Wie man sich bettet…

aus der Reihe ›Urlaub in den 70ern und 80ern‹

Unsere erste Ferienwohnung hätte heute keine Chance mehr auf dem Tourismusmarkt. Unter dem Etikett ›Kleinstbungalow‹ angeboten, befand sich das Gebäude mit insgesamt vier ähnlich ausgestatteten Apartments auf dem Hinterhof eines zweistöckigen Hauses, in dem die Vermieterin ihre höherwertigen Unterkünfte anbot. Die vielleicht fünfzehn, maximal achtzehn Quadratmeter messenden Einheiten, vier Stück an der Zahl, bestanden jeweils aus einem einzigen Zimmer, im Grunde hatten sie den Grundriss einer Garage, die an der hinteren Stirnwand ein großzügig bemessenes Fernster besaß.

Vorne gab es ein Fenster, das gerade groß genug war, um eine Flasche Bier hindurch zu reichen, und daneben die Eingangstür. Sie war der in Norddeutschland weit verbreiteten Klöntür nachempfunden, man konnte also Weiterlesen

Komm kein bisschen mit nach Italien

aus der Reihe ›Urlaub in den 70ern und 80ern‹

Abenteuerlust gehört nicht zu den großen Stärken in meiner Familie. Bei uns hat noch nie jemand den langweiligen Job in der Kfz-Zulassungsstelle für ein Sabbathjahr ruhen lassen, um barfuß von Palermo nach Trondheim zu wandern. Wer sich im Rahmen sportlicher Aktivität sämtliche Knochen bricht, beklagt das als Kollateralschaden beim Fußball auf dem nachbarschaftlichen Bolzplatz, nicht beim Freeclimbing am Popōcatepētl. Entsprechend gefahrlos ist die Reiseplanung.

Als meine Eltern, also Muddi und Paps, im Januar 1970 heirateten, erforderte der notorisch klamme Geldbeutel, Weiterlesen

Schiff ahoi!

aus der Reihe ›Urlaub in den 70ern und 80ern‹

Kennt ihr noch Butterfahrten? Das war früher bei einem Urlaub an der Ostsee nicht wegzudenken. Sich einmal für ein paar Stunden wie die feinen Leute beim Traumschiff fühlen, mit ’nem schnittigen weißen Schiff zur See fahren und dabei auch noch billig einkaufen, weil das Schiff in Internationalen Gewässern gefahren ist, und da hast du auf deinen Einkauf keinen Zoll und keine Steuern zahlen müssen.

Ich weiß, wovon ich rede – ich bin da in meiner Kinderzeit oft genug mitgefahren!

In den ganzen Kurorten an der Ostsee hat es damals ein zentrales Reisebüro gegeben. Außerhalb der Saison hast du als Einheimischer bloß deinen eigenen Urlaub irgendwo im Süden gebucht. Innerhalb der Saison ist das dickste Geschäft mit den Touris gemacht worden: Weiterlesen

Schip ahoi!

Kennt ji no Butterfohrten? Dat wor freuher nich ut’n Urlaub an de See wegtodinken. Sik eenmol föör’n poor Stünn’n as de feinen Lüüd bi’t Traumschiff feuhlen, mit’n snittiget wittet Schip no See fohrn un dobi ook no billig inköpen, wiel dat Schip in „Internationale Gewässer“ fohrn is, un denn hest du op dien Inkööp keen Toll un keine Steuern tohlen möten.

Ik weet, wovun ik schnack – ik bin do in mien Kinnertiet oft genuch mitfohrn!

In de ganzen Kurorten anne Ostsee hett dat domols een zentrolet Reisbüro geven. Buten de Saison hest du als Inheemischer blots dien eegen Urlaub jichtenswo in’n Süden bucht. Binnen de Saison is dat dickste Geschäft mit de Touris macht worrn: Weiterlesen

Aretha, Amerigo und ein bisschen Arbeit

Reisetagebuch 2018 – Teil 5

Hamburg – Donnerstag, 16.08.2018 – morgens im Hotel

Was für eine Ungerechtigkeit. Da wirst du morgens wach und hörst als erstes in den Radionachrichten, dass Aretha Franklin tot ist. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, bekommst du drei Minuten später den neuesten Schlager der Saison von irgendeinem deutschen Sangesternchen um die Ohren gehauen und damit erstmal so richtig vorgeführt, mit welcher Lücke wir zurückgelassen werden. Im Hintergrund hörst du dabei den großen Vinylius – oder wer immer der Schutzpatron der Popmusik ist – grausam lachen.

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Ich packe meinen Koffer…

„Hallo, Leute – es sind Ferien / Alle machen blau / Von Flensburg bis nach Oberammergau…“

Mit diesem fröhlich auf die Melodie von Jacques Offenbachs berühmten Cancan mit dem Namen Galop Infernal geträllerten Liedchen begann für mich und meine Altersgenossen vor einigen Dezennien die schönste Zeit des Jahres: Weiterlesen

’ne schöne Tasse Kaffee… Betonung auf „schön“

Kaffee!

