Mit Familienanschluss…

… oder Wie meine Familie die DDR-Behörden austrickste.

Wie viele Familien hatte auch die meine Verwandte in der DDR, als diese noch existierte. Als die Mauer fiel, war ich gerade sechzehn, und es war ziemlich aufregend, wie einfach sich plötzlich die Familienbande pflegen ließen. Zuvor hatte man sich nur selten gesehen. Im Westen scheute man die Reise; zuviel hatte man über Autos gehört, die bei der Kontrolle von den Grenzern zwar auseinander-, aber nicht wieder zusammengebaut worden waren, und die pekuniäre Angelegenheit mit dem Zwangsumtausch war auch irgendwie blöde.

Die Verwandten von “drüben” wären gerne öfter zu Besuch gekommen, aber dafür musste es einen besonderen Anlass geben, wie etwa den runden Geburtstag eines sehr nahen Westverwandten, damit dem Wunsch auf Familienzusammenführung von staatlicher Seite stattgegeben worden wäre.

Aber es wurden viele Briefe geschickt und natürlich Pakete: Klamotten, Westlebensmittel, Spielzeug, Schallplatten und so weiter. Bücher von Westautoren waren auch beliebt. Natürlich musste der Lesestoff besonders sorgfältig ausgewählt werden, wurden Pakete doch regelmäßig darauf gefilzt, ob deren Inhalt auch keine Gefahr für den real existierenden Sozialismus darstellte. Es gab zum Glück einige Bücher, die eigentlich immer durchgingen. Weiterlesen

O-haue-ha!

Die gute alte Fernsehzeitung ist dank Internet mehr oder weniger aus der Mode geraten. Aber es gab Zeiten, in denen dieses Druckwerk unverzichtbar war. Besonders zu der Zeit, als ich Jugendlicher war. Jeden Donnerstag gegen fünfzehn Uhr begann das bange Warten. Denn dann Weiterlesen

Die hohe Kunst der Selbstblockade

Genau neun Monate nach dem hohe Wellen schlagenden Coming out von Thomas Hitzlsperger ist anscheinend wieder Ruhe bei bei allen Beteiligten eingekehrt. Business as usual scheint wieder an der Tagesordnung zu sein: Bunte Aktionen bei CSD-Paraden und eher nüchterne Dinge wie Talkshowauftritte der „üblichen Verdächtigen“. Ab und zu erreicht ein Musikvideo etwas mehr Aufmerksamkeit, wird wie geschnitten Brot im Social Network angepriesen und alle weisen darauf hin, wie wichtig das Video sei, man es unbedingt teilen müsse und wie schön es wäre, wenn der im Song angesprochene Tag doch endlich kommen würde. Dazu ganz viele „Likes“ bei Statusmeldungen mit Solidäritätsbekundungen. Dabei bleibt es dann meist auch.

Kürzlich gab es einen Handlungsstrang gegen Homophobie und homophobe Lehrpläne in der ältesten deutschen Daily Soap, doch wo ist das hauptsächlich zu finden gewesen? Auf den Fanseiten der Daily Soap an sich, und ich hab’s in Just Dave’s Blog gefunden. Aber dort, wo sonst auch über diese Sendung gesprochen wird, z. B. auf den Startseiten von eMail-Providern, die sich hauptsächlich über Werbung und Klatsch aus gerade solchen TV-Sendungen finanzieren und wegen ihres Gratiszugangs entsprechend viele Menschen ansprechen, war nichts zu lesen. Selbst wenn man es im Nachhinein per Suchmaschine ausfindig machen will, ist die Ausbeute eher dürftig.

Schade, dass auch die schwule „Gemeinschaft“, die den Schritt von Herrn Hitzlsperger so kontrovers diskutiert und somit das Generalthema eine Zeit lang lebendig gehalten hat, wieder so leise geworden und vielerorts in ihre alten Muster zurückgefallen zu sein scheint. Selbst von der vor fünf Monaten nach ihrem Sieg beim ESC noch als Galionsfigur gefeierten Conchita Wurst wird nicht mehr soviel gesprochen.

Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis wir im Zeichen des Regenbogens wirklich so in der Gesellschaft angekommen (nicht assimiliert!) sind, dass wir nur noch auffallen wie das Wappentier der ostfriesischen Nationalflagge*.

Das Problem ist bisweilen hausgemacht: Bereits zum diesjährigen Hafengeburtstag in Hamburg habe ich mich gewundet, warum es eine gesondert abgeteilte Gay-Area geben sollte. Auch zum unlängst zu Ende gegangenen Oktoberfest in München häuften sich in der „Community“ wieder die überschwänglichen Bekundungen, wie sehr man sich auf den reinen Gay-Abend freue.

Rufe nach Akzeptanz, Gleichberechtigung, Integration und Toleranz also hier, genussvoller Verzehr von Extrawürsten aber dort…? Da suche ich die Sinnhaftigkeit und frage mich, was hinter dem Enthusiasmus für rein schwule Areas auf Hafengeburtstag, Oktoberfest und was es sonst noch an großen Volksfesten gibt, steckt. Selbstbetrug? Angst vor der eigenen Chuzpe? Das blinde Auskeilen dessen, der unzufrieden mit sich selbst ist? PartyPartyParty-Egoismus? Oder „nur“ Gedankenlosigkeit?

Eigentlich ist es doch ganz einfach: Verzicht auf die Extrawürste, sich nicht hinter Promiidolen verstecken und rein in die Mitte. Sich sicht- und bemerkbar machen. Ohne großes Trara. So, wie man sich im Zug auf dem nächsten freien Sitzplatz niederlässt. Ein Foto vom Herzallerliebsten auf den Schreibtisch stellem. Kommentarlos, ohne dramatische Gesten. „Ich war mit meinem Mann am Wochenende im Kino“ genau so selbstverständlich sagen, wie der heterosexuelle Kollege „mit meiner Frau“ sagt. Auf ________________ (hier Volksfest nach Wahl einsetzen) mit allen anderen zusammen feiern oder gar nicht.

Der Rückzug in die eigenen Kasten setzt die falschen Signale. Wer nicht wie eine fremde Spezies behandelt werden will, tut sich selbst keinen Gefallen, wenn er sich genau so verhält. Oder?

Doch so einfach ist es scheinbar dann wohl wieder nicht. Denn müsste sich nicht zunächst intern, in der sogenannten „Gemeinschaft“, eine ganze Menge ändern? Etwa die Diskriminierung untereinander? „Bears“ gegen „Boys“, „Jeans & T-Shirt“ gegen „Leder“ und „Fummel“, Bartträger gegen Freunde der gepflegten Rasur, Conchita Wurst-Fans gegen jene, die andere Musik bevorzugen, und so weiter. Selbst die Organisatoren von CSD-Veranstaltungen, denen ja eigentlich gerade an Gemeinsamkeit und Miteinander gelegen sein sollte, sind in einigen Städten so zerstritten, dass es Konkurrenzveranstaltungen gibt.

Man sitzt im selben Boot, doch jeder rudert in eine andere Richtung? Es ist erschreckend, mit welcher Feindseligkeit die einzelnen Gruppen sich bisweilen gegenüberstehen. Die eine gönnt der anderen kaum das Schwarze unter den Fingernägeln oder den Lack darauf. Dagegen wirkt der aktuelle Konflikt Deutsche Bahn gegen GdL (die auch grade dabei ist, sich selbst das Wasser abzugraben, wie Spiegel Online sehr treffend feststellt) wie ein gemütliches Kaffeekränzchen.

