Nicht von Pappe

Moin!

Die Stammleser hier wissen es schon – jedem plattdeutschen Artikel (so wie jenem vom vergangenen Freitag) folgt ein paar Tage später die hochdeutsche Übersetzung. Viel Spaß:

Dieser Tage sind die Innenstädte in ganz Deutschland wie ein Bienenstock beim Tanz der Kundschafter-Immen, die gerade eine ganz besonders sensationelle Blumenwiese gefunden haben. Kein Wunder – es sind nun noch weniger als schlappe drei Wochen bis Heiligabend. Davon gehen noch zwei Sonntage ab, und viele Leute haben gerade festgestellt, dass sie eigentlich vorgewarnt, aber trotzdem alles andere als vorbereitet sind. Sie müssen noch Geschenke kaufen für Mutti, die Kinder, die Kegelschwestern, den Fußballkumpel, die Putzfrau, ach ja, und auch für… wie heißt er/sie noch gleich… naja, eben für diesen Menschen, dem man mal unter dem wachsamen Auge einer amtlich bestellten Person ewige Treue und noch ein paar Dinge mehr geschworen hat.

Wie das gehetzte Kaninchen aus Alice im Wunderland sieht man sie durch die Geschäfte jagen und die, wie man nicht sieht, sitzen zuhause vorm PC und klicken sich mindestens genau so panisch durch die Onlineshops.

Und was mühen sie sich wegen der Geschenke ab. Nun ja, das Girokonto hat meist die größte Mühe – es muss nämlich die Belastung der Ausgaben für Tablet-PCs, Spielkonsolen, Schmuck, Raclettegrills, eBook-Reader, Surround-Stereoanlagen, Smartphones, High End-Kopfhörer und was weiß ich nicht noch alles aushalten. Fernseher werden übrigens auch gerne verschenkt.

Einen Fernseher habe ich auch mal zu Weihnachten bekommen. Kompakt, ultraleicht. Aus umweltfreundlichem Material ist er auch gewesen – nämlich aus recycleter Pappe.

Dieser Fernseher hat keinen Strom gebraucht. Er brauchte auch nicht ein- und wieder ausgeschaltet zu werden, und er hat ein permanentes Standbild gezeigt.

Dieser Fernseher ist ein Gemeinschaftwerk meines Neffen und meiner Nicht gewesen, als sie gerade alt genug waren, um erstmals etwas zusammen zu basteln. Aus einem alten Karton haben sie ein Fernsehgehäuse gebaut und schwarz angemalt, einen Pfeifenreiniger haben sie mit Silberfarbe zur Antenne umgebaut, und das Standbild ist ein Foto mit meiner Schwester, meinem Schwager, meiner Nichte, meinem Neffen, meinem Mann und mir bei einem Ausflug im Sommer vor Weihnachten gewesen.

Kinder, ich sag euch eins: Mit diesem stinklangweiligen, jedes Jahr bis zum Kotzen runtergedudelten Schmachtfetzen Drei Haselnüsse für Aschenbrödel habe ich noch nie etwas anfangen können. Doch über diesen Glotzkasten nicht von Pappe, aber aus Pappe und sein unveränderliches Programm mit dem Standbild-Foto freue ich mich heute immer noch so sehr wie über kein anderes Geschenk, das ich jemals bekommen habe!