Eigentlich wollte ich jetzt einmal eine ganze Weile Pause vom Liebster Award machen, der nun schon ein paarmal bei mir gelandet ist. Sich jedoch im Rahmen des Liebster Award in der Liste lesenswerter Blogs von Anna Schmidt von Bunt und Farbenfroh wiederzufinden, das ist eine Ehre, die ich nicht ausschlagen kann und will, da ich begeisterter Leser ihres Blogs bin. Ich wähle darum den Mittelweg und beantworte ihre Fragen gerne, aber quasi ohne die Verbindung zum Liebster Award. Dass sie sich alle um ein zentrales Thema drehen, nämlich das Alter(n), macht die Sache noch spannender.
Folgende Fragen hat Anna Schmidt an die Kandidaten gestellt:
Alter ist ein relativer Begriff – gibt’s Momente, in denen du dich alt fühlst?
Nicht direkt alt – die mit diesem Wort verbundene Konnotation passt nicht so recht zu meinem Befinden. Ich merke einfach nur, dass ich schon recht lange da bin und die Zeit zu immer mehr zu rasen scheint, je länger ich da bin. Ich merke es gerade jetzt, wo sich die beiden Lütten von meiner Schwester, die gar nicht mehr so lütt sind, darauf vorbereiten, ihre eigenen Wege im Leben einzuschlagen. Die beiden sind töfte und plietsch, und ich bin unheimlich stolz auf sie. Mein Neffe schreibt derzeit Bewerbungen für eine Ausbildungsstelle. Meine Nichte hat nächstes Jahr Konfirmation. So schnell schon? Habe ich die beiden nicht erst letzte Woche als Säuglinge zum ersten Mal als stolzer Onkel im Arm gehabt…?
Ist Alter ein Problem für dich?
In der ersten Frage hieß es „Alter ist ein relativer Begriff“ – das trifft den Nagel auf den Kopf. Unsere Wahrnehmung von Alter hat sich verändert. Wenn ich in Romanen von Autoren wie Dorothy L. Sayers, D. E. Stevenson oder Edith Wharton Personenbeschreibungen finde, die sinngemäß etwa „Sie hatte weiße Haare und tiefe Falten um die Augen. Mit achtundvierzig war sie schon eine alte Frau, die langsam müde wurde“ lauten, liest sich das unheimlich fremd. In den 1920ern hatte man schon von einem 48jährigen Menschen also eine Vorstellung, wie wir sie heute von… ja, von welchem Alter eigentlich haben? Um jemanden zu finden, der zumindest optisch unserem traditionellen Empfinden von alt entspricht, muss man schon bei Menschen wie Helmut Schmidt (96) oder Dame Vera Lynn (98) schauen.
Denn immer mehr 50-, 60-, 70jährige laufen heute nicht mehr so rum, wie meine Generation noch ihre Großeltern erlebt hat: weißhaarig, gebeugt, langsam, krank, trutschig gekleidet. Im Gegenteil: Sie kaufen auch mit 50+ noch manches Kleidungsstück je nach Geldbeutel in den Filialen von H & M, s.Oliver oder Tommy Hilfiger ein statt aus den Katalogen von Klingel oder Bader zu bestellen und sehen in den modernen Plünnen alles andere als albern aus, denn auch Frisur und Gesichtspflege lassen nicht auf einen Senior im alten Sinne des Wortes schließen. Wenn ich mir da meinen Lieblingsonkel selig vorstelle, wie er vor 25 Jahren als 72jähriger in Jeans, Poloshirt und Chucks ausgesehen hätte… Ich krieg das hier nicht mal vernünftig getippt, ohne hysterisch zu kichern.
Auch ein weiteres Merkmal, das uns vor Ewigkeiten als sicheres Zeichen von Alter vor Augen geführt wurde, hat längst keine Gültigkeit mehr: Chronische Krankheiten. Ein 20jähriger mit Arthrose oder Diabetes würde sich kaum als „alt“ bezeichnen, sondern höchstens als Patient dieser Krankheiten.
„Alter“ ist insofern wirklich nur eine Zahl.
Würdest du noch einmal gerne von vorne anfangen?
Als freiwillig gewählten Schritt würde ich darauf verzichten. Weil ich schon mal von vorn angefangen habe, indem ich auf eine weitere, recht sichere Beschäftigung bei einem börsennotierten Konzern verzichtet habe, um mich ganz meiner wahren Leidenschaft, der Schreiberei, zu widmen und mich überhaupt in einigen Bereichen nochmal ganz neu zu erfinden. Aber wenn ich es aufgrund unbeeinflussbarer Umstände noch mal müsste, hätte ich allerdings auch keine Angst, es nochmal durchzuziehen.
Welches Alter war das spannendste?
War kann ich gar nicht sagen, besser passt ist. Jetzt, Auf halber Strecke – zwischen Kuscheltuch und Rheumadecke, wie Ina Müller so schön gesungen hat, finde ich das Leben so spannend wie noch nie. Die erste Halbzeit mit allen Startschwierigkeiten liegt hinter einem. Man hat einiges erreicht, ist durch eigene Fehler oder Schicksalsschläge schlauer und ein bisschen „feuerfest“ geworden und man geht mit vielen Dingen unendich gelassener um, so dass man sich nun recht entspannt auf die zweite Halbzeit einlassen kann – und vielleicht sogar nochmal ganz neu anfängt, siehe oben.
Gibt es Einstellungen oder Dinge, die sich bei dir im Laufe des Lebens geändert haben?
Spontan fiele mir da nichts ein, was als besonders herausstechen würde. Eigentlich sind da nur diese ganz normalen Lebenserfahrungen, von denen ich einige im obigen Text schon angerissen habe.
Wird man im Alter ein sozialerer Mensch?
Ich glaube nicht. Sozial zu sein ist ein Charakterzug, den man schon die Wiege gelegt bekommen hat. Vielleicht hat man ihn irgendwann verlegt und entdeckt ihn mit höheren Ziffern auf dem Jahreszähler wieder, aber ich glaube, da entwickelt sich nichts neu.
Was möchtest du einmal machen, wenn du das Glück hast so richtig alt zu werden? 🙂
Immer noch neugierig auf Neues sein, immer noch Neues beginnen und nicht in „Ich hab‘ doch ohnehin nicht mehr lange“-Lethargie versinken.
Was wäre deine Großmutter/Großvater-Botschaft an die Jugend?
Herausfinden, wer, wie und was man selbst ist, und das dann leben. Sich nie von anderen in etwas drängen lassen, das man einfach nicht ist. Und erst recht nicht dem folgen was die aktuelle Mode an Lebensstil vorgibt. „Mode ist etwas, dem man folgt, wenn man nicht weiß, wer man ist.“ (Quentin Crisp)