Beuteljahre eines Hausmannes

Wenn ein Produkt mit dem Verkaufsargument der „neuen Rezeptur“ oder der „verbesserten Formel“ feilgeboten wird, bedeutet das oft nichts Gutes. Ganze TV- und Zeitschriftenredaktionen beschäftigen sich mit nichts anderem als der Nachforschung, wo wir von vorn bis hinten so richtig bes…tupst werden. Versteckte Preiserhöhungen, schlechtere Zutaten, Zuckerreduktion im Austausch zur Fettanteilerhöhung. Man kennt das.

Manchmal steckt hinter einer angekündigten Verbesserung aber tatsächlich eine solche. Ich kann mir nur nicht recht vorstellen, ob die wirklich jedesmal so neu ist, wie man uns weismachen will. Weiterlesen

Wahre Liebe für die liebe Ware

Oder auch für die liebste Leidenschaft, aber damit funktioniert das Wortspiel nicht so gut.

Moin erstmal. Ich weiß, ich bin spät dran. Ist immerhin schon nach 22 Uhr. Dafür gibt es mildernde Umstände. Heute habe ich nämlich die Al-Fresco-Saison 2018 eröffnet. Sieben Sonnenstunden und geschmeidige neun Grad auf dem Balkon luden zum ersten Outdoor-Kaffee ein, und das schon am 14. Januar! Nun weiß selbst ich, der irgendwo einen Polarfuchs im Stammbaum sitzen haben muss, sonst wäre ich nicht so wenig kälteempfindlich, dass man bei solchen Temperaturen nicht nur rumsitzen kann. Also habe ich die Blumentöpfe abgeputzt, Spinnweben entfernt und zig andere kleinerere Aufräumarbeiten erledigt, bevor mir dann wirklich den besagten und sogar wohlverdienten Kaffee gegönnt habe. Mein Mann zog es übrigens vor, sich in der wohlgewärmten Küche aufzuhalten. Diese Rheinländer… nix Gutes gewohnt!

Wie dem auch sei – Sonntagskaffee rutscht ohne süße Begleitung immer so schlecht runter, also war ich kurz beim Bäcker ums Eck, etwas Backwerk besorgen. Als ich wieder zurückkam, schob sich gerade eine beachtliche Anzahl von Autos mit auswärtigen Kennzeichen in unser Viertel. Ach, ja – ich hatte es völlig vergessen: Weiterlesen

Worüm eenich nich?

Moin!

Auch im April gibt’s wieder einen plattdeutschen Artikel. Die Übersetzung für die nicht-platten Leser kommt wie immer ein paar Tage später. Viel Spaß beim Lesen! Weiterlesen

Revierkämpfe

Da sie sich scheinbar besonders in Österreich großer Beliebtheit erfreuen, wie der Grünkohl-Montag gezeigt hat, zum Wochenausklang nochmal eine kleine Anekdote aus meinem wildbewegten Ehe- und Küchenleben:

Seit gut zwei Jahren gehen mein Mann und ich getrennte Wege. Also, kulinarisch, meine ich. Seit 2012 bin ich Vegetarier. Anfang des vorletzten Sommers waren mein Mann und ich spazieren. Wir hatten Lust auf ein Eis. Was macht man im Ruhrpott, wenn keine Eisdiele in der Nähe ist? Man geht zum nächsten „Büdchen“ und kauft sich ein Industrieeis. Nachdem ich binnen zehn Minuten drei verschiedene Sorten Eis jeweils nach dem ersten Bissen weggeworfen hatte, weil ich das Gefühl hatte, nur in schieres Fett und schieren Zucker zu beißen und nicht in etwas, das angeblich auch nach Erdbeer oder Mandel schmecken sollte, habe ich künftig generell die Finger von solchem Zeug gelassen.

Nach und nach schien sich mein Geschmack radikal zu verändern. Dinge mit Raffinadezucker, wie etwa Limonaden oder Süßigkeiten, schmeckten mir immer weniger, ich stieg auf selbstgebrühte, ungesüßte Tees, Mineralwasser und Obst um.

