Kommong ßa wa?

Es gibt so Dinge, die hat man einfach nicht auf dem Schirm, bis sie einen regelrecht verfolgen. Da wird man in einem Zeitungsartikel mit dem Wort „Aurikel“ konfrontiert, das man rund neun Jahre nicht gehört hat. Es zaubert einem ein Lächeln auf das Gesicht, denn es sind die Lieblingsblumen der vor eben diesen neun Jahren verstorbenen Großmutter gewesen. Plötzlich ist man von Aurikeln umgeben: Beim Einkauf im Gartenmarkt wird man an der Kasse mit den Worten „Ich wollte ja noch Aurikel mitnehmen!“ vorgelassen. Im Krimi heißt es plötzlich „›Ich verwahre mich gegen diese Unterstellung, Inspector! Ich habe ein hieb- und stichfestes Alibi‹, sagte Lady Curthbrackle und schnitt vor lauter Wut die Blüten der Aurikel ab“. Und was bringt der Gemahl vom Blumenhändler auf dem Wochenmarkt mit?

Sowas erlebe ich in letzter Zeit öfter. Keine Ahnung, ob das eine Nebenform des bekannten Déjà vu-Erlebnisses ist. Ist mir auch egal. Wenn es vermehrt auftritt, fällt es halt auf.

Diesmal fing es mit einem Tweet auf Twitter an. Es gibt da inzwischen so einige Accounts, bei denen ich ganz gerne mitlese, weil sie nachdenklich, inspirierend oder einfach nur saukomisch sind.

(Bevor jetzt jemand Twitter durchwühlt: Nein, ich bin da nicht zu finden. Als ob ich olle Sabbeltüte jemals mit 140 Zeichen auskommen könnte!)

Doch selbst bei den Favoriten findet man gelegentlich Einzeltweets, die einen gequält die Augen rollen lassen. Weil sie ein Karussell in Gang setzen, von dem man nicht so schnell runterkommt. Da hatte neulich z. B. der User Das wilde Plautzi™ (Externer Link) die Refrainzeile eines 80er-Jahre-Schlagers gepostet: Comment ça va? Comme çi, comme çi, comme çi, comme ça. Worauf mir – man ahnt es – an jeder Ecke 80er-Jahre-Schlager begegneten: Kleine Taschenlampe – Ohne dich – Hello again – Santa Maria… Alles, was die ZDF-Hitparade jemals an Liedern aufgefahren hatte – eins schlimmer als das andere!

Sie tauchten als schlechte Wortspiele in Satiren auf. Aus voll aufgedrehten Radios vorbeifahrender Cabriolets. Als Buchtitel. Zum Glück alles en passant und so flüchtig, dass es keine Chance hatte, sich festzusetzen. Dachte ich.

Denn neulich bin ich nachts um kurz vor drei davon wachgeworden, dass sich der Refrain von Die Fischer von San Juan auf dem inneren Plattenspieler meines Gehirns festgesetzt hatte. Dabei hatte ich diese wirklich schreckliche Schnulze seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr gehört!

Die Wirkung war umso durchschlagender: Nach einen Besuch von Tante Meier und einem tiefen Zug aus der Mineralwasserflasche bin ich zurück in die Buntkarierten und kuschelte mich in die Kissen. Ab in die nächste Tiefschlafphase…

Mein Kopf hatte andere Pläne. Da machten sich nämlich immer noch die beiden Fischer wieder und wieder auf den Weg zu irgendeiner Insel und kamen nie an.

In den Schlaf gekommen bin ich in dieser Nacht nicht mehr. Also, ehrlich, ich weiß nicht, was schlimmer ist – das oder ein zünftiger Alptraum mit Mord, Folter, Blut und Monstern.

Nebenbei – Je ne parle pas français ist doch eigentlich auch nur das Comment ça va? der 2010er Jahre, oder?