Eine runde Sache

Heute sind die runden Geburtstage von gleich zwei Menschen zu feiern, und wenn ich ausgerechnet mit der deutlich älteren Person beginne, hat das nicht nur etwas mit Ladies first und dem Respekt vor dem erreichten Alter zu tun, sondern dem Lauf der Geschichte. Weiterlesen

Jetzt aber mal im Ernst

Moin!

Heute gibt’s nicht nur die hochdeutsche Übersetzung des letzten plattdeutschen Artikels, sondern auch meine kleine Versöhnung mit der sonst von mir so gescholtenen „fünften Jahreszeit“: Weiterlesen

Nu ober mol in’n Ernst

Siet vöörgistern is alln’s vöörbi. Is jo Aschdag wesen. Ober dat Thema Karneval lasst mi nich so weerklich lots. Annerendogs heff ik mi jo so’n böten wat över den Karneval ründ üm Rhein un Main lustig mookt. Ober dat gifft ook wat, dat mi bannig beeindruckt hett. Weiterlesen

Nur „’n büschen pustig“?

Untergang der Titanic – Wunder von Lengede – Mord an John F. Kennedy – Mondlandung – Flugzeugentführung nach Mogadishu – Mauerfall…

Jede Generation hat ihre prägenden Erlebnisse – ganz gleich, ob positiv oder negativ besetzt – bei denen jeder Zeitzeuge auch Jahrzehnte später noch genau weiß, wo er zur fraglichen Zeit war und was er getan hat. Die Bilder haben sich so eingeprägt, dass der Film vor dem inneren Auge ohne Abnutzungserscheinungen wieder und wieder abgespielt werden kann.

Vorgestern ist es genau zehn Jahre her gewesen, dass der Orkan Kyrill über Europa hinweggefegt ist. Neben dem 11. September 2001 gehört dieser Tag zu meinen Erlebnissen, die ich wohl niemals vergessen werde. Weiterlesen

Stimme aus Kindertagen

„Guten Abend. Seien Sie mir willkommen – ich bin froh, dass Sie dieses Haus betreten haben.“

Auch nach gut dreißig Jahren läuft mir es mir bei diesem Satz immer noch eiskalt den Rücken hinunter. Die Frau Weiterlesen

Walzer für eine Hamburger Deern

HeidiKabel100Jedesmal, wenn ich Ron Goodwins Venus Walzer höre, denke ich nicht an die Ballsaison in englischen Seebädern wie Blackpool oder Torquay, sondern ich sehe eine naseweise Frau mit Hamburger Zungenschlag, die neben einem pensionierten Beamten beim Erklingen dieses Liedes für einen Moment ihre Biestigkeit vergisst und sich selig im Walzertakt wiegt. Das alles im schmucklosen Treppenhaus einer Mietskaserne irgendwo in Hamburg. In Barmbek, auf der Veddel, in Altona, in Wandsbek, selbst auf der Margarineseite (also der nördlichen Seite der Elbchaussee) von Blankenese … es hätte in jeden Stadtteil gepasst.

Ganz sicher geht es vielen anderen genau so, wenn sie zusätzlich drei Begriffe hören: Ohnsorg TheaterTratsch im Treppenhaus – Heidi Kabel.

Aber Heidi Kabel war mehr als eine Volksschauspielerin, die diese, im „seriösen“ Feuilleton eher abfällig gemeinte Titulierung stets als größtes Kompliment empfunden hat. Und recht hatte sie. Ein paar hochnäsige Feuilletonisten zu begeistern ist immer leicht, aber quer durch alle Bevölkerungsschichten einer ganzen Nation Zuneigung und Anerkennung zu finden, dazu bedarf es mehr.

Heute wäre sie hundert Jahre jung geworden, und mir fallen zwei Dinge ein, die mir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind.

Von allen Rollen, in denen ich sie erlebt habe, war die der Mudder Mews die ergreifendste. Beim Fernsehpublikum ist sie nahezu unbekannt, denn der NDR hat sich bei den Übertragungen stets nur auf die temporeichen Komödien beschränkt. Mudder Mews hingegen ist ein Drama, in welchem eine verbitterte Matriarchin ihre Schwiegertochter am Ende in den Suizid treibt. Heidi Kabel hat diese Rolle großartig gespielt und gezeigt, dass sie mehr konnte als laut und lustig. Es war auch ihre persönliche Lieblingsrolle.