Auch die Lust auf den Geschmack von Fleisch kam mir immer mehr abhanden. Sätze wie „Bring heute vom Schlachter nur ein Kotelett für dich mit, ich will keins. Bring mir lieber alles für ’nen frischen Salat mit“ häuften sich, wenn mein Mann und ich das Mittagessen planten. Bis der Tag gekommen war, an dem ich ganz aufhörte, Fleisch(produkte) zu essen. Kein Schnitzel mehr, kein Gulasch mehr, keine Salami aufs Brot mehr, kein Stück Fleischwurst „aus der Hand“ mehr. Einfach, weil es mir nicht mehr schmeckte.

Es war also keine Gewissensentscheidung. Als Jung vun’t Dörp bin ich mit Nutzviehhaltung aufgewachsen. Der Sau Berta heute noch den Rücken zu kratzen und morgen aus ihrem Blut den berüchtigten Swattsuuer (Schwarzsauer) zu kochen ist für mich normal und okay. Es gibt nun mal Lebewesen, die andere Lebewesen zur Ernährung nutzen. Löwen fressen Gnus, Ameisen melken Blattläuse, Kuckucksvögel lassen andere Vögel ihren Nachwuchs durchfüttern, Menschen futtern Schweine und Kühe. Mother Nature’s Plan, Fact of Life.

Natürlich stimmt bei uns was nicht, wie es dazu kommt, dass Tiere und Tierprodukte bei uns auf dem Teller landen, da ist Mother Nature’s Plan gehörig aus dem Takt gekommen, aber das soll heute nicht das Thema sein. Sonst wird der Artikel einfach zu lang. Kurzum: Ich habe kein Problem mit Nutztierhaltung, solange sie vernünftig geschieht. Mein Vegetarierdasein beruht ausschließlich auf geschmacklichen Erwägungen.

Missionarischen Eifer sucht man daher bei mir vergebens. Jeder soll seine eigene Entscheidung treffen, was und wie er essen möchte. Es ist okay, andere höflich zu informieren, wenn man gefragt wird. Aber dieses ungefragt über Andere bestimmen oder sie beeinflussen zu wollen geht mir selber gehörig auf den Geist. Manchmal kommt es mir vor, als seien viele Hardcore-Vegetarier/-Veganer die Kreuzzügler des 21. Jahrhunderts, die alles niedermetzeln, was ihren Glauben nicht teilt. Grüniban, sozusagen. Mit diesen Zeitgenossen möchte ich, bitteschön, nicht verwechselt werden. Jedem sei sein Essen und wie er es sich beschafft von Herzen gegönnt, weil ich einfach an das selbstbestimmte Leben glaube und daran, dass ein friedliches Miteinander von Fleischfreunden, Vegetariern und Veganern möglich ist.

Darum bin ich mir auch nicht zu schade, anderen Fleisch zuzubereiten. Mein Mann bekommt immer noch von mir die Leber mit Zwiebeln und Himmel & Erde nach Omas Rezept, wenn er sich das wünscht. Basta. Auf der anderen Seite koche ich auch zusätzliche Gerichte für Vegetarier und Veganer, wenn wir Gäste haben. Das macht zwar ’n büschen mehr Arbeit – aber jemandem, der gerne kocht, macht es doch gar nichts aus, ob er mit drei, vier Töpfen mehr hantieren muss. Wo ist also das Problem?

Ich esse eben nur selber kein Fleisch mehr. Also runter vom Speiseplan damit, und zwar nur von meinem ganz persönlichen.