In meinem Bekanntenkreis gibt es ein Paar, dem ich für die Erlaubnis danke, folgende Begebenheit wiedergeben zu dürfen. Die beiden – nennen wir sie Butch und Sundance – sind äußerlich zwei völlig verschiedene Typen: Butch ist über Fünfzig, etwas bullig, gut behaart, also ein „Bär“ nach Definition der „Gemeinschaft“. Sundance ist Mitte Zwanzig, schlank, athletisch und rasiert sich neben dem Kinn auch Brust und Beine – ein so genannter Twink. Vor einiger Zeit war Butch bei einem alten Freund zum Geburtstag eingeladen. Er ist gebeten worden, Sundance nicht mitzubringen. Nicht, weil Sundance schlechte Manieren hat. Nicht, weil Sundance beim letzten Besuch einen Silberlöffel hat mitgehen lassen. Nicht, weil Sundance ein Charakterschwein sein könnte. Sondern einfach, weil Sundance kein „Bär ist, und das passt einfach nicht zu der Runde, die ich mir wünsche.“

O-haue-ha, da liegt noch ein langer Weg vor uns, und das hat ausnahmsweise mal wenig bis gar nix mit homophoben Spinnern zu tun.


* Wer den Kalauer nicht kennt: Weißer Adler auf weißem Grund.

Werbelügen

Angefangen hat es mit Frauengold. Ein Werbeclip aus den 1950ern für dieses „Stärkungsmittel“ hat es bei YouTube zu einigem Kultstatus gebracht: „Was?! Keine Kapern?! Und SIE wollen ein Delikatessengeschäft sein?! Das ich nicht lache! Wie stellen Sie sich das eigentlich vor, Frollein?! Keine Kapern!“

Wäre es 1981 nicht wegen einiger krebserregender Inhaltsstoffe verboten worden (erstaunlich, dass das Suchtpotential bei über 16 % Alkoholanteil keine Rolle spielte!), wäre es vielleicht heute noch auf dem Markt und würde in schärfstem Zweikampf mit einem gewissen, von weiblichen Geistlichen hergestellten Kräutergeist um die Gunst der weiblichen Senioren unserer Nation buhlen. Frauengold wäre in seiner Oma-Mäßigkeit quasi das Tosca für die Innenanwendung.

Verflixt… ich schweife mal wieder ab. Jedenfalls habe ich gestern den Frauengold-Clip geschaut, und von da aus waren es nur noch ein paar Klicks zu anderen Werbefilmen der 1950er. In einem ging es um hohe Kochkunst. Da servierte die Hausfrau in schönstem Agfacolor einen herrlichen gedünsteten Blumenkohl am Stück. Richtig lecker sah er aus auf der Porzellanplatte mit dem Streublumenmuster, und es war klar: Am Montag gibt’s bei uns Blumenkohl! Und ich würde ihn genau so servieren wie im Werbefernsehen der Fifties!

Also ging mein Mann vorhin zum Grünhöker unseres Vertrauens und kam freudestrahlend zurück, weil Blumenkohl sogar im Angebot gewesen war. Stolz wuchtete er einen der weißen Köpfe mit dem vielen Grünzeug drum aus dem Korb.

„Ist nicht dein Ernst?“ fragte ich fassungslos.

„Wieso? Der sieht doch toll aus. Und groß ist er auch, nicht so mickrig wie sonst.“

„Aber das ist ja nur einer!“

„Das reicht doch. Hat man doch gestern in dem Werbefilm gesehen – da hat sich eine vierköpfige Familie einen Blumenkohl geteilt.“

Tz…!

Man sollte nicht alles glauben, was in der Reklame an Blödsinn vermittelt wird. Ein Blumenkohl für vier, dass ich nicht lache! Tünkram! Spijöök! Unfug! LÜGE!

Also muss ich gleich selber nochmal los und einen zweiten Blumenkohl besorgen..

Es wird wohl Zeit für ein Geständnis: Ja, ich kann einen ganzen Blumenkohl allein vertilgen. Pur. Ohne was dazu. Nur ’n lüttes büschen Muskatnuss drüber. Ich oute mich sozusagen als Blumenkohlvielfraß. Und in dieser Eigenschaft als unwillig zu teilen. Macht man mit einem Kosakenzipfel ja auch nicht!