… und ein Jubiläum: Der fünfhundertste Beitrag (in Ziffern: 500!) steht ganz im Zeichen der hochdeutschen Übersetzung des zuletzt erschienenen Artikels op Platt. Viel Vergnügen!
Meine Erbtante Mildred habt ihr bereits im letzten Monat kennengelernt. Das heißt aber nun nicht, dass ich damit durch bin, euch von Tanten zu erzählen, die gar keine echten Tanten sind.
In Norddeutschland gibt es zum Beispiel Tante Meier. Und wer ist diese Tante? Das will ich euch gern erzählen: Manche Dinge sind ja ein bisschen genierlich und man mag da gar nicht so gern laut drüber reden. Also macht man das verklausuliert. Wie genau das mit Tante Meier entstanden ist, steht nicht hundertprozentig fest. Am wahrscheinlichsten ist aber die Theorie, dass so, wie sich der schöne Abschiedsgruß „Tschüß“ über „Atschüß“ und „Adjüüs“ aus dem französischen „Adieu“ ergeben hat, auch der Name „Tante Meier“ in der Franzosenzeit unter Napoleon in Hamburg aus einem französischen Begriff für die Latrine entstanden und in Umlauf gekommen sein soll.
Es geht also um die Toilette, und über den Gang dorthin sprach man oft nur hinter vorgehaltener Hand. Ganz besonders in den alten Zeiten, als es noch nicht in jeder Wohnung eine eigene Toilette gegeben hat. Da haben sich mindestens zwei Familien eine Toilette geteilt, und die Tür zu dieser Lokalität befand sich draußen auf halber Etage im Hausflur. Oder gar hinten im Garten – das gute alte Plumpsklo! Wenn man sich dann draußen im Treppenhaus über den Weg gelaufen ist, hat es des öfteren Dialoge wie diesen gegeben: „Na, Herr Grützmacher, auf dem Weg zum Gemüsehändler?“ – „Nein, Frau Ellerbeck, bloß eben zu Tante Meier, ne? Ich hab‘ das wieder so mit der Konstitution.“ (Eigentlich heißt das ja Konstipation und bedeutet Verstopfung, aber weil das auch so genierlich ist, hat man das nicht laut gesagt!)
Heute ist das so nicht mehr nötig, aber der Name Tante Meier hat sich gehalten. Wer zum Klo muss, sagt, dass er zu Tante Meier geht. Ist auch bei mir und meinem Mann so.
Neulich haben wir für unsere eigene Tante Meier mal wieder eine neue Klobrille gebraucht, und weil so ein Baumarkt nun wirklich nicht mein natürliches Habitat ist, habe ich meinen Mann das gute Stück alleine kaufen lassen.
Ich kenne den Kerl nun fast neunzehn Jahre, weiß daher, wie er tickt, und darum ist es für mich keine Überraschung gewesen, als er nicht mit einer ganz normalen Klobrille in schlichtem Weiß nach Hause gekommen ist. Ich meine, weiß ist das Ding sehr wohl, aber es ist eben nicht so ein Teil, wo du den Deckel hochklappst, dich für dein „Geschäft“ hinsetzt, aufstehst, abspülst und den Deckel wieder runterklappst. Nein, wenn mein Mann hat eine Klobrille kauft, kann man sich gewiss sein, dass unsere Tante Meier ein echtes Wunderwerk der Technik auf ihren Sitz bekommt. Und richtig – er hat uns eine neue Klobrille mit Absenkautomatik mitgebracht.
Und da fängt für mich der Etikettenschwindel an: „Automatik“ bedeutet für mich, dass ich nichts, aber auch rein gar nichts tun muss, damit der Deckel wieder runter geht. Das ist irgendwie mit dem Abspülen oder sogar mit eine Elektromotor und Bewegungsmelder gekoppelt – du stehst auf, und dann läuft nicht nur das Wasser, sondern auch der Deckel klappt runter. Wie von Geisterhand.
Das macht das Ding aber nicht. Du muss wie bei jeder anderen Klobrille auch den Deckel anpacken und ein Stück nach vorne ziehen, bevor diese Absenkautomatik aktiv wird un der Deckel wirklich von allein nach unten geht. Gaaanz, gaaanz, langsam.
„Das ist doch was für dich“, hat mein Mann bei der Erstvorführung grinsend zu mir gesagt: „Du magst das doch, wenn’s so nordisch-gemächlich zugeht.“
Da bin ich aber ’n bisschen knatschig gewesen! Zu „Nordisch-gemächlich“ sagen wir „sinnig un suutje“, aber wenn ein Stück Plastik von nicht mal dreihundert Gramm mehr Zeit braucht, um von ganz oben nach ganz unten zu kommen, als ein mehr als dreißig Tonnen schweres Bugtor einer Dänemark-Fähre, dann ist das nicht „sinnig un suutje“, sondern lahmarschig hoch zehn! Sowas macht mich ganz rappelig.
Aber das ist nicht das einzige. Dadurch, dass es so lange dauert, bis das Klo dicht ist, ist ja auch ziemlich lange der „Brunnen“ zugänglich, und das schafft Probleme. Als ich mir vor einer Woche einen gelösten Schnürsenkel zubinden wollte, bin ich mit meinem Fuß nicht auf dem Deckel gelandet, sondern in der Schüssel. Und als mir gestern die Haarbürste runtergefallen ist, landete sie natürlich auch im Klo, weil das Ding nicht rechtzeitig zu gewesen ist.
Ich habe mich ehrlich bemüht, mit diesem neuen Ding klarzukommen, aber das ist einfach nichts mit uns beiden. Und wenn ich das von meinem eigenen Taschengeld bezahlen muss – bald bekommen wir wieder eine ganz normale Klobrille. Dann läuft es wieder nach dem alten Muster: Deckel hoch, hinsetzen, aufstehen, abspülen, Deckel runtermachen vergessen, „Schatz, Tante Meier ist noch offen“ zu hören kriegen, fluchend den Deckel mit einem Knall runtermachen, fertig! Das geht immer noch schneller als mit dieser blöden Absenkautomatik!