In den 70ern und 80ern eines der untrüglichen Anzeichen funktionierender spießbürgerlicher Idylle und trotz bereits erfolgtem Wirtschaftswunder streng rationiert. Morgens zum Frühstück eine, höchstens zwei Tassen, dasselbe nochmal nachmittags zwischen eins und vier, je nachdem, ob der Vater gerade Früh- oder Mittagsschicht hatte. Weiterlesen

Es ist serviert!

1. Juli!

Ein neuer Monat bedeutet für die meisten in allererster Linie zunächst einmal: Zahltag. An den Bankautomaten und Geldschaltern wird’s heute richtig voll. Bringt Zeit mit dorthin!

Für mich persönlich zählt heute etwas ganz anderes: Weiterlesen

Keine Routineangelegenheit, Ma’am

Jetzt mache ich diesen Affentanz nun schon zum sechsten Mal mit, und ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt. Wenn man es genau nimmt, ist es sogar schon Weiterlesen

De-nein vu-Erlebnis

ABBA sangen vom Geschichtsbuch im Bücherregal, man spricht bisweilen von Kismet, und wer mit dem vorgenannten Wort eher einen Katzennamen verbindet, dürfte eventuell die Vokabel Déjà vu verwenden, wenn er von Ereignissen spricht, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen. Das Leben spielt quasi Weiterlesen

Sand in den Schuhen…

20131130-01… und völlig falsche Vorstellungen im Hirn.

1973 war insgesamt ein gutes Jahr: Luxemburg gewinnt mit einem wirklich schönen Lied den Grand Prix Eurovision. Der US-Wissenschaftler Martin Cooper benutzt das allererste Mobiltelefon. Elvis Presleys Aloha from Hawaii-Konzert bricht alle Rekorde.

Ob mein Erscheinen auf diesem Planeten auch zu den guten Ereignissen gehört, können allerdings nur meine Eltern beurteilen. Jedenfalls bin ich ein waschechtes Kind der 1970er, so richtig mit Bazooka-Kaugummi, Snickers in der roten Verpackung, Muppet Show im Fernsehen, Bernard und Bianca im Kino und Hui Buh auf Schallplatte. Nicht zu vergessen die ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck. Da gab es irgendwann mal ein Lied Ich hab‘ noch Sand in den Schuhen aus Hawaii; Bata Illic sang von seligen Urlaubserinnerungen und wie anders es doch zuhause ist.

Wir haben das Phänomen alle schon mal erlebt: Der Limonenlikör, der abends auf der Hotelterrasse mit Blick auf die Bucht von Palermo so wunderbar schmeckt, wird nach dem ersten Verkosten auf der heimischen Terrasse im Ausguss der Spüle versenkt. Das schicke bunte T-Shirt mit dem I’m too sexy for this shirt-Aufdruck, das so richtig zum sonnigen Strandleben gepasst hat, wirkt im grauen Ruhrpott viel zu schrill und wird zur Dunkelhaft im Kleiderschrank verdonnert. Et cetera.

Heute wurde ich an einen eigenen solchen Fehltritt erinnert. Der Winter naht mit großen Schritten, also der ideale Zeitpunkt, das zu tun, was man über den ganzen Sommer hinweg vor sich hergeschoben hat. Bei mir heißt das gelegentlich „Aufräumen des Kleiderschranks“. Dabei bin ich auf ein Paar Schuhe gestoßen. Auf dem Boden lagen sie, ganz hinten an der Rückwand, unter einem Stapel mit nicht sortierter Socken (auch so eine Baustelle!) vergraben. Vier, fünf Jahre müssen sie da gelegen haben. Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber warum? Ich hatte sie doch wirklich gerne gekauft und getragen. Zumindest damals. Im Urlaub. An der Ostsee. Im Mai. Zur Rapsblüte.

Genau. Die Rapsblüte hatte den Ausschlag gegeben. Denn in genau so herrlich strahlendem Gelb, wie der Raps sich im Mai in Ostholstein präsentiert, hatten auch die Schuhe in dem kleinen Laden an der Strandpromenade um Käufer gebuhlt. Die schmalen schwarzen Zierstreifen hatten das Gelb noch betont. Anprobiert, für bequem befunden, gekauft. Und natürlich auch getragen.

Dann war der Urlaub zu Ende. Ich nahm die Schuhe natürlich mit nach Dortmund, wo ich und mein Lieblingsmensch wohnen. Dort waren mir noch paar freie Tage vergönnt, an denen ich die Schuhe natürlich auch trug. Ich trug sie sogar, als es am ersten Arbeitstag wieder ins Büro ging. Bis mein Kollege während der Mittagspause auf dem Weg in die Kantine sagte: „Ziehst du die morgen auch zum Heimspiel an?“

Es dauerte eine Weile, bis bei mir der Groschen fiel. Klar. Dortmund. Schwarz-gelb. Nix mit Raps – in Dortmund ist man als absoluter Fußball-Nihilist mit dieser Assoziation ziemlich alleine. Ende der Urlaubsillusion. Aber ich verstand, warum mein Lieblingsmensch mich gewarnt hatte, dass ich diesen Kauf noch bereuen würde.