Sommermucke

Sommerhits zeichnen sich nur selten dadurch aus, besondere Perlen im Schmuckkasten der Poesie zu sein. Macarena  – The Ketchup Song – Mambo No. 5 – Coco Jambo… Die Beispiele sind hinlänglich bekannt. Aber immerhin sind sie eigens für den ihnen zugedachten Zweck komponiert worden: Wer möglichst anspruchslos abtanzen will, braucht keine tiefschürfenden Texte. Da reicht es vollkommen, wenn sich „nackte Friseusen“ auf „feuchte Haare“ reimt.

Es gibt auch Beispiele, bei denen bestehende Melodien mit einem neuen Text versehen werden. Weiterlesen

Männer in der Mauser und ein Besuch bei Meta

Selbst der betriebsamste Bahnhof hat Zeiten, in denen er einsame Tristesse ausstrahlt. Zum Beispiel am Sonntagmorgen um Viertel nach sieben. Die große Halle ist bis auf ein paar letzte Nachtschwärmer leergefegt, oben an den Bahnsteigen stehen deutlich weniger Züge. Die paar, die doch auf ihre Abfahrt warten, wirken wie unsereins am Montagmorgen: Muffelig, verschlafen – am liebsten hätten sie sich nochmal umgedreht und unterm kuscheligen „Plümmo“ eingemummelt.

Obwohl es heute zu einem ganz besonderen Termin, den mir ein ganz besonderer Freund möglich gemacht hat (und dem ich dafür gar nicht genug danken kann), nach Hamburg geht, fühle ich mich ein wenig so, wie diese Züge aussehen. Dabei bin ich gestern schon um acht in den Buntkarierten gewesen. Trotzdem war die Nacht zu kurz. Und ein bisschen sind wohl auch die Medikamente schuld, die ich seit einiger Zeit nehmen muss. Aber machen wir uns nix vor: Weiterlesen

Ach, du halt dein‘ Rand!

Reisetagebuch Hamburg, Juli 2017 – Teil 4

 

oder „Punkt-Punkt-Punkt-Komma-Strich“.

„Punkt-Punkt-Punkt“ deswegen, weil es trotz nur eines einziges Programmpunktes an diesem Tag so einiges gibt, das aufgrund von Überfülle aus dieser Erzählung ausgelassen werden muss.

„Strich“ sowohl wegen 2x „strichweise“. Nämlich erstens wegen der strichweisen Skizzierung (okay, diese Metapher ist sehr weit hergeholt) dessen, was Hamburg zu dem gemacht hat, was es ist. Und zweitens – zur Abwechslung gibt’s mal wieder Regen. Ebenfalls strichweise.

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Erntedank

Erntedank? Im Februar? Falsche Jahreszeit, hm?

Richtig, liebe Leser, genau das dachte ich auch. Doch wie so oft im Leben begann auch die heute zu berichtende Begebenheit damit, dass eigentlich etwas ganz anderes geplant war. Weiterlesen

Entschwult?

Ein Hut, ein Stock, ein Regenschirm… Nee, Quatsch, da bin ich mal wieder auf dem völlig falschen Dampfer.

Also nochmal von vorn:

  • Ein Kalender mit nackten Kerls.
  • Eine solide Auswahl echt silberner Kerzenleuchter verschiedener Stilprägungen (Gründerzeit, Jugendstil und Wirtschaftswunder müssen mindestens vertreten sein).
  • Ein Regal mit zig Kochbüchern (die gar nicht gebraucht werden, weil der Wohnungsinhaber perfekt aus der Lameng kochen kann)
  • Die Doppel-CD oder noch besser das originale Vinyl-Doppelalbum von 1962 mit dem legendären Carnegie Hall-Konzert von Judy Garland
  • Mindestens ein echt antikes oder zumindest verdammt gut darauf getrimmtes Möbelstück wie z. B. ein dickpolsteriges Biedermeiersofa, auf dem man zwar unmöglich einen faulen Nachmittag bequem verbringen kann, das aber optisch ungeheuer was hermacht.

