Moin! Vorgestern war mal wieder Plattdüütschtag hier im Blog – folglich gibt’s heute die Übersetung für alle Nicht-Platten. Viel Vergnügen!
„Hach, das ist so nostalgisch!“
Diesen Satz bekomme ich öfter zu hören, wenn ich mit Freunden und Bekannten aus der Generation 40+ beim Bier in lockerer Runde zusammensitze und klöne. Denn es ist ja, wie es ist – wir sind aus dem Alter raus, in dem wir über die aktuellsten Entwicklungen in unserer Lieblingsserie schnacken. Naja, vielleicht nicht so ganz – vor dreißig Jahren haben wir als Teens auf dem Schulhof über die Intrigen bei Falcon Crest geredet und was man sich Neues für das Wunderauto KITT bei Knight Rider hatte einfallen lassen, heute redet man über Game of Thrones. Ich bin bei dem Thema raus aus der Sache, denn ich kann mit diesem Kram um Sex, Mord und Totschlag nichts anfangen. Das ist mir zu dösig – und hässliche Klamotten haben sie auch an.
Aber irgendwann ist das vorbei, und dann reden wir, wie es allgemein von Leuten in unserem Alter angenommen wird: „Wie läuft’s im Büro?“ – „Die Mülltonnen sind wieder einen Tag zu spät geleert worden“ – „Die Gangschaltung von meinem Auto hakt mal wieder“ – „Kommst du am Sonntag auch zum Fußball-Rudelgucken in unsere Kneipe?“ – „Ob das nochmal was wird mit einer ABBA-Reunion?“
Man kennt das.
Der Haushalt ist auch ein wichtiges Thema. Einer hat immer ein Problen: Ein blau-roter Fleck von Bickbeeren auf der weißen Hose, angebrannter Milchreis im Topf. Und die anderen haben ebenfalls immer einen guten Rat, um das Problem wieder loszuwerden.
Als Junge vom Dorf habe ich meinen eigenen Schatz todsicherer Tips. Den wichtigsten habe ich von Heidi Kabel gelernt: „Blut geht mit kalt Wasser raus, Spinat darf man nicht aufwärmen und mit Männern kann man nicht reden.“
Natürlich habe ich auch echte Tipps. Das ist mir besonders beim Schreiben meines neuen Romans zugute gekommen, der am 1. Juli zu erst als eBook und etwas später auch als „echtes“ Buch rauskommen solle, denn da geht es um einen ganz besonderen männlichen Haushälter. Aber das nur nebenbei.
Jedenfalls helfe ich da, wo ich kann, gern mit meinen Haushaltstipps. Wenn ich dann erzähle, wie man sein Waschmittel selber machen kann, wie die Gardinen wieder weiß werden oder welches Hausmittel viel besser für saubere, klare Fenster geeignet ist als diese blöde Chemie aus dem Drogeriemarkt, fällt automatisch auch dieser Satz „Hach, das ist so nostalgisch!“
Nun wissen wir ja alle: Nostalgie heißt Heimweh. Aber Heimweh nach was? Um Heimweh haben zu können, muss man erst einmal von etwas weg sein. Oder von etwas abgekommen sann. Bin ich aber gar nicht. Ich mach das einfach alles so, wie ich da von kleinauf an mit aufgewachsen bin. Das hat nichts mit Nostalgie zu tun – das ist einfach Business as usual. Seit dreiundvierzig Jahren.
Aber vor kurzem bin ich dann doch mal nostalgisch geworden. Ihr habt das gewiss mitbekommen – das mit dem Milchpreis ist wirklich nicht mehr schön. Ein Liter für zweiundvierzig Cent, und davon kommt noch nicht mal die Häte bei den Bauern an. Das meiste sacken sich die Industrie und der Handel ein. Das kann nicht richtig sein.
Diesen Wahnsinn haben mien Mann und nicht nicht mehr mitmachen wollen, darum kaufen wir unsere Milch seit drei Wochen auf dem Markt bei einem Bauern aus der Region. Nun kostet uns der Liter Milch zwar einen Euro dreißig, aber wir wissen, dass das Geld da ankommt, wo es hin soll, und wenn wir wollen, können wir die Kuh Bertha (oder wie sie auch heißen mag) und ihre Kolleginnen sogar besuchen.
Früher haben wir bis zu ZEHN Litern Milch pro Woche für alles Mögliche gebraucht. Das können wir uns so gar nicht mehr leisten: ZWEI Liter pro Woche gibt das nun noch und wir müssen genau darüber nachdenken, was wir damit machen.
Dass die Milch nun einiges teurer ist, lehrt uns in unserer Konsumgesellschaft also auch, mal wieder etwas demütiger gegenüber unserem Essen zu sein, nicht so verschwenderisch damit herumzuaasen und wieder Respekt davor zu haben, wo das alles herkommt.
Seit wir diese Milch vom Bauern auf dem Markt im Haus haben, ist der erste Schluck wieder zu einem echten Fest geworden. Bei uns auf’m Dorf haben wir ja die so genannte Vorzugsmilch bekommen. Die ist quasi vom Euter direkt in die Flasche gelaufen. Heute dürfen die Bauern das ja nicht mehr von wegen EU-Hygieneverordnung und so (eigentlich ein Wunder, dass ich meine Kindheit mit dieser Unhygiene überlebt habe). Da muss gefiltert werden und pasteurisiert und was weiß ich nicht alles. Aber das Homogenisieren darf ausgelassen werden, und darum kann diese Milch genauso wie die Vorzugsmilch eine natürliche Rahmschicht bilden. Wenn du dann die Flasche zum ersten Mal aufdrehst, kommst du nicht sofort an die Milch ran, nein, du hast erst so einen fünf oder sechs Milimeter dicken Propfen aus feinem frischen Rahm vor dir. Und das schmeckt!
Was haben wir uns als Kinder nicht darum gekloppt, wer diesen Pfropfen kriegen soll. Aber nun habe ich meine eigene Flasche, da kann niemand mir etwas wegnehmen. Und wenn ich nun so jeden Sonnabend meine neue Flasche Milch vom Markt mitbringe und dann mit seligem Genuss meinen Pfropfen frisch Rahm von der Milch weglutsche – da bin ich dann doch wirklich mal nostalgisch bei etwas im Haushalt.