Und ich dachte, die wären längst ausgestorben: Die allzu bekannten weißen Briefumschläge, in deren Adressfenster nur der Empfänger zu lesen ist, aber niemals der Absender.
Vor einigen Jahren noch hatte man diese Briefe wöchentlich im Kasten, manchmal sogar zwei davon. Immer hatte man irgendetwas Tolles gewonnen und würde es bei der geselligen Veranstaltung XY in Empfang nehmen können. Selbige sollte nach Anreise mit einem modernen klimatisierten Omnibus in irgendeinem obskuren Landgasthof irgendwo am Arsch der Welt stattfinden, wodurch jeder Fluchtversuch vor der mit allem einhergehenden Verkaufsveranstaltungen für Dinge, die noch toller als der versprochene Gewinn sein sollten, absolut aussichtslos wurde, waren es zum nächstgelegenen Bahnhof doch nur schlappe drei Tagesreisen mit der Postkutsche.
Laut der zahlreichen Verbraucherschutzsendungen im TV bezogen die Urheber dieser auf bunt bedrucktem Papier abgefassten Lockgesänge die Empfängeradressen entweder aus nicht ganz legal erworbenen Datenbänken oder man wühlte in mühseliger Kleinarbeit Telefonbücher in der Hoffnung durch, dass sich hinter besonders altmodischen Vornamen leichtgläubige Senioren verbergen.
Nun ist mein Mann weder leichtgläubig noch ein Senior, aber er hat in der Tat einen altmodischen Vornamen, deswegen bekamen wir früher relativ häufig solche Briefe, in denen er an Preisausschreiben erinnert wurde, an denen er nie teilgenommen hatte. „Sicher erinnern Sie sich noch an unsere Rätselfrage….“ – Nee, ganz bestimmt nicht!
Mit Aufkommen anderer Methoden wie langer Werbesendungen im Nachtprogramm, Werbeanrufen oder merkwürdiger Internetseiten schien das Geschäft mit diesen Verkaufsfahrten jedoch weniger lukrativ zu werden, wodurch die Briefflut langsam abebbte.
Darum haben wir vor einigen Tagen den ersten solchen Brief seit Jahren mit großem Hallo aus unserem Briefkasten gefischt, und anstelle ihn wie sonst üblich gleich an den Aktenschredder zu verfüttern, haben wir ihn uns einfach mal näher angeschaut.
Nichts hatte sich verändert – die tollsten Gewinne wurden meinem Mann versprochen, verbunden mit der Bedingung… pardon, dem Versprechen, sie sich auf der geselligen Veranstaltung XY abholen zu können, die nach Anreise mit einem modernen klimatisierten Omnibus in irgendeinem obskuren Landgasthof… (siehe oben).
Etwas anderes hatte sich auch nicht geändert: Der Brief war immer noch an Herrn K. adressiert. Das ist der Geburtsname meines Mannes, den er aber bei unserer Hochzeit abgelegt hat. Und das ist fast acht Jahre her. In dieser Zeit hat mein Mann sich nicht nur sehr an seinen neuen Namen gewöhnt – es dürften auch so einige Zielgruppen-Senioren von dieser Adressliste beim altersbedingten Sterben zu Tode gekommen sein.
Junge-Junge, müssen diese Typen verzweifelt sein, dass sie so olle Datenbanken abschöpfen…