freimütig bekannt, leidenschaftlich zu sein. Das gilt besonders dann, wenn ich etwas Neues entdecke. Einen neuen Sänger etwa – ich muss noch am selben Tag alle bisherigen Alben von ihm haben.
Vor einiger Zeit habe ich das BBC-Radioquiz Just A Minute entdeckt, das seit 1967 und mittlerweile fast 900 Episoden von Nicholas Parsons moderiert wird, der über eine wöchentlich wechselnde Runde von vier prominenten Mitspielern präsidiert. Diese sind ein Who Is Who der Geistreichen und Witzigen in der britischen Unterhaltungswelt: Sheila Hancock, Jenny Eclair, Stephen Fry, Gyles Brandreth, Marcus Brigstocke, Josie Lawrence, Liza Tarbuck, Pam Ayres, Tony Hawks, Julian Clary, Nish Kumar, David Tennant („Dr. Who“), Graham Norton, Susan Calman, Josh Widdicombe, Kit Hesketh-Harvey, Chris Neill, Russ Noble, John Finnemore und Russell Kane, um nur einige zu nennen.
Das Konzept ist unglaublich einfach. Nicholas Parsons gibt ein Thema vor – etwa „Maria Stuart“ – und bestimmt einen Kandidaten, der dazu Just A Minute (Nur eine Minute) sprechen soll. Ganz egal, ob er nun puren Nonsens von sich gibt oder hochernst dazu referiert – es muss without hesitation, repetition or deviation (ohne Zögern, Wiederholung oder Abschweifung vom Thema) geschehen. Ansonsten dürfen die Mitspieler per Buzzer einschreiten, Einspruch erheben und das Thema für die verbleibende Zeit jener Minute (oder bis zum nächsten Einspruch!) selber übernehmen.
Das ist verdammt schwer, aber genau das, was den Spaß ausmacht. Denn die vier Gegner sind natürlich bestrebt, jede hesitation, repetition or deviation zu erkennen und die Spielrunde selbst zu übernehmen.
Deviation (Abschweifen) zu vermeiden ist noch die leichteste der Übungen. Einfach beim Thema bleiben. Opfer von hesitation (Zögern) zu werden, ist schon leichter. Ein „äh“ im Redefluss, ein zu langes Luftholen im Satz oder gar nur ein Räuspern reichen schon aus, um die Mitspieler auf den Plan zu rufen, und – schwupps! – ist man die Runde los. Die größte Gefahr lauert bei den repetitions (Wiederholungen). Es muss wirklich jede Wiederholung vermieden werden. Erhält einer der Mitspieler als Thema „ABBA-Songs“, sollte er unbedingt davon Abstand nehmen, den Song Gimme! Gimme! Gimme! zu erwähnen, denn schon beim zweiten Gimme! ist er raus. Auch von der Schauspielerin Zsa Zsa Gabor zu sprechen ist keine gute Idee. Selbst die BBC sollte er tunlichst nicht erwähnen, es sei denn, er gehört zu den erfahrenen Spielern, die schon seit Jahren immer wieder zu Gast sind. Diese sagen nämlich B-Dito-C.
Das Punktesystem und der Gewinner am Ende sind eigentlich völlig egal. Die Leute hören sich die Sendung seit nunmehr achtundvierzig Jahren vor allem wegen der lebhaften und witzigen Diskussionen, wer wieso welchen Einspruch erhoben hat und warum der Empfänger des Einspruchs damit nicht einverstanden ist! Außerdem ist Nicholas Parsons unheimlich freigiebig mit Belohnungen für falsche, aber besonders originell begründete Einsprüche und andere Dinge, die nicht wirklich regelkonform sind: „We’ll give you a bonus point because we enjoyed the interruption!“
Just a Minute ist also nur einfach köstlich unterhaltender Nonsens. Nein, so einfach ist es dann doch nicht. Just a Minute ist mehr als Unterhaltung – von den Millionen von Menschen in aller Welt hören eine ganze Reihe die Show, um so Englisch zu lernen oder ihre Beherrschung der Sprache zu verbessern. Man entwickelt in der Tat nach und nach ein größeres Bewusstsein für seinen Wortschatz und sorgt so dafür, dass man selbst flüssiger, konkreter und abwechslungsreicher spricht – eben ohne hesitation, repetition oder deviation.
Was hat das alles nun mit der guten Sache von Mae West, dem Zuviel und der Leidenschaft zu tun? Ganz einfach. Ich habe in der letzten Woche fast jeden Abend mit Just A Minute verbracht und dank Mediathek so um die fünfzig Sendungen gehört. Inzwischen ist mein Mann eingeschritten und hat mir auferlegt, täglich nicht mehr als eine Folge zu hören.
Warum? Nun, wir saßen gestern beim Abendessen und ich habe ihn beim Tischgespräch aus purem Reflex mehrmals unterbrochen. Je nach Bedarf wegen hesitation, repetition or deviation.