Das führte zwangsläufig dazu, dass bei uns jetzt bisweilen zwei Essen gekocht werden. Zu Anfang klappte das ganz gut, weil ich mitten im Sommer umschwenkte und erstmal nur Rohkostsalate aß, weil das bei 28° im Schatten ohnehin erfrischender ist als warme Mahlzeiten. Auch der erste Winter war okay. Ich kannte noch nicht so viele rein vegetarische Rezepte, wodurch mein Speiseplan recht einfallslos war, sich vieles wiederholte und weil der große Kochpott mit einer dreistöckigen Dünst-Etagere nicht viel Platz braucht. Auch zwei Eintöpfe, die bis auf die Zugabe der fleischlichen Zutaten vollkommen gleich waren, gingen problemlos vonstatten.

Doch allmählich füllte meine Rezeptkladde sich, ich fing an vermehrt zu schnippeln, rührte hier ein Sößchen an, briet dort was an und brauchte zunehmend mehr als eben nur den Topf mit der Dünst-Etagere. Solange mein Mann sich bei meinem Grünzeug mitbediente und es als Beilage brauchte, war das kein Problem. Nur wenn er auf so ganz was anderes Lust hatte, wurd’s heikel. Dialoge wie diese häuften sich:

„Was waren das noch für Zeiten, als du mit einer Herdplatte ausgekommen bist. Jetzt breitest du dich so aus, dass jeder Pott seine eigene Postleitzahl braucht.“ – „Guck dich doch selbst an – du bist der einzige, der sich für ein einziges lausiges Schnitzel eine zehn Meter lange Panierstraße baut!“

Aber irgendwie lavierten wir uns durch Situation immer hindurch und schafften es dabei sogar, das wir uns gleichzeitig zum Essen niederlassen konnten.

Bis zum Tag, der als „Kampf der Titanen“ Einzug in die Ehechronik gehalten hat. Es war ein Sonntag, und da kochen wir gerne etwas ausgiebiger, weil gemeinsames Küchengepüttscher bei einem guten Hörspiel einfach kommodig ist.

Auf meinem Menü stand: Salat mit warmen Paprikastücken als Vorspeise, Kartoffel-Möhren-Crèmesuppe mit weißen Bohnen als Hauptgericht und selbstgemachtes Apfelkompott als Dessert. Ich brauchte: Drei Töpfe, den Thermomix, drei Rührschüsseln und die Bratpfanne, weil ich inzwischen gelernt hatte mit Honig oder Agavensirup anzubraten statt Fett, ohne dass ich hinterher Bonbons hatte. Dazu der entsprechende Platz, vor allem sämtliche vier Herdplatten.

Auf meines Mannes Menü stand: Fleischbrühe mit Nudeln und Eierstich, natürlich mit selbst zubereiteter Brühe. Steak mit Bratkartoffeln und Speckböhnchen. Vanille Vla. Letzterer kam zum Glück aus dem Tetra Pack, doch allein für Vorspeise und Hauptgericht brauchte er: Drei Pötte, den Thermomix und zwei Bratpfannen. Dazu der entsprechende Platz, vor allem sämtliche… (siehe oben).

Was soll ich sagen – wir tänzelten um einander herum und sahen dabei längst nicht so majestätisch aus wie dereinst Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn. Wir rangelten eher wie ungezogene Schuljungs um den besten Platz in der Milchschlange vor der großen Pause.

Als wir uns zum dritten Mal gegenseitig so richtig auf die Füße getreten waren, sahen wir einander an, und in unserem stummen Blick lag eine feierliche Übereinstimmung: Wir brauchen einen zweiten Herd.

Oder besser gleich eine zweite Küche.

Fanclub? Nein, danke!

20141029-01Gestern Abend bin ich bei Facebook eingeladen worden, Mitglied der Fangruppe eines britischen Künstlers zu werden, den ich sehr schätze. Ich habe abgelehnt. Das journalistische Trara der letzten Tage nach der Parodie auf eine bekannte Sängerin durch die Komikerin Carolin Kebekus hat mich daran erinnert, warum ich selber jegliche Aktivitäten als organisierter Fan komplett eingestellt habe.

