Pommes on the rocks

… oder Der Realismus von Loriot.

„Das sieht sehr übersichtlich aus“, sagt der große Humorist in seinem Film Ödipussi, als dem von ihm selbst gespielten Paul Winkelmann in einem Restaurant sehr viel Teller mit sehr wenig Speise darauf vorgesetzt wird.

Dabei hat Paul Winkelmann noch Glück gehabt – sein Essen kam wirklich auf einem Teller. Etwas, das heute beileibe nicht mehr selbstverständlich ist.

Im täglichen Konkurrenzkampf müssen sich die kulinarischen Stätten dieser Welt gehörig was einfallen lassen. Es kommt nicht nur auf gut beherrschtes Handwerk am Herd an, auch die Präsentation der fertigen Speisen soll aus dem übrigen Angebot herausstechen.

Die Zeiten, in denen man die „Wildpfanne Hubertus mit Bratkartoffeln und Spiegelei“ tatsächlich in einer gusseiserneren Pfanne servierte, aus welcher sich der Hungrige dann selber das Essen auf den Teller schaufelte, sind tendenziell vorbei. Angefangen hat es wahrscheinlich mal damit, dass irgendwann das rustikale Holzbrett mit Zierschnitzereien, auf man dem die heiße Pfanne herbeibrachte, durch eine einfache Scheibe aus dem Stamm eines gefällten Baumes ersetzt wurde. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt, bis zu der Dachschindel, welche die Pfanne in den Schmelzofen verbannte.

Fortan an waren der Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt. Vollkommen essensfremde Dinge wie Radkappen, Pingpongschläger oder Miniatureinkaufswagen müssen immer häufiger dazu herhalten, um Strammen Max, Chicken Wings oder auch einen Tofuburger auf den Tisch zu bringen.

Was soll das? Eine alte Radkappe von einem Mercedes Strich Achter bleibt eine alte Radkappe von einem Mercedes Strich Achter. Sie mag noch so gereinigt und desinfiziert und neu lackiert worden sein – trotzdem assoziiere ich das Teil einfach mit Fahrten durch Schlammlöcher oder Motoröl, mit dem man vieles machen kann, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass „Essen würzen“ nicht auf dieser Liste zu finden ist. Folglich möchte ich so ein Teil nicht mal als Serviertablett sehen.

Schön, wenn ein Restaurant „Trucker“ als Dekothema hat – mein Salat muss trotzdem nicht in einer halben Auspuffwanne daherkommen. Wobei dieser Gegenstand wenigstens noch den Vorteil hat, dass da ordentlich was reinpasst.

Aber was soll bitte ein Wodkaglas mit einem Klecks Ketchup auf Eis und drei – ich wiederhole: DREI – Pommes frites darin? Was kommt als nächstes? Erbsensuppe im Kömglas? Ein achtzigstel Quadratmeter Hähnchenhaut knusprig auf einem Mundspiegel vom Zahnarzt? Wieder denkt man an die Worte von Paul Winkelmann…

Neulich hatte mir ein Freund  (der in seinem Inner Circle aufgrund seines Berufes im Dienstleistungsbereich der Touristik auch mit dem wenig schmeichelhaften, dennoch von ihm genehmigten Spitznamen „Saftschubser“ bekannt ist) von einer Dienstreise nach Kopenhagen eine CD für meine Skandinaviensammlung mitgebracht, und ich fuhr zwecks Abholung zu ihm. Beim gemeinsamen Kaffee stürzte plötzlich der Filius des Hauses mit seinem Smartphone in die Küche, um uns etwas „voll fieses“ zu zeigen: Auf einer Webseite hatte er einen Bericht über ein Restaurant in Amerika (wo sonst?!) entdeckt. In diesem Gastrotempel wurden die Pommes frites in echten Schuhen serviert! Natürlich sei der gesamte Prozess inklusive Reinigung vor der Wiederverwendung von der Gesundheitsbehörde abgenickt, wie der stolze Inhaber berichtete. Doch nicht nur mein freundlicher CD-Kurier und ich waren angewidert, auch der Junior meinte: „Boah, voll eklig – Fritten und Schweißfüße… Bääääh, kennen die eigentlich keine Teller?“

Es hat also scheinbar doch nix damit zu tun, dass ich älter werde – es ist wirklich einfach nur völlig, rundum und unheilbar bescheuert!