Tiefenpsychologie

oder: Der Feind neben meinem Bett

Die Straßenbahn fährt schon lange nicht mehr durch unser Viertel. Ist nun alles unterirdisch. Wobei „nun“ ein relativer Begriff ist. „Nun“ heißt in diesem Fall fast fünfzehn Jahre. Aber manchmal fehlt es mir doch noch. Besonders morgens. Früher, wenn das Singen der Vögel draußen auf einmal von so einem Rumpeln untermalt wurde, habe ich noch so tief im Schlaf liegen können, aber mein Unterbewusstsein hat sofort gewusst: Das ist der erste Zug der Linie 408, jetzt  musst du aufstehen.

Und das hat gut geklappt. Kein Stress, keine Hektik – so richtig schön entspannt.

Ich brauche keinen Wecker. Ein Wecker ist sogar beinahe der Grund gewesen, dass das traute Glück von meinem Mann und mir vor neunzehn Jahren fast zu Ende gewesen ist, bevor es richtig begonnen hatte! Weiterlesen

Sommerklänge

Sommerklaenge

Auch weniger regelmäßige Leser dürften inzwischen gemerkt haben, dass die Stadt, in der ich wohne, und meine Wenigkeit ein nicht ganz unbelastetes Verhältnis zu einander haben. Das wird wohl auch weiterhin so bleiben.

Es bleibt aber auch dabei, dass das Quartier, in dem ich mit meinem Gemahl lebe, eine durchaus kommodig lebbare Alternative bleibt, bis wir endlich alle Hindernisse aus dem Weg geräumt haben, die uns derzeit noch daran hindern, unsere Zelte an der Elbe aufzuschlagen.

Das zeigt sich besonders in den Sommernächten. Wenn man es sich dann mit Lieblingsgetränk nebst -buch auf dem von Windlichtern und Laternen sanft illuminierten Balkon bequem macht, wird unsere Stereoanlage in der Küche, über die ich eigentlich nun Vaya Con Dios, Miloš Karadaglić oder Michael Falch hören würde, nahezu überflüssig. Aus irgendeinem offenen Fenster, von irgendeinem anderen Balkon bekommt man nämlich immer ein Live-Konzert serviert. Mal begleitet sich jemand selbst zu Connie Francis‘ Second Hand Love auf dem Klavier und klingt dabei besser als damals bei der Originalaufnahme Frau Francis‘ eigens engagierter Pianist Floyd Cramer. Mal hört man einem Gitarristen zu, was er aus Guitar Tango von The Shadows macht, und zu einer anderen Gelegenheit hört man eine wunderschöne A-Cappella-Version des neapolitanischen Traditionals Statte vicino a ‚mme.

Passend zum offiziellen Sommeranfang haben diese sommerbendlichen Live-Konzerte wieder begonnen. Am vergangenen Freitag hat sich sogar jemand sehr erfolgreich an dem nun wirklich nicht leicht zu singenden Capri C’est Fini von Hervé Vilard versucht, bevor wir mit Calm After the Storm von The Common Linnets einen ganz aktuellen Song dargeboten bekommen haben.

An solchen Abenden herrscht Frieden zwischen der kleinen Stadt im Pott und mir.