Man kann mir mit einigem Recht unterstellen, dass ich verdammt altmodisch bin. Die beste Musik gab es für mich in den 50ern und 60er, ich höre lieber Radio als fernzusehen, finde per se mit Löchern verkaufte Jeans albern, halte anderen Menschen die Tür auf und so weiter. Ich ruhe da auch durchaus mit einer gewissen Zufriedenheit in mir. Trotzdem gibt es Tage, an denen ich es selber begrüßen würde, etwas mehr up to date zu sein.
Dass Rauke inzwischen nur noch unter dem Namen Rucola Absatz findet – geschenkt. International klingt halt schicker als eingedeutscht. Aber damit hört’s dann bei mir auch meist schon auf. Ich kann Bulgur nicht von Quinoa unterscheiden, und die ganzen Sachen, die mit Ch- beginnen, bringen mich erst recht durcheinander.
Okay, Chili ist noch harmlos. Hat ja schon im Chili con carne-Boom der Achtziger bei uns Einzug gehalten, ist also hinlänglich bekannt. Aber was ist mit Chai und Chia? Ich weiß nur dass eins davon total überteuert ist, sich aber trotzdem besser verkauft als sein ebenso wirkendes heimisches Pendant. Logisch, Leinsamen klingt halt mehr nach Omas Urlaub in einem trutschigen, staatlich approbierten Kurort irgendwo in der hintersten Ecke vom Schwarzwald als nach modernem Hipster-Lifestyle. Bloß welches der beiden ist gemeint?
Was für ein irrer Affentanz das mit dem ganzen Superfood ist, zeigt sich dann im Biomarkt. Denn selbst für die Fachverkäufer scheint das Auseinanderhalten dieser Ware nicht immer ganz so leicht zu sein. Am letzten Sonnabend stand ich vor dem Regal mit den Fertigsuppen. Die Süßkartoffel erfreut sich ja auch wachsender Beliebtheit, und bevor ich mich daran wage, ein größeres Gericht mit den Dingern selber zu kochen, wollte ich erst einmal eine kleine Portion probieren. Eine Sorte sprach mich besonders an, denn auf dem einfarbigen Etikett prangte nur der Name. Einfache (und vielleicht auch etwas naive) Überlegung: Wer so selbstbewusst auftritt, dass er auf ein sorgfältig inszeniertes und ebenso sorgfältig nachbearbeitetes Foto vom fertigen Produkt mit einem ansprechenden Serviervorschlag verzichtet, kann es sich nicht leisten, Schund auf den Markt zu werfen. Wenn mir das Zeug nicht schmeckt, kann es also nur daran liegen, dass Süßkartoffel generell nix für mich ist.
Aber was heißt denn Süßkartoffelsuppe CCC denn nun eigentlich genau? Das Kleingedruckte am unteren Becherrand gibt Auskunft: Die drei C stehen für die Zutaten, die dem Gericht den C wie Clou (hö-hö-hö) geben sollen. Und welche sind das?
Erstens: Chili.
Okay, kenne ich.
Zweitens: Chia.
OK, das ist also die Leinsamenkonkurrenz.
Drittens: Ch…
Hä? Was’n das nu‘ schon wieder?
Hilfesuchendes Vorsprechen bei der Fachkraft, die gerade den Demeterjoghurt in die Kühltheke räumt.
„Das ist auch so ein Gewürz aus Südamerika.“
„Wonach schmeckt das? Ist das wohl sehr scharf?“
„Tut mir leid, ich selber habe das noch nicht gegessen.“
Tja, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Also habe ich das Zeug gekauft. Zuhause fragte ich meinen Mann, ob er wüsste, was das ominöse dritte C zu bedeuten habe. Fehlanzeige.
Also mutig den Becherinhalt in einen Kochtopf gegeben.
Danach und einem an dieser Stelle bereits viel zu spät erfolgenden Besuch bei Wikipedia wusste ich dann endlich, dass Chorizo eine portugiesische Salami ist. Ja, hätte man das nicht gleich schreiben können?
Aus bekannten Gründen war zumindest diese Süßkartoffelsuppe damit für mich erledigt. Zum Glück hatte ich vom Wochenmarkt auch ein Ch- mitgebracht, nämlich Chinakohl. Scheiß was drauf, ob man mich da für altmodisch hält. Bei diesem Gemüse weiß ich wenigstens von vornherein, was ich zu erwarten habe!
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