Na, wie viele der genannten Einrichtungsgegenstände kommen wohl tatsächlich in einem handelsüblichen schwulen Haushalt vor? Weiterlesen

Sonntagszwischenruf

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Heute: Volksentscheid in Hamburg

Liebe Freunde und Leser in Hamburg,

heute besteht in den dazu eingeladenen Quartieren letztmals die Möglichkeit, bei einem Bürgerentscheid für oder (hoffentlich) gegen eine die Elbe überspannende Seilbahn zu stimmen. Dazu möchte ich euch noch einmal meinen

Blogeintrag „Killarney, Hamburg und das große Geld“

ans Herz legen (Klick auf den Link führt dorthin).

Bitte trefft eine kluge Entscheidung für eure Stadt, eure gemeinsame Geschichte, für das, was von der historischen Stadtansicht noch übrig ist und nicht durch Elbphilharmonie und Tanzende Türme korrumpiert wurde, und trefft sie für eure (Mit)Bürger. Nicht für den schnellen Tourismus- und Investorendollar.

Alles Gute, Hamburg!!!

Killarney, Hamburg und das große Geld

Die Sterne am Himmel, ein Paar blauer irischer Augen, das liebevolle Seufzen einer Mutter, die Natur, ein echtes Shamrock und den Blarney Stein – wenn man das alles kaufen kann, so besagt ein altes Lied, dann kann man auch das irische Städtchen Killarney kaufen.

Mir scheint, derzeit stürzen sich all jene, die an Killarney gescheitert sind, auf Hamburg. Es war über Jahrhunderte das Drama von Hamburg, dass der Senat ausschließlich mit Kaufleuten besetzt war, die bei allen politischen Entscheidungen nur das eigene und das wirtschaftliche Wohl der Stadt im Sinn hatten. Was darüber hinausging, wurde mit Desinteresse betrachtet. Das bedeutete mangelndes Geschick in allen anderen politischen Belangen, was Hamburg viele Opfer abverlangte. Vor allem beim Volk, das aufgrund dieser völligen Indolenz der Würdenträger in Hamburgs größten Blütezeiten immer auf der falschen Seite gestanden und alles andere als profitiert hat, was u. a. in der Choleraepidemie von 1892 gipfelte.

Was hat sich geändert? Polemisch betrachtet scheinbar nur dieses: Der Senat besteht nicht aus Kaufleuten, sondern aus Berufspolitikern und es gibt keine Cholera. Ansonsten wird weiter hauptsächlich dem Mammon gedient: Statt Dinge wie den Ausbau des U-Bahn-Netzes in sinnvoller Weise voranzutreiben, wird bei den Buslinien geflickschustert mit Maßnahmen, die nach wenigen Monaten wegen ihrer Sinnlosigkeit wieder rückgängig gemacht werden müssen oder das soziale Gefüge eines Quartiers nachhaltig verändern. Förderung von erschwinglichem Wohnraum für Otto und Ottilie Normalverbraucher? Fehlanzeige.

