Im Grunde besticht der Inhalt unseres Gefrierschranks nicht durch besondere Inhalte. Viel Gemüse, etwas Fleisch, ein Beutel Pommes, aber vor allem vorgekochte Mahlzeiten für hektische Tage, an denen die Zeit nicht reicht, sich stundenlang für etwas Frisches hinzustellen oder weil wir beide zur Mittagszeit außer Haus sind und nicht gemeinsam essen können.
Gerade diese selbstgemachten Fertiggerichte dürften für einen eventuell interessierten Besucher aber ein Grund sein, zweimal hinzuschauen. Mit ein bisschen Menschenkenntnis dürfte ihm die Klassifizierung sehr leichtfallen, was mein Mann eingefroren hat und was von mir im Gefrierschrank verstaut wurde.
Nehmen wir zum Beispiel die vier Dosen mit Königsberger Klopsen. Auf zwei davon steht ganz nüchtern: 1 Port. Königsberger Klopse mit dem Einfrierdatum. Die beiden anderen haben jeweils eine individuelle Bezeichnung: Kingsburg Dumplings und Boulettes à la Montagne du Roi.
Der geneigte Stammleser wird es längst erraten haben: Die Kreativbezeichnungen für schnöde Mahlzeiten stammen samt und sonders von mir.
Angefangen hat das ganze mal als Parodie auf diese ellenlangen, total künstlich klingenden Bezeichnungen von Fernsehköchen, bei denen aus Salzkartoffeln mit Kräutersauce etwas wie In Fleur de Sel-Wasser gegarte Erdäpfel an einem Spiegel aus Mousse du Herbes Provencale oder so ähnlich wird. Das ist wohl wie mit der Rauke, die nach Jahren der Schmähung plötzlich wieder wie geschnitten Brot verkauft wird, nur weil man sie italienisiert hat und nun als Rucola auf den Markt wirft: Lass dir einen überkandidelten Namen einfallen, und du kannst selbst ein Arme-Leute-Essen als überteuerte Speise der Könige verkaufen.
Weil solche Bandwurmnamen aber viel zu lang für diese kleinen Gefrierdosenaufkleber sind, habe ich mir kürzere, prägnantere Namen einfallen lassen. Der gute alte Hackbraten aus Fleischresten, altbackenem Brötchen und so weiter wird ja auch gerne als Falscher Hase auf den Tisch gebracht. Meine vegetarische Variante wird demnach als Falsche Gans eingefroren – so von wegen GANS falscher Hase.
Das führt bisweilen zu Problemen. Als ich im letzten Jahr mal wieder für ein paar Tage in Hamburg war, wollte sich mein Mann seinen Urlaub zuhause damit vereinfachen, dass er sich hauptsächlich aus dem Gefrierschrank ernährte. Er fiel dann auch prompt auf die Sache mit der Gans rein und war ziemlich füünsch, als er statt des erwarteten Flattermanns nur auf Gemüse stieß. Bereits Aufgetautes noch einmal einzufrieren, ist allgemein nicht ratsam, also kaute er bei diesem Mittagessen lustlos auf meinem zubereiteten Grünzeug rum, von dem er durchaus bekannte, dass es ihm mundete. Aber er wurde einfach nicht satt davon. Prompt trug er wenig später zum wirtschaftlichen Überleben der nächsten Imbissbude bei.
Rache ist süß, Schadenfreude noch süßer: Ein paar Wochen später wollte ich mir etwas auftauen, von dem ich überzeugt war, dass es sich um etwas Vegetarisches handelte. Doch ich hatte mir mal den Spaß gemacht, mir über Google für zwei völlig verschiedene Gerichte eine wortwörtliche lateinische Übersetzung der einzufrierenden Speise zusammenzuklöppeln. Nur hatte ich über das seitdem verstrichene Vierteljahr schlichtweg die deutschen Originalbezeichnungen vergessen und daneben gegriffen.
Es kam, wie es kommen musste: Während mein Mann also feixte, weil ich ihm Arbeit abgenommen hatte und er sich für sein Hühnchen mit Mango und Currysauce (bevor Rückfragen kommen: NEIN, ich weiß beim besten Willen nicht mehr, wie ich Curry ins Lateinische übersetzt habe) nur noch frischen Reis zu kochen brauchte, hing mir der Magen bis in die Kniekehlen, weil mit meiner Kocherei nochmal bei 0 anfangen konnte. Merke: Bediene dich niemals einer toten Sprache!
Auch jetzt zu Ostern kommt gutes aus der kalten Speisekammer auf den Tisch. Vorhin stand mein Mann am offenen Gefrierschrank. Er wirkte ein wenig ratlos und ich fürchtete schon, dass sein Bart irgendwann genau so vereist aussehen würde wie die Schnauze meines seligen Hundes Sammy, wenn dieser mal wieder zu lange im Schnee getobt hatte.
„Was ist?“ erkundigte ich mich.
Er seufzte und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was ich heute essen soll. Die Kaninchenroulade oder das Wickelkarnickel?“
Hinweis: Die Titelgraphik dieses Beitrags stammt aus dem Pool frei verwendbarer Bilder von Pixabay und befindet sich unter dem Vermerk CC0 der Creative Commons in der Public Domain.