Was ihr auf dem Bild in dieser Geschichte seht, ist mal der Goldfischteich meiner Großeltern gewesen. Zweimal im Jahr ging es wie bei Wilhelm Tell zu: „Der See, er lädt zum Bade“ – oder so ähnlich. Schiller ist damals im Deutschunterricht ein bisschen kurz gekommen. Der Pauker hat uns lieber Effi Briest lesen und Die Brücke am Tay auswendig aufsagen lassen, und die sind nun mal von Fontane.
Jedenfalls bin ich der bedauernswerte Kerl gewesen, der zum Bad in diesem Goldfischtümpel geladen worden ist.
Das Ding war zwar mit Pumpe, Springbrunnen und Kiesbecken ausgestattet und was es sonst noch alles gibt, um das Wasser klar und perlig wie das Lachen einer Elfe zu halten, bloß ist das meinem Großvater nicht genug gewesen.
Er ist (nicht bloß zum Leidwesen seiner eigenen Bagage) der Typ „Ihr kleiner Tyrann von nebenan“ gewesen und hat auf zweimal Grundreinigung pro Jahr bestanden: Einmal im Frühjahr und einmal im Herbst. So nach dem Motto „Nur ein sauberrrrerrrr Fischteich ist ein guter prrrreußischerrrr Fischteich“. (An dieser Stelle den Radetzky-Marsch denken.)
Also habe ich mir zweimal pro Jahr Badehose und Badesandalen angezogen und bin in diesen Teich gestiegen. Mit einem ausrangierten Küchensieb von Oma, so einem „Durchschlag“ oder einer „Seihe“, habe ich einen Fisch nach dem anderen rausgefangen und in zwei großen Plastikwannen voll Wasser zwischengelagert (hat sich in den 80ern/90ern niemand was bei gedacht).
Dann habe ich mit einem „Engländer“ (die Heimwerker wissen, was ich meine), den Abflussstöpsel losgefriemelt und das Wasser abgelassen. Dann habe ich mit einem Hochdruckreiniger das Betonbecken des Teiches saubergespritzt. Den Stellen, an denen nicht alles weggegangen ist, bin ich hinterher noch mit Wurzelbürste und grüner Seife zuleibe gerückt. Danach habe ich das Ziergedöns und die Pumpe wieder klargemacht. Dann endlich: Abfluss zuschrauben, frisches Wasser in den Teich, und ganz zuletzt wieder rein mit den Fischen, einer nach dem anderen.
Tja, und wenn der Teich nicht an der Reihe war, dann habe ich den Rasen gemäht, die Zäune gestrichen, die Hecken getrimmt, die Dachrinne saubergemacht und was sonst so angefallen ist.
Ich habe das scheinbar immer gut gemacht, sonst hätte meine Oma nicht beim nächsten Mal gefragt, ob ich das wieder machen will. Bloß mein Großvter, der hat immer dabeigestanden und den Klugscheißer gegeben. „Mach das so-und-so.“ – „Tritt nicht auf die Eisbegonien. “ – „Das muss andersrum.“
Manchmal habe ich dann wieder in den Zitaten vom ollen Schiller gegraben, dass sage ich euch. Ihr wisst schon: „Der See rast und will sein Opfer haben!“ Auf der anderen Seite habe ich aber auch jedes Mal „“Mensch, bliff cool un hol dat Muul! [Mensch, bleib cool und halt das Maul!]“ gebrummelt und so getan, als könne ich ihn über das Gedröhn des Hochdruckreinigers nicht hören.
Es hat nämlich zwei Dinge gegeben, die die ganze Plackerei wert gewesen sind.
Erstens: Omma hat immer mein Lieblingsessen an diesen Tagen gekocht. Stielmus. Leber mit Himmel und Erde. Nudeln mit Tomatensauce. Rouladen mit Klößen. Bratkartoffeln mit Spiegelei. Und so weiter.
Ganz unter uns – heute bin ich froh, dass ich nicht mehr bei Omma essen muss. Ich meine, das ist immer wirklich lecker gewesen. Omma war die beste Köchin der Welt! Es hat bloß ein Problem gegeben… Kennt ihr alle diesen Tratsch, dass Marlene Dietrich einen neuen Lover immer mit ihrer Cuisine auf die Probe gestellt hat? Sie hat ihm zwei Spiegeleier gebraten. In einem Pfund Butter. EINEM GANZEN PFUND BUTTER! Wenn er das ohne Magenprobleme vertragen hat, dann ist er in ihren Augen ein guter Kerl gewesen.
Tja, so ungefähr hat Omma auch gekocht, und damals ist mein Magen noch so robust gewesen, wie sich das für einen Sechzehnjährigen gehört. Heute wäre das Resultat mehr so eine… Wie soll ich sagen… So eine gewisse „rektale Ausgelassenheit… (Dieses geniale Bonmot habe ich mal bei Jochen Malmsheimer gehört.)
Aber zurück zu meiner Geschichte: Die Plackerei im Garten hat mich so manchen freien Sonnabend mit Freunden gekostet. Ich habe mir so aber auch ein doppeltes Taschengeld erarbeitet. Und nicht bloß das: Immer, wenn ich am Ende gegangen bit, hat Omma mir noch fünf Mark extra zugesteckt. Ich weiß nicht, ob das bloß so gewesen ist oder als Risikozulage oder Zusatzgratifikation, weil meinen Opa wegen seiner Klugscheißerei nicht in seinem eigenen Teich ersäuft habe. Ist mir aber auch pottegal.
Das Allerbeste war nämlich das Schauspiel in diesem Moment. Kinners, wenn deine eigene Großmutter dir heimlich Geld zusteckt… Da kann ein echter Mafioso wirklich was von lernen!