Mehr Dinge zwischen Himmel und Erde…

Okay, die Überschrift ist eigentlich ein Zitat aus Hamlet (für die ganz Genauen: 1. Akt, 5. Szene). Trotzdem sind wir bei Shakespeare an der passenden Adresse. Diesmal geht es um das Stück Weiterlesen

Zum Teufel mit der Logik

Rick im Cutaway. Ilsa im weißen Brautkleid. Er lässig wie eh und je mit Zigarette im Mundwinkel, aber trotzdem irgendwie berührt. Sie mit diesem besonderen Glitzern in den Augen, das schon mal das in gut zehn Monaten zu belegende Kinderzimmer einrichtet. Daneben Victor László als Trauzeuge. Weiterlesen

Auf Teufels Schubkarre

Vor gut zwei Wochen hat das Ohnsorg Theater in Hamburg den Spielplan für neue Saison 2016/2017 vorgestellt. Es wird die letzte Weiterlesen

Throwback Thursday: Heidi Kabel

Diesen Artikel habe ich vor einem Jahr schon einmal gepostet, aber ich denke zum 101. Geburtstag kann man ihn einfach nochmal bringen.

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Hazel

oder: Bitte nicht noch ein Musical!

Die 1960er-Sitcom Hazel mit Shirley Booth in der Hauptrolle werden die wenigsten hier in Deutschland kennen. Ich selber kenne sie auch nur, weil ich das pure Glück hatte, Verwandte in den Niederlanden zu haben, wo alte US-Sitcoms in meiner Kindheit und Jugend Hochkonjunktur hatten.

20141209-1Kürzlich habe ich gehört, dass die Sitcom Hazel um eine patente Haushälterin mit Herz und Schnauze an den Broadway kommen soll. Als was? Als Musical, natürlich. Schade, und ich hatte mich schon so darauf gefreut, dass ein deutsches Theater das Stück in Übersetzung oder zumindest das English Theatre in Hamburg es in hiesige Breitengrade holen würde.

Zur Erinnerung habe ich mir noch mal ein paar Folgen Hazel bei YouTube angeschaut, und ich sehe durchaus das Potential für ein erfolgreiches Bühenstück. Aber doch bitte, bitte, bitte, ganz lieb bitte ohne die Tatsache, dass die Schauspieler alle paar Minuten ohne ersichtlichen Grund in Gesang ausbrechen!

Warum muss eigentlich inzwischen fast jeder Stoff in ein Musical verwandelt werden? Können die nicht mehr solides, witziges Sprechtheater wie in Joseph Kesselrings Arsen und Spitzenhäubchen (Arsenic and Old Lace), Jack Popplewells Keine Leiche ohne Lily/Frau Pieper lebt gefährlich (Busybody) oder Lawrence Romans Endlich allein (Alone Together) auf die Bühne bringen?

Vielleicht sehen die kreativen Köpfe an den (Manuskript-)Schreibtischen, am Regiepult oder auf der Bühne das anders, aber für mich als begeisterten Theatergänger ist es echt ein grober Mangel an Kreativität und Originalität, wenn man sich nur noch darauf beschränkt, altes Zeug zu nehmen und Musik hinzuzufügen. Der Gipfel der kreativen Unzurechnungsfähigkeit war für mich mit Rocky erreicht. Schon in den Werbetrailern diesen Muskelberg, diesen Testosteronbunker, diesen Schrank von Mann mit Händen wie Rhabarberblätter in einer Mischung aus 50er-Jahre-Crooner und I Want To Know What Love Is-Foreigner-80er-Jahre-Schmalzbandleadsänger singen zu hören und obendrein diese Boxring trifft Ballett-Tanzszenen zu sehen hat mich so zum Lachen gebracht, dass ich beinahe eingenässt hätte. Die Amerikaner müssen wohl selber erkannt haben, wie lächerlich das daherkommt, sonst hätten sie das Stück nicht schon nach nur 188 Vorstellungen wieder abgesetzt.

Ich hab‘ beileibe nichts gegen Musicals, wenn sie gut gemacht sind, aber diese Schwemme kreativitätsfreier Zweitverwertungen bereits bekannter Stoffe (wie etwa auch Aladdin) finde ich nervtötend. Ich würde mich sehr freuen, wenn ein amüsantes Stück einfach mal wieder als pures Sprechtheater auf die Bühne käme.