Hinzukommt die Gentrifizierung, ergänzt durch ein neues Wort: Disneyfizierung. Die alten Kieze auf St. Georg und vor allem auf St. Pauli werden durch Anzugträger von außerhalb überschwemmt, die die Stadt Hamburg allgemein und die Bevölkerung auf den Kiezen im Besonderen nicht einmal ansatzweise begriffen haben. Mit nichts als Dollarzeichen in den Augen werden historische Stadtbilder sowie über Jahrzehnte gewachsene Sozialstrukturen zunächst beschädigt und dann regelrecht vernichtet. Esso-Häuser ist nur eines der Stichworte. Die Tanzenden Türme ein anders. Dieser Glasmonolith passt in seiner Künstlichkeit bestens die HafenCity, aber partout nicht in das natürlich gewachsene St. Pauli. Gerade dieses Quartier wird vom Kiez, auf dem es auch mal nicht so schöne Anblicke gibt wie Stricher, die es ihrem Freier für ’nen Fünfziger extra auch mal ohne Gummi besorgen, zum garantiert jugendfreien Disneyland. Die Stadt verliert allmählich eine der wichtigsten Säulen ihrer Identität, und an anderen wie Eppendorf/Eimsbüttel/Harvestehude/Hoheluft (wertvolle Altbausubstanz, die Geschichte(n) erzählt, weicht seelenlosen Glaskästen, die obendrein wegen exorbitanter Immobilienpreise alteingesessene Bewohner entwurzeln) wird ebenso munter gesägt. Selbst die altehrwürdigen Kaufmannsvillen auf der Elbchaussee sind nicht mehr sicher davor, abgerissen und durch moderne Glaswürfel zu werden. Immer wieder hört man Nachrichten aus dem ganzen Stadtgebiet, dass einem historischen Gebäude mal wieder der Denkmalschutz entzogen wurde oder dass es in Kürze geschehen wird. Es ist erschreckend und einer so geschichtsträchtigen Stadt nicht würdig, wie leicht das zu sein geworden scheint.

All das geschieht, um noch mehr Touristen, noch mehr Unternehmen von außerhalb und vor allem noch mehr Geld in die Stadt zu holen. Einen Standort im Weltwirtschaftsgeschehen konkurrenzfähig halten zu wollen ist gewiss keine falsche Absicht, aber muss das zu Lasten der Identität, der Eigenlogik, der Eigendynamik dieses Standorts gehen? Muss man eine Stadt zum künstlichen Vergnügungspark umfunktionieren, in dem sich selbst Einheimische wie Gäste fühlen müssen?

Die neueste Idee der Disneyfizierer ist eine Seilbahn quer durch den Hafen. Das ganze wird manchmal als Verkehrsmittel zur schnellen Querung der Elbe verkauft, doch die Scheinheiligkeit dessen ist offensichtlich. Denn mal ganz ehrlich, wenn ich nur zu den beiden Musical-Theatern will, kann ich auch die extra dafür bereitgestellten Hafenfähren nehmen oder kann durch den alten Elbtunnel laufen.

Man stelle sich also nun dieses wunderbare Panorama vor wie hier im Bild vor, das künftig von einem Drahtseil durchschnitten wird, an dem immer wieder Gondeln mit gaffenden Menschen durchs Bild schweben. Wer wird davon hauptsächlich profitieren? Die Touristen und die Macher. Und die Lokalpolitik springt rollig drauf an wie eine notgeile Katze auf Baldrian. Kein Wort davon, wie es der Bevölkerung damit geht, wie die (ohnehin schon durch Elbphilharmonie & Co. eingeschränkten) historischen Sichtachsen auf die Stadt immer weiter ruiniert werden. Kein Wort von den täglichen Beeinträchtigungen für die direkte Nachbarschaft der Pylone und Stationen, wenn dort bis mitten in der Nacht der Antrieb röhrt. Hauptsache Geld.

Doch zum Glück regt sich Widerstand. Prominente Stimmen der Stadt erheben sich gegen die Seilbahn und ziehen die Bevölkerung mit. Man ist es satt, dass ständig über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden wird. In den direkt von der Seilbahn betroffenen Stadtteile (durch Infrastruktur, Touristenaufkommen etc.) ist daher u. a. eine Bürgerabstimmung im Gange, deren Ergebnis bindend sein wird. Dazu gehört auch St. Pauli. Dort ist man durch das Drama um die Esso-Häuser entsprechend sensibilisiert, und ich glaube, dadurch bestehen gute Chancen, den hypergentrifizierenden und disneyfizierenden Geldsäcken von außerhalb, die – ich wiederhole es gerne noch mal – Hamburg einfach nicht begriffen haben, klarzumachen, dass man nicht nur Killarney nicht kaufen kann. Auch bei Hamburg ist irgendwann Schluss.