Moin!
Am vergangenen Mittwoch gab’s wieder einen plattdeutschen Artikel hier im Wortgepüttscher, und wie immer möchte ich die hochdeutsche Übersetzung für die nicht-platten Leser nicht schuldig bleiben. Hier ist sie:
Wisst ihr alle noch, wie schön das früher gewesen ist, bei Oma zu übernachten? Da hat es alles gegeben, was man zuhause nicht gehabt hat. Abends hast du mit ihr zusammen Musik ist Trumpf mit Peter Frankenfeld im Fernsehen schauen dürfen. Niemand hat „Stell dich nicht so an!“ gemeckert, wenn du dich vor der Haut auf deinem heißen Kakao geekelt hast. Und dann zur Schlafenszeit unter das dicke Plumeau krabbeln… Hach, ein richtiger Mount Everest aus Daunen ist das gewesen – so was von kommodig! Und sogar Omas lautes Schnarchen hat dir ein Gefühl von „Hier bist du gerne“ gegeben.
Der Höhepunkt ist immer das Essen gewesen. Als Enkel bist du ja quasi ein besonderer Ehrengast. „Familiäre Royalty“, sozusagen, und darum sind auch morgens zwei gekochte Eier auf den Frühstückstisch gekommen und nicht bloß eins wie sonst. Und natürlich hat das Brötchen gegeben – ganz frisch vom Bäcker, noch ganz warm. Dazu selbstgemachte Heidelbeermarmelade. Und Oma ist das nicht müde geworden zu betonen, dass es „gute Butter“ gegeben hat. Unsere Mütter haben sich darüber immer ziemlich aufgeregt. „Gibt das auch schlechte Butter?“ haben sie immer gemeckert. Das ist überall so gewesen, auch bei meinen Freunden.
Oma hat bei der Meckerei nur gegrinst. Denn sie hat Bescheid gewusst: „Gute Butter“ hat nix mit der Frische dieses Molkereierzeugnisses zu tun. Das kommt aus der Zeit nach dem Krieg, als es nicht viel zu essen gegeben hat. Für tausendundein Ding und mehr sind „Ersatzprodukte“ auf den Tisch gekommen, und die sind natürlich nicht von so guter Qualität gewesen wie die richtigen Sachen. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, aber zu Weihnachten haben die Leute sich künstliches Marzipan aus einer geriebenen Pellkartoffel, Maismehl, Süßstoff und künstlichem Mandelaroma selber zusammengepfuscht. Und auf das tägliche Brot ist – wenn es überhaupt Fett gegeben hat! – Margarine gekommen und keine Butter. Butter ist ein Zeichen für gute Zeiten gewesen. Als es wieder Butter statt Margarine gegeben hat, haben die Leute gewusst: Der Ritt auf Teufels Schubkarre und das Hungern sind vorbei!
Bis dahin hat es aber lange gedauert. Darum haben sich die Leute in den schlechten Zeiten (nicht bloß nach dem Krieg, sondern immer, wenn das alles gerade nicht so dolle in der Welt gelaufen ist) das simple Essen oft schöngelogen – „Falscher Hase“ hört sich einfach nicht so traurig an wie „Hackbraten“. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Hackbraten damals ja mehr aus Paniermehl, Eipulver und Graupen bestanden hat als aus Fleisch.
„Auch die Illusion ist ein Teil von der Wahrheit“, hat Konrad Hansen in seinem Theaterstück Plünnenball geschrieben, und er hat recht. Manchmal muss man sich eben was einreden, damit du mit den beschissenen Zeiten besser klarkommst.
Es gibt also meist eine ganz natürliche Erklärung für komische Namen beim Essen. Aber nicht für alle. Mein Mann kommt aus dem Rheinland, und von dort hat er was mitgebracht, für das wir in achtzehn Jahren keine Erklärung gefunden haben. Als Junge ist mein Mann oft mit seinem Vater auf langen Radtouren unterwegs gewesen – so richtig mit Zelt und Campingkocher. Und jedes Mal, wenn mein Mann ihn dann gefragt hat: „Du, Papa, was gibt das heute zu essen?“, hat sein Vater geantwortet: „Ach, wir machen uns heute ein Süppchen lustig.“ Er hat nie aufgeklärt, was das heißen soll…
Ich weiß ja, dass eine Suppe heiß sein kann oder kalt. Versalzen oder fade. Aber Süppchen lustig?
Mein Mann hat mir mehrmals glaubhaft versichert, dass diese Suppe nicht aus Kichererbsen gemacht worden ist. Das war eine ganz normale Suppe aus der Dose oder Maggi-Tüte. Da ist echt nichts zum Lachen bei. Warum heißt das also Süppchen lustig?
„Wir schalten um ins Aufnahmestudio Wortgepüttscher und nehmen die sachdienlichen Hinweise der Leser gerne entgegen.“