Sonntag: Der Tag der Ruhe und der Entspannung. Zumindest in jeder normalen Familie. Aber was ist schon normal?
Keine Antworten auf rhetorische Fragen, bitte.
Ich behaupte ja gerne, das homosexuelle Paare im Allgemeinen und mein Mann und ich im Besonderen sich in nichts von der so genannten „normalen“ (oder wie ich gerne sage: handelsüblichen) Familie unterscheiden. Bisweilen gibt es dann aber doch Situationen, die mich arg daran zweifeln lassen.
Am gestrigen Sonntag war es mal wieder soweit. Mein Mann hatte Pizza gemacht. Höre ich da „Wahrscheinlich nur ’ne tiefgfrorene“??? Frechheit! Mein Mann macht so etwas komplett selbst, angefangen vom Hefeteig für den Boden bis zum Finger verbrennen beim Rausnehmen aus dem Backofen. Was man halt so für die italienischen Momente im Leben macht.
Es hat auch wie immer sehr gut geschmeckt. Wenn der Familienstammbaum meines Göttergatten nicht schwarz auf weiß ausschließlich Verwandte aus dem Rheinland und der Gegend um Königsberg ausweisen würde, wäre ich glatt bereit zu behaupten, dass meines Mannes Clan auch Filialen in Palermo, Bangkok, Kyōto und Casablanca unterhalten hat, denn was immer er an landestypischer Küche aus den entsprechenden fernen Destinationen zusammenrührt, schmeckt mindestens ebenso gut und oft genug sogar besser als in den entsprechenden Spezialitätenrestaurants der näheren und weiteren Umgebung.
Eine Hausregel bei uns sagt: Wer kocht, braucht hinterher nicht aufzuräumen. Demnach wäre gestern die Beseitigung des entsetzlichen Chaos der Hinterlassenschaften vom Kochen/Backen meine Aufgabe gewesen. Nun war ich aber mit einer anderen, hochkomplizierten Aufgabe hinreichend ausgelastet (dazu demnächst mehr), so dass mein Mann anbot, selber aufzuräumen. Aber sehr gerne doch!
Ich doktorte also mit den Versandbedingungen für einen umzutauschenden, sämtliche normalen Versandmaße sprengenden Gegenstand herum und dachte nichts Böses, bis auf einmal ein entsetzliches Kreischen die Wochenendruhe durchbrach. Ich schob das zunächst auf eines der Mitglieder unserer recht bunten Nachtbarschaft, denn es kommt durchaus mal vor, dass einer von ihnen die Sonntagsruhe vergisst – selbst mir passiert das alle paar Monate mal und werfe auf dem Sonntag unseren Brutus an.
Beim zweiten „Iiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeejaaaaaaurrrr“ jedoch war mir klar: Das kommt aus unserer Wohnung!
Kontrollgang in die Küche. Und was sehe ich?
Da steht mein Mann doch tatsächlich an der Arbeitsplatte und bearbeitet einige beim Pizzabacken entstandene Verkrustungen auf dem Backblech. Jeder andere (Stichwort: normal) würde dafür Wasser, Spülmittel und eine Bürste oder einen Schwamm benutzen. Aber das wäre ja langweilig, deswegen versuchte mein Mann sich mit…
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…dem Dremel. Ihr wisst schon – dieses Ding, das wie eine Mischung aus Akkuschrauber, Zahnarztbohrer, Bohrmaschine, Bandschleifer und elektrischem Pediküreset daherkommt.
Da schwand es dann wieder mal, das Bild von der ganz normalen Familie…
Seitdem frage ich mich, ob wir zur Befriedigung unserer italienischen Gelüste zumindest sonntags nicht doch auf Pizza aus der Schmiede um die Ecke umsteigen. Oder Pasta essen. Aber den Pott dafür bearbeitet mein Mann womöglich am Ende mit dem Sandstrahler!
Hinweis: Die Titelgraphik dieses Beitrags stammt aus dem Pool frei verwendbarer Bilder von Pixabay und befindet sich unter dem Vermerk CC0 der Creative Commons in der Public Domain.