Walzer für eine Hamburger Deern

HeidiKabel100Jedesmal, wenn ich Ron Goodwins Venus Walzer höre, denke ich nicht an die Ballsaison in englischen Seebädern wie Blackpool oder Torquay, sondern ich sehe eine naseweise Frau mit Hamburger Zungenschlag, die neben einem pensionierten Beamten beim Erklingen dieses Liedes für einen Moment ihre Biestigkeit vergisst und sich selig im Walzertakt wiegt. Das alles im schmucklosen Treppenhaus einer Mietskaserne irgendwo in Hamburg. In Barmbek, auf der Veddel, in Altona, in Wandsbek, selbst auf der Margarineseite (also der nördlichen Seite der Elbchaussee) von Blankenese … es hätte in jeden Stadtteil gepasst.

Ganz sicher geht es vielen anderen genau so, wenn sie zusätzlich drei Begriffe hören: Ohnsorg TheaterTratsch im Treppenhaus – Heidi Kabel.

Aber Heidi Kabel war mehr als eine Volksschauspielerin, die diese, im „seriösen“ Feuilleton eher abfällig gemeinte Titulierung stets als größtes Kompliment empfunden hat. Und recht hatte sie. Ein paar hochnäsige Feuilletonisten zu begeistern ist immer leicht, aber quer durch alle Bevölkerungsschichten einer ganzen Nation Zuneigung und Anerkennung zu finden, dazu bedarf es mehr.

Heute wäre sie hundert Jahre jung geworden, und mir fallen zwei Dinge ein, die mir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind.

Von allen Rollen, in denen ich sie erlebt habe, war die der Mudder Mews die ergreifendste. Beim Fernsehpublikum ist sie nahezu unbekannt, denn der NDR hat sich bei den Übertragungen stets nur auf die temporeichen Komödien beschränkt. Mudder Mews hingegen ist ein Drama, in welchem eine verbitterte Matriarchin ihre Schwiegertochter am Ende in den Suizid treibt. Heidi Kabel hat diese Rolle großartig gespielt und gezeigt, dass sie mehr konnte als laut und lustig. Es war auch ihre persönliche Lieblingsrolle.

Auf der anderen Seite war da ihr soziales Engagement. Sie hat es nicht dabei belassen, auf Wohltätigkeitsveranstaltungen mit wohl gewählten Worten an die Anwesenden um Spenden zu werben und selbst mit einem Scheck zu wedeln. Gewedelt hat sie ohnehin nie damit. Etwas wie diese appeldwatsche Ice Bucket Challenge wäre ihr vermutlich zuwider gewesen. Man macht um Wohltätigkeit kein großes Trara – man macht es einfach und gibt nicht noch damit an.

Wie dem auch sei, ihr Engagement ging weiter. Sie hat den Mund aufgerissen, ihre Meinung gesagt, Unbequemes wieder und wieder aufs Tapet gebracht und sich für Projekte eingesetzt, von denen andere aus Sorge um ihren Ruf die Finger gelassen haben, z. B. die Hamburger Babyklappe und das Hospiz Leuchtfeuer. In kalten Winternächten ging sie zu den Hamburger Berbern unter Brücken oder in Hauseingängen, half nicht nur mit Spenden, sondern auch mit menschlicher Wärme. Sie unterhielt sich mit ihnen und hörte ihnen ganz genau zu. Dabei verzichtete sie auf den Presserummel, ohne den die aktuellen Society-Schnepfen scheinbar nicht auskommen. Erfahren hat man von diesen Besuchen erst im Nachhinein, wenn sie sich zum unüberhörbaren Sprachrohr der sonst Überhörten machte. Obwohl sie ausgerechnet in diesem Stück des Ohnsorg Theaters nicht mitspielte, passte dessen Titel doch genau zu ihr: Minsch sien mutt de Minsch (Mensch sein muss der Mensch).

Das Lied In Hamburg sagt man ‚Tschüß‚ gehörte zu ihr, wie sie zu Hamburg gehörte. Obwohl es von Abschied erzählt, ist es ein heiteres Lied, denn schwingt immer mit, dass man zurückkehrt. Ein Lächeln huscht übers Gesicht. Selbst als sie 2010 starb und das Lied auf einmal trauriger denn je daherkam, vor allem bei der Trauerfeier im Michel, ging es nicht ganz weg.

Es ist übrigens auch ein Walzer.