Throwback Thursday 2015 – Bücher des Jahres

Moin!

Wie im letzten Jahr wird es auch in 2015 an den letzten vier Donnerstagen vor Weihnachten eine kleine Jahresrückschau auf Dinge geben, die mich besonders angesprochen haben. Den Anfang machen wieder die Bücher, und wieder ist nicht ausschlaggebend, ob sie in diesem Jahr erschienen, sondern dass sie mir erstmals über den Weg gelaufen sind. Drei an der Zahl sind es – denn men to:

Altes Land von Dörte Hansen

Worum geht es? Umgeben und gejagt von den Geistern der Vergangenheit, lebt Vera Eckhoff auf dem Hof im Alten Land, auf dem sie in den Kriegswirren um 1945 als Flüchtling aus Ostpreußen ankam, unerwünscht war und doch lange genug geblieben ist, um das Anwesen zu erben. Wirklich angekommen ist sie jedoch nie.

In Hamburg bricht Anne gerade aus dem Yuppie-Wahnsinn des In-Stadtteils Ottensen und vor allem aus ihrer unglücklichen Beziehung aus. Sie landet bei ihrer Tante Vera, die sie mit mehr als nur großen Zweifeln aufnimmt. Zu ihrer eigenen Überraschung finden beide den sicheren Hafen, den sie eigentlich vorher nie gesucht haben.

Welchen Eindruck hinterlässt das Buch? In einem perfekt ausbalancierten Wechsel aus Rückblenden und Szenen im Jetzt lässt Dörte Hansen die Geschichten von Vera und Anne auf einander zukommen und zeigt dabei auf, dass unser Jetzt die Summe der Erfahrungen unserer Vergangenheit ist, es aber auch an uns liegt, ob die Zahl später bei der großen Endabrechnung ein Plus- oder Minuszeichen davor hat. Dabei gibt Dörte Hansen jeder Figur eine eigene zu ihr passende Sprache – nicht nur in den Dialogen, sondern auch in den inneren Monologen und der auktorialen Erzählung.

Bei allem Ballast, den Anne, Vera und auch Veras Nachbar Heinrich zu bewältigen haben, kommt Altes Land dennoch stets mit einer heiteren Note daher. Spätestens immer dann, wenn Dörte Hansen den Journalisten Burkhard Weißwerth ins Spiel bringt – einen jener Karrieristen, wie es sie in Hamburg zuhauf gibt: Irgendwann stellen sich diese Hochflieger die Sinnfrage, flüchten aufs Land und tun so, als wären sie als Kinder nicht über den Velours in ihrem Kinderzimmer gekrabbelt sondern durch feuchtes Gras und Kohschiet – um am Ende ohnmächtig zu werden, wenn sie das erste Mal beim Schlachttag zusehen. Ich persönlich habe diese Figur nicht nur als Comic Relief empfunden, sondern auch als den illustrierenden Gegenentwurf zu Vera und Anne, denn während die beiden Frauen finden ohne gezielt zu suchen, ist Burkhard in seiner Suche zu sehr bemüht, wodurch seine Geschichte anders ausgehen muss als die von Vera und Anne.

Altes Land ist für mich die Entdeckung des Jahres 2015, denn es ist eines jener Bücher, die ich – einmal angefangen – nicht mehr aus der Hand legen konnte. Sämtliche Tagesplanungen wurden umgeschmissen, meine häuslichen Pflichten habe ich sträflich und doch ohne jegliches Gewissen vernachlässigt. Solche Bücher laufen mir nur alle drei, vier Jahre über den Weg. Absolute Empfehlung.

Lesen ist Genuss – welche kulinarische Begleitung sollte es geben? Apfelkuchen, natürlich mit Äpfeln aus dem Alten Land.

 

