Als Gay in der Pubertät ist man ja doch ein bisschen anders als die anderen Jungs im Hormonwechsel. Das hat sich damals in den Achtzigerjahren nicht bloß darin gezeigt, dass das beste Pausengesprächsthema für meine Klassenkameraden die Oberweite von Kim Basinger gewesen ist während ich lieber mal den Brustpelz von Pierce Brosnan gekrault hätte. Nein, da ist noch mehr gewesen: Die anderen Jungs sind für Die Rückkehr der Jedi-Ritter ins Kino gegangen, ich habe den Tanzfilm A Chorus Line geschaut. Fünf Mal, übrigens.
Im Fernsehen sind sie bei diesem labernden Auto aus Knight Rider ganz aus dem Häuschen gewesen, ich habe immer auf dem Traumschiff angemustert. Ein paar Jahre später hat es auch das amerikanische Love Boat gegeben, aber das ist ja nichts Halbes und nichts Ganzes gewesen. Da konnte man nämlich sehen, dass das alles in einem Studio irgendwo in Hollywood gedreht worden ist. Das Traumschiff ist aber durch und durch echt gewesen! Deswegen habe ich das auch geschaut: Wegen dem Schiff, und zwar ausschließlich. Das alberne Liebesgeschmalze ist mir sowas von egal gewesen, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.
Zuerst sind sie mit der wunderschönen norwegischen Vistafjord in der Weltgeschichte herumkarjohlt, und das ist bis heute eines meiner Lieblingsschiffe überhaupt, auch wenn sie vor fast einem Jahr in Alang abgewrackt worden ist.
Als die Vistafjord 1972 gebaut wurd,e ist die große Zeit der Linienschifffahrt eigentlich schon vorbei gewesen. Kreuzfahrten waren das Geschäft der Zukunft gewesen, aber weil das noch relativ neu war, hat es auch noch kein besonderes Design für neue Dampfer gegeben. Also sind auch 1972 noch Schiffe gebaut worden, die wie einer der Ocean Liner im Liniendienst zwischen Cherbourg und New York ausgesehen haben, so zwanzig, dreißig Jahre vorher die stolze Normandie: Lang, elegant, mit einer schicken Promenade rund um das Oberdeck und so weiter. Und dann sind sie entweder ganz weiß gewesen oder nur an den Aufbauten und der Rumpf ist einfarbig gewesen, meistens schwarz oder in so einem dezenten Grau wie bei der Vistafjord oder in Royalblau wie die France (die später als Norway besser bekannt gewesen ist).
Mit der Vistafjord hätte ich gerne mal eine Kreuzfahrt gemacht, eben weil sie so klassisch ausgesehen hat. Mit den Dampfern von heute kann man mich nicht locken. Das würde ich nicht mal geschenkt nehmen. Zu groß, zu klobig. Ich sage immer, dass Queen Mary 2 eigentlich der falsche Name für das Lieblingsschiff der hamburger ist. Die ist so übertrieben groß und vor allem um das Heck herum so breit, dass ihr das Elegant-Royale einer Adeling total abgeht. Das ist keine „Königin der Meere“. Sie sieht mehr wie eine Hofdame aus, deren schwarzes Taftkleid von zuvielen Dinners mit zuvielen fetten Speisen am Hof der Queen verdammt eng um den Hintern geworden ist. Eigentlich müsste der Dampfer Wuchtbrumme oder Wonneproppen heißen.
Ich bin sogar bei meiner Fotografiererei als Ship Spotter weg von den Kreuzfahrtschiffen hin zu den Frachtern, so hässlich finde ich die neuen Kreuzfahrer inzwischen. Klar, Frachter sind im Großen und Ganzen auch eher hässlich, aber das ist das der Funktion geschuldet und ergibt Sinn.
Wobei – den Vogel in punkto hässlich hat neulich ein amerikanisches Schiff abgeschossen. Das ist bei der Indienststellung vor fünfzehn Jahren schneeweiß gewesen und mal als irgendeine Princess getauft worden. Glamour Princess oder so, was weiß ich. „Princess“ heißt „Prinzessin“ – auch wieder sowas Königliches. Nun ist dieser Dampfer verchartert worden – und vom Majestätischen ist nicht mehr übrig geblieben. In so einem ganz verrückten Gelb ist er angemalt worden. Ich kann dabei gar nicht mehr an ein Schiff denken. Den neuen Namen weiß ich nicht, vielleicht gibt es noch gar keinen. Aber ich könnte einen Vorschlag machen: Es gibt in Amerika nämlich noch etwas, das in diesem hepatitischen Gelb angepinselt ist. Warum nennen die das Schiff nicht einfach MS School Bus?