Jubiläum mit Hindernissen (hochdeutsch)

Zwanzig Jahre… Das ist dieser Tage so oder so eine Seltenheit geworden, dass zwei Menschenkinder so lange zusammen bleiben, aber bei zwei Mannsleuten ist das beinahe schon ein Fall für das Museum.

Tja, mein Mann und ich sind zwar nicht ins Museum gegangen, als wir neulich unser zwanzigstes Jubiläum gefeiert haben, aber wir sind an jenem sonnigen Sonntagmittag fein essen gegangen. In ein nicht ganz billiges Restaurant hier in Dortmund, das vor allen Dingen wegen seiner romantischen Lage im Grünen und seiner großen Terrasse mit toller Ausicht bekannt ist. Wir sind da vor ein paar Jahren schon einmal gewesen und es hat uns wirklich gut gefallen. Besonders mein Mann ist ganz wild danach gewesen, weil dieser Laden der einzige uns bekannte ist, wo es haus- und handgemachte Kroketten gibt und nicht so einen blöden „Convenience Food“-Scheiß aus der Tüte.

„O tempora, o mores“, wie der Lateiner sagt. Gleich am Eingang ist uns nämlich aufgefallen, dass in den letzten zwei oder drei Jahren seit unserem letzten Besuch dort einiges anders geworden ist. Das gut ausgebildete Gastronomiepersonal mit seinen schicken Kellner- und Kellnerinnenuniformen und seiner Fachkenntnis ist gegen Saisonkräfte ausgetauscht worden – Studis, die sonst lernen, wie man später als Arzt defekte Herzklappen wieder in Gang bekommt, aber nichts davon wissen, wie man Besucher in so einem feinen Laden richtig bedient. Auf unser „Guten Tag“ haben wir nicht mal eine Antwort bekommen!

Uns ist schnell klar geworden, woran das wohl liegen könnte – das Restaurant hat nämlich einen neuen Besitzer bekommen. Der alte Chef ist immer im schicken Anzug im Laden gewesen. Der neue Boss ist in Shorts, einem viel zu engen T-Shirt und Turnschuhen rumgelaufen und hat und ebenso wie alle anderen Gäste gar nicht erst richtig begrüßt, sondern bloß gefragt: „Wollt ihr auch was essen, oder soll ich euch nur was zu trinken bringen?“

Der hat uns einfach so geduzt! In so einem feinen Laden! Das ist, als wenn die englische Königin beim Frühstück von ihrem Butler sowas zu hören kriegt wie „Na, Lizzy, alte Socke – heute mal Whisky in deinen Porridge statt Milch?!“

Und das ist nicht alles gewesen: Sein großes Kellnerportemonnaie hat der Chef dieses früher so gediegenen Restaurants sich hinten in den Hosenbund gesteckt, so dass man jedes Mal, wenn er danach gegriffen hat, sein verschwitztes haariges Maurerdekolleté sehen konnte. ‚Ne Unterhose hat er scheinbar auch nicht getragen. Oder das ist so’n knappes Ding wie bei einem Stripteasetänzer gewesen, der… Vergessen wir das besser. Manche Dinge willst du dir einfach nicht vorstellen!

Ach ja – guten Appetit hat er uns auch nicht gewünscht. Wir haben ja draußen auf der Terrasse gesessen, da konnte mein Mann noch eine rauchen, während wir auf das Essen gewartet haben. Als der Chef dann mit unseren Tellern gekommen ist, hat er meinen Mann angepflaumt: „Kippe aus, Essen kommt.“

Das Essen ist obendrein eine Sache für sich gewesen. Der neue Besitzer von dem Laden hat nämlich auch eine neue Küche eingeführt. Nix mehr mit alles hausgemacht – ausgerechnet die Kroketten, wegen derer wir ja gerade dieses Restaurant ausgesucht haben, sind dann natürlich doch aus der Tüte  gewesen. Das Schnitzel für meinen Mann ist auch bloß Formfleisch gewesen, die Sauce Hollandaise kam aus dem Karton, die angeblichen Butterkartoffeln sind höchstens an der Butter vorbeigetragen worden, und meine Folienkartoffel ist so mehlig gewesen, dass es beim Kauen gestaubt hat.

Alles in allem nicht so das Wahre, mag man nun denken. Aber ich will euch was verraten: Es kommt auf die Perspektive an! Du kannst dich über so etwas ärgern, oder du  machst dir ’nen Spaß daraus. Und glaubt mir: Option Nummer zwei ist immer die beste!

So gelacht wie bei diesem Jubiläumsessen haben mein Mann und ich jedenfalls schon lange nicht mehr, und die schöne Kaffeestunde danach bei einer unserer besten Freundinnen hat das alles wieder wettgemacht.

Und jetzt freue ich mich auf die nächsten 20 Jahre mit meinem Mann!