Es muss vor inzwischen sieben oder acht Jahren gewesen sein. Große Party zum Altjahrsabend (ich mag diesen Begriff einfach lieber als das schnöde „Silvester“) bei meinem Mann und mir. Euphorische Stimmung und Anstoßen mit Sekt an Mitternacht, anschließend raus auf die Straße, um den Nachbarn beim Feuerwerk zuschauen. Überall knallt und zischt es, bunte Funkenregen gehen auf das Quartier nieder. Auf der anderen Straßenseite sehe ich eine junge Frau – nein, eher noch ein Mädchen vor einem Auto auf und ab gehen. Sie sieht ein bisschen der Welt entrückt aus. Erst vermute ich, dass sie betrunken ist. Doch offenbar hat sie sich nur aus dem Auto ausgesperrt; abwechselnd zieht sie an der Tür und starrt ratlos ins Wageninnere. Krach-bumm-peng – Knallfrösche explodieren, neue Raketen werden gezündet, die Straße ist vernebelter als London an einem Oktobermorgen. Als der Qualm sich zwischendurch kurz verzieht, ist das Mädchen weg.
Irgendwann ist die Knallerei vorbei, wir gehen zurück in unsere Wohnung. Kleiner Absacker, und gegen halb drei wird die Runde allmählich bettschwer. Sofas werden ausgeklappt, Feldbetten aufgestellt, Luftmatratzen aufgepumpt. Zwei unserer Gäste, die nicht gerne auswärts übernachten, machen sich noch auf den langen Weg zurück nach Travemünde. Ich bringe sie zu ihrem Auto, verabschiede mich und winke ihnen noch kurz hinterher. Dann will auch ich nur noch in die Buntkarierten.
Auf dem Weg zurück zum Haus sehe ich das Mädchen wieder. Sie läuft auf und ab wie ein Tiger im viel zu engen Käfig. Ihr vorhin noch verzweifelter Blick hat jetzt etwas Wildes. Aber von Aggressionen scheint sie weit entfernt. Bis zu dem Moment, als sie mit aller Macht gegen die Scheinwerfer eines Autos tritt. Glas splittert, sie bricht heulend zusammen. Okay, der kann nur noch professionell geholfen werden. Ich halte ein Pärchen an, zum Glück sind sie nicht angetüddert. Während die Frau nach einem Krankenwagen telefoniert, heben der Mann und ich die Deern hoch und schleppen sie zum nächsten Hauseingang, wo sie ein bisschen vor dem kalten Januarwind geschützt ist. Verletzt ist sie zum Glück nicht, auch hat sie keine Alkoholfahne, dafür ist sie aber völlig mit den Nerven am Ende. Wir reden auf sie ein, versuchen ihr zumindest zu entlocken, wie sie heißt. Vergeblich.
Gut zehn Minuten später ist der Spuk vorbei. Ich spreche noch kurz mit dem Pärchen, bedanke mich für die Hilfe und kann dann endlich Kurs auf mein Bett nehmen. Das Mädchen hat ein Sedativum gespritzt bekommen und ist auf dem Weg in die Notaufnahme. Ich habe sie nie wieder gesehen.
Nicht für jeden Menschen erfüllt sich der Wunsch eines „frohen neuen Jahres“. Für manche beginnt das neue Jahr richtig bes***en. Genau für diese werde ich – wie in jedem Jahr auch – eine Kerze anzünden. Erscheint mir einfach sinnvoller als die Investition in Kracher und bunt funkelnde Raketen.
Dies ist ein Abstandhalter.
Das war der letzte Eintrag im Wortgepüttscher für 2013. Allen Lesern herzlichen Dank für die Besuche hier und das bunte Feedback. Wir lesen uns in 2014 wieder – kommt gut und vor allem gesund rüber!