Seit gestern ist sie also auf ihrer wirklich letzten Reise – die Costa Concordia ist unterwegs zum Abwracker in Genua. In diversen Medienberichten war zu erfahren, dass es fast zwei Jahre dauern wird, bis von dem Unglücksschiff nichts mehr übrig ist. Zwei Jahre für knapp 115.000 Tonnen. Und das ist eine Zeit, die Experten einer Industrienation benötigen werden.
Das macht mich nachdenklich. Denn so immens die Costa Concordia (noch) ist – das größte Schiff auf dem Kreuzfahrtmarkt war sie nicht. Der aktuell größte Vergnügungsdampfer bringt gut 225.000 Tonnen auf die Waage, also schlappe 110.000 Tonnen mehr, und es gibt eine ganz eine ganze Reihe von Schiffen, die zwischen diesen beiden Maßen angesiedelt sind. Nach oben wird in Zukunft sicherlich auch noch Luft sein.
Wir reden und hören soviel über Kreuzfahrtschiffe als Dreckschleudern was ihre Abgase betrifft. Das will ich gar nicht kleinreden, doch das ist ein Jetzt-Problem, mir geht es aber im Moment um eine weiter entfernt liegende Zukunft.
Jedes Schiff ist irgendwann reif für das, was jetzt der Costa Concordia blüht. Einfach aus Altersgründen. Doch viele von den Giganten der Meere werden nicht von technisch hochausgerüsteten Profis mit aller Sorgfalt und unter Berücksichtigung aller möglichen Sicherheitsvorkehrungen zerlegt. Sie landen auf Schiffsfriedhöfen, etwa wie dem berühmtesten in Alang/Indien, der allerdings nicht der einzige seiner Art ist:
Das Schiff wird mit gerade noch soviel Diesel im Tank, wie benötigt wird, Bug voraus auf den Strand des Schifffriedhofs gerichtet. Dann werden die Maschinen ein letztes Mal auf Volle Kraft voraus hochgejagt und das Schiff rast soweit es möglich ist, den Strand hinauf, seinem sicheren Ende entgegen. Es gibt zahlreiche Berichte bei allen seriösen Nachrichtenportalen aber auch YouTube-Videos, die zeigen, was dann passiert: Einfache Menschen ohne Schutzkleidung und andere Sicherung gegen Gefahren (z. B. Atemmasken), dafür in ganz normalen Kleidungsstücken, die nackten Füße teilweise nur in Badelatschen, nehmen diese Schiffe dann mit einfachsten Werkzeugen auseinander. Sie sind Giftstoffen, herabstürzenden Teilen, herausragenden scharfen Teilen nahezu schutzlos ausgeliefert, und das für einen Hungerlohn. Gibt es dabei Tote? Und was passiert mit Giftstoffen u. ä. aus den Schiffen – wie werden sie entsorgt? Danach fragt dort kaum jemand. Dafür ist das Abwracken eines Schiffes dort viel billiger als auf einer professionellen Werft in unserer so genannten Ersten Welt.
Die Schiffe, die jetzt ins abwrackfähige Alter kommen, stammen noch aus einer anderen Generation und sind fast durchweg kleiner als die Costa Concordia, teilweise weit unter 100.000 Tonnen schwer. Doch wie wird das in zwanzig, dreißig, vierzig Jahren sein, wenn die neuen Riesenpötte von jetzt in Alang landen?
Als Schiffsliebhaber bin ich nicht gegen neue Schiffe, auch nicht gegen große. Aber ich bin dagegen, wenn Schiffe ihrem Ende so entgegengehen wie in Alang. Da muss sich was tun. Für die Umwelt, aber auch für die Menschen, die diese Arbeit übernehmen. Vielleicht könnte es eine Art „Abwracksparbuch“ für jedes Schiff geben, das von jedem Reeder, in dessen Besitz sich ein Schiff während seines ganzen Lebens befindet, bespart werden muss. Davon könnte dann eine sachgemäße Abwrackung finanziert werden. Das würde natürlich zu höheren Preisen bei Kreuzfahrten (bzw. bei den Waren, die per Frachschiff transportiert werden) führen. Aber das sollte es uns wert sein.