Es heißt immer, das ständige Starren auf Smartphones, Tablets und dergleichen lässt unsere Fähigkeiten zur realen Kommunikation verkümmern. So’n Tünkram. Einer der Hauptübeltäter hat schon viel eher Einzug in unsere Leben gehalten.
Es ist der elektrische Wäschetrockner.
Eine steile These, ich weiß, doch ich kann sie begründen!
Ich mache bekanntlich keinen Hehl daraus, ein Stadtmensch zu sein und dass mir Dortmund eigentlich viel zu klein und verdrömelt ist. Nur steht mein Wunsch, in einer echten und wirklichen Riesengroßstadt zu leben, im reziproken Verhältnis zu meinem Budget für Lebenshaltungskosten. Ich bin also mit dem zufrieden, was ich kriegen kann, und im Gegensatz zu dem Dorf aus dem ich stamme, ist Dortmund schon, als würde man von St. Olaf (Golden Girls-Fans wissen, was ich meine), nach New York kommen.
Nichtsdestotrotz leugne ich meine Herkunft als Landpomeranze nicht, und manches von dem, was das Landleben ausmacht, vermisse ich tatsächlich. Nicht nur, weil es per se nicht in der Stadt vertreten ist, sondern, weil es auch “bi uns op’n Dörp” allmählich verdrängt wird.
Womit wir wieder beim Wäschetrockner sind.
Als ich vor zwanzig Jahren zu meinem heutigen Gemahl nach Dortmund gezogen bin und von da an nur noch zu Stippvisiten in unsere Pampa kam, konnte ich schon vom Fenster im Zug aus bzw. im Bus vom Bahnhof zum Dorf sehen, was es bei uns Neues gab.
Tarnklamotten bedeuteten, dass der Jüngste von Müllers (Name wie auch alle folgenden rein fiktiv, jede Ähnlichkeit mit realen Personen wäre rein zufällig) seinen Wehrdienst angetreten hatte.
Blaue Strampelanzüge machten mich darauf aufmerksam, dass ich Familie Meier im Allgemeinen zum 5. Kind gratulieren musste und Vater Meier im Besonderen, weil er endlich seinen männlichen Stammhalter bekommen hatte.
Dass die Textilien des kompletten Haushaltes zu sehen waren, konnte nur eins bedeuten: Das Schwiegermonster der bedauernswerten Frau Schmidt hatte seine Drohung wahr gemacht und würde in Kürze zum alljährlichen zweiwöchigen Besuch anrücken.
Zurück in Dortmund reichte zumindest im Sommer ein Blick sämtliche einsehbaren Gärten unseres Karrees, um ähnlich informiert zu sein:
Blaumänner bei Schultzes bedeuteten, dass Herr Schultze von seinem Herzinfarkt genesen war und wieder arbeiten ging.
Der gute Anzug nebst Krawatte und das kleine Schwarze von Fischers sagten mir, dass Töchterchen Fischer heiratete – wieder mal.
Der plietsche Leser ahnt es: In Wäscheleinen konnte man lesen wie in der Tageszeitung. Wir wussen früher allesamt genau, ob die neu hinzugezogenen Nachbarn Angestellte oder Arbeiter waren, für welchen Fußballverein der Sohn, ob die Tochter dem Reitsport frönte oder ob sie Ballettstunden bekam, hatten wir es doch unsererseits auf die selbe Art kundgetan.
Man war informiert, ohne seine Mitmenschen neugierig ausfragen zu müssen, und man konnte sich auf pikante Themen vorbereiten und angemessen mitfühlend reagieren, wenn Frau Schneider einem beim nächsten Zusammentreffen an der Supermarktkasse wieder einmal ihr Herz ausschüttete, weil ihr Mann schon wieder für drei Wochen zum Angeln nach Norwegen reisen würde, wo sie selbst sich doch schon so lange einen Badeurlaub in Rimini wünschte. Schließlich hatte man vor ein paar Tagen selbst mitbekommen, dass Herrn Schneiders Schlafsack und sonstige Stoffstücke für den Campingurlaub zum auf der Leine gebaumelt hatten.
Das Aufhängen der Plünnen zum Trocknen im Garten oder auf dem Wäscheboden war mal ein wichtiges Mittel des sozialen Umgangs miteinander. Denn es hatte den selben Stellenwert im Leben, welchen in noch weiter zurückliegenden Zeiten das Treffen am Dorfbrunnen dargestellt hatte: Es ein guter Zündfunken für Gespräche von Mensch zu Mensch. Man tratschte (Bekanntlich unser liebster Volkssport – wer diesen im Fußball verortet, lebt in einem gar merkwürdigen Paralleluniversum.), gab sich Buchempfehlungen, drückte seine Besorgnis über das Weltgeschehen aus, lästerte über den letzten Tatort oder verabredete sich zum gemeinsamen Grillen, jahreszeitenabhängig auch zum Fondueabend. Und weil man gerade so schön beisammen war, verschob man so manches Mal spontan das Staubsaugen auf den Nachmittag und genoss eine schöne Tasse Kaffee im wichtigsten Raum der eigenen Heimstatt. Man wollte schließlich erfahren, ob der Sohn der alten Frau Jäger wirklich „auch so tragisch veranlagt“ war wie der Schauspieler aus Hollywood, der neulich in höchst verfänglicher Situation mit seinem Chauffeur erwischt worden war.
Und heute?
Wir huschen zu unserer Waschmaschine, schaufeln die nassen Plünnen in den Trockner um und verschwinden wieder. Eine Sache von weniger als fünf Minuten. Keine Chance, um da einem Nachbarn zu o. g. Livekommunikation zu treffen. Erst recht nicht, wenn man die entsprechenden Geräte nicht in der Gemeinschaftswaschküche, sondern im Mikrokosmos der eigenen Wohnung stehen hat. Jeder macht sein Ding für sich und hat kaum noch Kontakt mit anderen.
Da Smartphone & Co. die alleinige Schuld am zunehmenden Mangel an direkter Kommunikation von Mensch zu Mensch zu geben, ist viel zu kurz gedacht.