Kleine Beobachtungen und zufällige Situationen der letzten vier Wochen:
Sonntag, 1. September
Bin heute unangenehm aufgefallen, weil ich einem Vierjährigen die schöne alte Volksweise „Ri-ra-runkel, inner Hühnerfutt is‘ dunkel“ beibringen wollte.
Sollte ich in den letzten 46 Jahren jemals daran gezweifelt haben, wirklich meines Vaters Sohn zu sein, so können diese Zweifel ab sofort als vollkommen ausgeräumt betrachtet werden.
Dienstag, 3. September
Habe in der Mediathek von BBC Radio 4 eine Filmquiz-Sendung entdeckt. War ganz witzig, vor allem wegen der beiden Parodisten Ronni Ancona und Alistair McGowan, die zahlreiche Filmgrößen perfekt imitiert haben. Und es gab ein Erfolgserlebnis: Obwohl ich zuletzt zu einer Zeit im Kino war, als wir für die Tickets noch in D-Mark bezahlt haben, kam ich beim Mitraten auf einen besseren Punkte-Score als die beiden Rateteams zusammen hatten.
Donnerstag, 5. September
Manche Dinge sind wie Mozzarella auf der Pizza: Muss manchmal ganz schön was aushalten, aber wirklich reißen tut da nix.
Es fing vorhin mit einem spontanen Klingeln an der Tür und der Frage an: „Du kennst dich so gut im Internet aus. Meine Mutter hat früher immer ein Lied gesungen. Das ging ›Kauf dir einen bunten Luftba…‹“
Die 81jährige Nachbarin hatte noch nicht ausgesprochen, da hatte ich schon die Hand in meiner Schallplattenkiste. Es blieb nicht bei nur der einen Platte mit dem bunten Luftballon. Rolling Stones, Lolita, Beatles, The Doors, die Piaf – alles war bei diesem wilden Ritt durch Erinnerungen an Ereignisse, die wir gemeinsam, aber auch zu ganz verschiedenen Zeiten erlebt haben, dabei. Wir haben gelacht, furchtbar schief mitge“sungen“, auch mal ein Tränchen kullern lassen.
21 Jahre kennen wir uns in diesem Jahr. Wir haben lustige Zeiten gehabt, harmonische, dysfunktionale, traurige, alberne, euphorische, niedergeschmetterte. Wir haben gelacht, gestritten, gemeinsam an einem Strang gezogen, geredet, geschwiegen – und dann wieder gelacht.
Kurz: Wir haben alles erlebt, was eine gute Freundschaft ausmacht. Womit wir wieder bei der Pizza und dem Mozzarella wären.
Sonnabend, 7. September
Angetüddelte Jugendliche ziehen durch die Straßen unseres Quartiers und singen Lieder nach, die sie mal bei ihren Eltern gehört haben. Naja, sie versuchen es zumindest:
♪ Ave Maria, Insel die aus Träumen geboren… ♫
Und da mache ich mir Sorgen, dass ich Die Brücke am Tay nicht mehr vollständig zusammenbekomme.
Montag, 9. September
Für morgen Kartoffelcremesuppe nach dem Rezept von Muttern selig und Lieblingstante selig zu kochen, war an sich eine gute Idee. Blöd war nur der Einfall, eine Arbeitsprobe zu nehmen. Jetzt muss ich mich ganz furchtbar zusammenreißen, damit ich nicht morgen als Ersatz was vom Take away besorgen muss…
Dienstag, 10. September
Spontanbesuch des Nachbarn kurz vor High Noon. Natürlich lade ich ihn zum Essen ein. Genau wie die beiden anderen Überraschungsbesucher, die sich innerhalb der nächsten Viertelstunde auch noch an meinem Esstisch einfinden.
Ich stelle fest: Das alte Sprichwort „Fünf sind geladen / Zehn sind gekommen / Gieß Wasser in die Suppe / Heiß alle willkommen.“ klingt ja doch irgendwie schöner als „Davon werden ja gar nicht alle satt“ – „Hold my beer…“
Mittwoch, 11. September
Entsetzliches Grauen kündigt sich an – der Film, der gruseliger als Es ist und Rosemary’s Baby wie einen romantischen Liebesfilm dastehen lässt. Ich kann diese entsetzliche Schmonzette einfach nicht ausstehen…
Freitag, 13. September
Du weißt, es läuft irgendwas in deinem Hirn gerade ganz verkehrt, wenn du Pellkartoffeln kochen willst – und diese vorher wie Eier am dickeren Ende mit dem Eierpieker einstichst…
Dienstag, 17. September
Nostalgieabend mit Schallplatten, u. a. landet die Hörspiel-EP „Lok 1414 geht auf Urlaub“ von 1958 auf dem Plattenteller. Darin heißt es: „Mitten auf der Strecke stehengeblieben? Na, das ist ja großartig! ‚Ne feine Eisenbahn ist das!“ Witzig, wie schon vor 61 Jahren die heutige Realität auf den Schienen vorweggenommen wurde.
Freitag, 20. September
Bei einer Blog-Challenge bin ich über die Frage gestolpert, welches Buch ich früher mal geliebt habe, aber heute eher nur schwer verdaulich finde. Nach kurzem Überlegen ist meine Wahl auf Dracula gefallen.
Der erste Teil mit Jonathan Harker in Draculas Burg geht ja noch. Aber sobald Abraham van Helsing auftaucht, fällt es mir inzwischen immer schwerer, weiterzulesen. Ich bin überzeugt davon, dass Dracula viel eher hätte gestellt werden können und die Bluthochzeit mit Mina gar nicht erst passiert wäre, hätte dieser nervtötende holländische Prof. nicht ständig so endlos und salbungsvoll geschwafelt!
Sonnabend, 21. September
22 Jahre hat es gedauert, um auf 719 Schallplatten zu kommen. Wenn ich in diesem Leben die 1.000 noch vollkriegen möchte, muss ich mich ranhalten. Heute ist immerhin # 720 hinzugekommen. L’chaim!
Sonntag, 22. September
Mein Mann ist im Moment mal wieder zur Medikamentenneueinstellung im Krankenhaus. Nichts besonderes. Aber gerade jetzt in dieser Woche genießt er es regelrecht, momentan nicht unter meiner Fuchtel zu stehen. Das Wetter ist ja deutlich kälter geworden, und damit hat die „Kalte Füße abends beim Kuscheln“-Saison wieder begonnen. Ich kriege ihn einfach nicht davon überzeugt, dass es in unserem Eheschwur „… in guten wie in schlechten Zeiten, mit kalten wie mit warmen Füßen“ hieß!
Dienstag, 24. September
Dieser peinliche Moment, wenn du der Nachbarin erzählst, dass du bei der Hausarbeit gelegentlich klassische Musik hörst, und realisierst, dass du die ganze Zeit Händels Wasser- und Feuerwerksmusik zur Wasserwerksmusik zusammengeschmissen hast…