Fan zu sein ist eigentlich ganz schön. Man hat etwas, das einem Freude bereitet, und kommt darüber hinaus noch in Kontakt mit anderen Menschen, die ähnlich empfinden. Problematisch wird es oft erst, wenn das Ganze organisierte Formen annimmt. Ich war selber jahrelang Mitglied eines Fanclubs einer international bekannten Sängerin, hab’s bis zum stellvertretenden Vorsitzenden gebracht mit allem Drum und Dran, vor allem ganz viel Fanbetreuung.

Zu Anfang hat es sehr viel Spaß gemacht, doch irgendwann mehrten sich die Fans, denen jedes gesunde Maß fehlte, die den Star auf einen so hohen Sockel stellten, dass es an Götzenverehrung erinnerte.

Solche Fans sind beängstigend. Jede Kritik ist bei ihnen verboten. Dabei ist konstruktive Kritik doch genau das, was jeden Menschen wachsen lässt. Doch in den Augen dieser Fans ist alles von „ihrem“ Künstler ab-so-lut per-fekt. Dass der Star sich hingegen bei Meet & Greet-Veranstaltungen öffentlich dankbar für Kritik zeigt und dafür, wenn nicht zu allem „Ja und Amen“ gesagt wird, interessiert diese Fans nicht. Für sie ist Star X gottgleich und somit unfehlbar.

Zudem bekommen diese Fans nie genug, verlieren jedes Augenmaß für eine gesunde Distanz. Da ist zum Beispiel die ständige Forderung nach Songmaterial, das seit Jahren unveröffentlicht in den Archiven ruht. „Das ist er/sie uns schuldig! Ohne uns wäre er/sie nix geworden!“

Entschuldigung, aber ein Star schuldet seinen Fans nichts. Rein gar nichts. Klar, die Entscheidung für eine solche Karriere in der Öffentlichkeit ist freiwillig und die Fanbegeisterung trägt den Star. Trotzdem bringt sie eine Menge Verzicht mit sich, wenn besagter Star für die Fans Woche um Woche auf Tour, im Studio, in TV-Shows verbringt, ständig im Fokus der Allgemeinheit und keinen Atemzug tun kann, der nicht beäugt und kommentiert wird. Insofern sind die Fans in der Schuldnerposition – ihre Forderungen sind irrelevant, vielmehr schulden sie ihrem Star den Respekt vor dessen Entscheidungen.

Eine solche Ansicht sollte man nicht offen aussprechen, wenn man in einem Fanclub aktiv ist. Denn dann kann ein Sturm losbrechen, gegen den die Reiter der Apokalypse wie kalifornische Men Stripper daherkommen. Von ABBA über Helene Fischer und Madonna bis ZZ Top: Es zieht sich durch alle Äras und Musikstile – und betrifft neben Musikern auch Schauspieler, Schriftsteller, Fußballer, Fußballvereine, Adelshäuser, die Fantasywelt von Harry Potter und Herr der Ringe… Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.

Mir kommt gerade eine Szene aus The Golden Girls in den Kopf: Dorothy ist wegen einer unpassenden Bemerkung aus Blanches Elvis Presley-Fanclub geworfen worden. Blanche rät: „Vielleicht solltest du dir eine Gruppe suchen, die etwas weniger fanatisch in ihrer Ergebenheit ist“. Darauf Dorothy: „Wie was, Blanche? Die PLO?“

Genau so habe ich mich in meinem Fanclub kurz vor dem Ausstieg auch gefühlt. Beschimpfungen, Verleumdungen und was weiß ich noch alles von seiten dieser Über-Fans vergifteten zunehmend das Klima. Fan = Fanatismus. Hier stimmte es, und es hat mir wirklich Angst bereitet. An diesem Punkt konnte ich nur aussteigen. Das Geschehene hat meine Einstellung zum Fan-Sein vollkommen verändert. Ich höre „meine“ Künstler nach wie vor gerne, doch mich nochmal fanmäßig organisieren?

Im Leben nicht.