Welcome To „Just A Minute“ von Nicholas Parsons

Worum geht es? Die Reihe Just A Minute von BBC Radio 4 habe ich hier im Wortgepüttscher bereits an anderer Stelle vorgestellt. Das Buch Welcome To „Just A Minute“ ist ein Begleitbuch zu dieser Sendung und wurde geschrieben von Nicholas Parsons, der Just A Minute seit der ersten Ausstrahlung am 22. Dezember 1967 moderiert und bei keiner der inzwischen über 900 Episoden gefehlt hat. Parsons wirft einen detaillierten Blick hinter die Kulissen der am längsten ausgestrahlten Radiosendung der BBC. Erzählt wird von der Entwicklung der Show und wie sie sich nach zaghaften, eigentlich gar nicht so wirklich vielversprechenden Anfängen zum National Treasure im Vereinten Königreich gemausert hat. Ferner zeigt es auf, wie sich die Entwicklung der Sendung über fast fünfzig Jahre hinweg auch in einem Wandel der BBC generell widerspiegelt. Gab es zu Beginn der Reihe noch das vor der Öffentlichkeit streng geheim gehaltene „Green Book“ mit einer Art Sende-Knigge, dessen Regeln so übertrieben eng gestrickt waren, dass man sich heute fragt, wie die BBC überhaupt senden konnte, ist heute sehr viel mehr möglich. Abgerundet wird das Buch mit unzähligen Anekdoten über die unvergessenen Könige des Spiels der ersten Jahre wie Kenneth Williams, Peter Jones und vor allem Clement Freud bis hin zu den aktuellen Publikumslieblingen wie Pam Ayres, Sheila Hancock, Jenny Eclair, Paul Merton, Josie Lawrence, Gyles Brandreth, Marcus Brigstocke und Julian Clary. Ferner wird an die witzigsten, chaotischsten, miss-/gelungensten Spielrunden und Sendungen erinnert, Gastbeiträge mit persönlichen Erinnerungen langjähriger Mitspieler runden das Buch ab.

Welchen Eindruck hinterlässt das Buch? Es ist ganz sicher kein Buch für jemanden, der Just A Minute nicht kennt oder damit nichts anfangen kann. Doch echte Fans der Sendung kommen ebenso auf ihre Kosten wie Leser, die sich generell für Radiogeschichte interessieren. Natürlich ist der mittlerweile 92 Lenze zählende Nicholas Parsons bemüht, der Sendung (und zum Teil auch sich selbst, was aber wohl nach so langer Zeit natürlich und verzeihlich ist) ein möglichst unbeflecktes Denkmal zu setzen, dennoch lässt er die Schattenmomente nicht unter den Tisch fallen und spricht auch von seinen Differenzen mit Clement Freud über behutsame Modernisierungen in der Sendung oder den Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten wie der langjährigen Mitspielerin Wendy Richard, welche den Wettkampf immer ernster genommen hat als den Spaß und dadurch so verbissen rüberkam, dass sie irgendwann nicht mehr eingeladen wurde.

Wenn man Nicholas Parsons eins vorwerfen könnte/wollte, dann ist es das bisweilen übertriebene Beisteuern von verbatim wiedergegebenen Dialogen aus Spielrunden und Zwischenmoderationen. Das Buch hätte hundert Seiten weniger haben können und man hätte trotzdem nicht das Gefühl gehabt, dass etwas ausgelassen wurde.

In einem leichten, heiteren und warmherzigen Ton geschrieben, ist Welcome To „Just A Minute“ insgesamt trotzdem alles andere als ein dröges Sachbuch, sondern gute Unterhaltung.

Lesen ist Genuss – welche kulinarische Begleitung sollte es geben? Lasst euch selbst was einfallen und erzählt mir davon in Just A Minute, aber bitte ohne hesitation, repetition or deviation!

 

Dat blaue Band von Matthias Stührwoldt

Worum geht es? In dreißig Anekdoten erzählt Matthias Stührwoldt von seinem Beruf als Landwirt in der Nähe von Plön in Schleswig-Holstein, vom Leben im Allgemeinen und von dem seiner Familie im Besonderen.

Welchen Eindruck hinterlässt das Buch?  Wenn jemand das Klischee vom tumben, grobschlächtigen Bauern überhaupt nicht erfüllt, dann ist das Matthias Stührwoldt. Über mittlerweile fünf Bücher habe ich ihn als wunderbar feinsinnigen Erzähler erlebt, der mit humorvollen Geschichten, wie etwa über seine beiden Hunde namens Zwieback und Matrix, genau so zum Tränenlachen anregt wie er zu Tränen rührt, wenn er über die Kartenspielerrunde seiner Eltern erzählt, die sich nicht unterkriegen lassen will, obwohl – oder gerade weil – sie beständig durch den Lauf des Lebens dezimiert wird.

Es ist übrigens von Vorteil, Plattdeutsch zu können, wenn man dieses Buch liest. Wenn nicht – macht auch nichts. Nach ein paar Absätzen der Gewöhnung finden sich auch Nicht-Platte ganz schnell rein.

Lesen ist Genuss – welche kulinarische Begleitung sollte es geben? Ein Glas frische Milch und ein Teller mit ganz frisch selbstgebackenen Keksen.