Auf der anderen Seite war da ihr soziales Engagement. Sie hat es nicht dabei belassen, auf Wohltätigkeitsveranstaltungen mit wohl gewählten Worten an die Anwesenden um Spenden zu werben und selbst mit einem Scheck zu wedeln. Gewedelt hat sie ohnehin nie damit. Etwas wie diese appeldwatsche Ice Bucket Challenge wäre ihr vermutlich zuwider gewesen. Man macht um Wohltätigkeit kein großes Trara – man macht es einfach und gibt nicht noch damit an.

Wie dem auch sei, ihr Engagement ging weiter. Sie hat den Mund aufgerissen, ihre Meinung gesagt, Unbequemes wieder und wieder aufs Tapet gebracht und sich für Projekte eingesetzt, von denen andere aus Sorge um ihren Ruf die Finger gelassen haben, z. B. die Hamburger Babyklappe und das Hospiz Leuchtfeuer. In kalten Winternächten ging sie zu den Hamburger Berbern unter Brücken oder in Hauseingängen, half nicht nur mit Spenden, sondern auch mit menschlicher Wärme. Sie unterhielt sich mit ihnen und hörte ihnen ganz genau zu. Dabei verzichtete sie auf den Presserummel, ohne den die aktuellen Society-Schnepfen scheinbar nicht auskommen. Erfahren hat man von diesen Besuchen erst im Nachhinein, wenn sie sich zum unüberhörbaren Sprachrohr der sonst Überhörten machte. Obwohl sie ausgerechnet in diesem Stück des Ohnsorg Theaters nicht mitspielte, passte dessen Titel doch genau zu ihr: Minsch sien mutt de Minsch (Mensch sein muss der Mensch).

Das Lied In Hamburg sagt man ‚Tschüß‚ gehörte zu ihr, wie sie zu Hamburg gehörte. Obwohl es von Abschied erzählt, ist es ein heiteres Lied, denn schwingt immer mit, dass man zurückkehrt. Ein Lächeln huscht übers Gesicht. Selbst als sie 2010 starb und das Lied auf einmal trauriger denn je daherkam, vor allem bei der Trauerfeier im Michel, ging es nicht ganz weg.

Es ist übrigens auch ein Walzer.

Robin Williams und der Mann von nebenan

KreuzRobin Williams ist tot. Heute morgen, gleich beim Frühstück, als ich die Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatt las, schreckte mich diese Nachricht auf. Dieser Verlust wird eine große Lücke in der Welt des puren Entertainments, aber auch der höheren Kultur hinterlassen, weil er einfach beides konnte.

Doch ich will jetzt gar nicht vom folgenden RIP-Storm anfangen, dem man sich ebenso anschließen konnte wie man ihn belächeln oder gar verdammen konnte. Ich will auch nicht davon anfangen, wie sehr Robin Williams, besonders mit Der Club der toten Dichter, mein eigenes Leben berührt und zu einem gewissen Grad auch meine Entwicklung als damals knapp 17jähriger beeinflusst hat.

Das stimmt alles, doch ich muss vor allem spontan an liebe Menschen in meinem Umfeld denken. Menschen, die wie Robin Williams von der Krankheit Depression betroffen sind.


Wichtig:

Falls du unter Depressionen leidest und dich Suizidgedanken verfolgen, gibt es bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den Hotlines 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 rund um die Uhr Hilfe. Diese Anrufe sind kostenlos und anonym. Gespräche, die zu diesen Rufnummern aufgebaut werden, tauchen auch nicht im Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung auf.


Denn die Medien nennen (derzeit noch als unbestätigte Theorie) Suizid aufgrund dieser Krankheit als Todesursache. Wenn das stimmt (was, wie gesagt, immer noch nicht offiziell bestätigt wurde und daher zum Erstellugngszeitpunkt dieses Artikels reine Vermutung ist), was bedeutet der Tod von Robin Williams dann für seine Fans, die mit ihm im selben Boot gesessen haben? Oder auch das weitere Schicksal von anderen betroffenen Promis, deren Krankheit öffentlich bekannt ist, wie etwa Carrie Fisher oder Owen Wilson.

Psychische Krankheiten werden oft unter den Teppich gekehrt, gerade Depressionen. „Reiß dich zusammen“ und „Stell dich nicht so an“ gehören noch zu den netteren Belehrungen der Unwissenden und Ignoranten. Ächtung und Stigmatisierung von außen, Rückzug und Scham bei den Betroffenen sind Zutaten, die den Kranken neben ihren ohnehin schon schweren Symptomen oft zusätzlich aufgebürdet werden.

Über psychische Krankheiten spricht man nicht. Darum bekommt man auch oft nicht mit wie sich ein Mitmensch aus diesem Loch wieder nach oben arbeitet. Aha-Erlebnisse wie „Ach, du auch? Mir geht’s genau so!“, die einen positiven Einfluss auf Verbesserung der Situation bei Betroffenen haben könnten, bleiben oft aus.

Für diese Betroffenen sind prominente Beispiele durchaus wichtig. Denn erstens zeigen sie, dass ernste Krankheiten nicht nur den Otto Normalverbraucher betreffen, sondern vor niemandem Halt machen.

Zum anderen sind sie natürlich auch ein Vorbild. Sie zeigen: „Der/die hat genau die gleiche miese Krankheit wie ich und hat wegen seiner Prominenz noch viel mehr Druck von außen. Aber der kriegt seinen Alltag mit Auftritten, Interviews und so weiter gewuppt!“ Mit Hilfe von Medikamenten und sonstigen Therapien, ganz klar. Aber nichtsdestotrotz ist da das Zeichen: Man kann es schaffen. Vielleicht wird man nicht geheilt, aber man kann die Krankheit wenigstens im Zaum halten.

Für die einen ist ein Promi einfach ein Vorbild nur wegen seiner Schönheit, der man nacheifern kann. Das ist vollkommen in Ordnung. Aber es ist genauso in Ordnung, dass der Promi für andere eine Art Telekolleg darstellt, die aufzeigen kann, dass es möglich ist, trotz einer schweren Krankheit, das einigermaßen gut zu leben, was im individuellen Mikrokosmos für Normalität steht.

Wie fatal, desillusionierend, in den (ohnehin schon wackligen) Grundfesten erschütternd muss da der Tod des Promis ausgerechnet aufgrund dieser Krankheit sein?

Denn nochmal: Wer im eigenen Umfeld mit der selben Diagnose „Depressionen“ wie man selbst rumläuft und den Kampf gewinnt – oder verliert – bekommt man oft nicht mit. Denn man spricht ja nicht drüber. Krankheit ist bäh. Und Depression erst recht.

Dadurch wird der Tod eines Promis zum Spiegelbild mit Vergrößerungseffekt für jemanden, der selbst von der Krankheit X betroffen ist. Und auch für dessen Angehörige, die von dieser Krankheit genauso in Geiselhaft genommen werden wie der Betroffene selber und die darum am Ende nicht nur um einen geliebten Menschen trauern, sondern auch mit dem quälenden Wissen leben müssen, dass ihre Fürsorge und Liebe nicht gereicht haben, um zu das Los des Kranken genügend zu erleichtern.

Das schafft nicht nur Trauer um einen geschätzten Promi, sondern auch eine verdammte Scheiß-Angst, wie es mit einem selber weitergeht.

Alles Gute, Robin Williams und Familie – und auch allen anderen, die von dieser Krankheit besiegt wurden oder immer noch mit ihr ringen.


Wichtiger Hinweis:

Falls du unter Depressionen leidest und dich Suizidgedanken verfolgen, gibt es bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den Hotlines 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 rund um die Uhr Hilfe. Diese Anrufe sind kostenlos und anonym. Gespräche, die zu diesen Rufnummern aufgebaut werden, tauchen auch nicht im Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung auf.