Mal hü, mal hott

„Nein, das darfst du jetzt nicht. Ich muss hier erst bezahlen. Nein, auch nicht, wenn wir durch die Kasse durch sind. Es sind bloß fünf Minuten bis zu Oma. So lange kannst du nun wirklich noch warten und sitzen bleiben!“

Der kleine Knirps in seinem Kinderwagen vor mir in der Schlange an der Supermarktkasse tut mir richtig leid. Er möchte so gerne, aber er darf nicht. Und er weiß nicht, warum! Er will doch alles richtig machen. Er strengt sich so an – und weiß nicht, warum das nicht richtig sein soll.

Ist mir früher genau so gegangen wie ihm. Ein Kind zu sein ist wirklich kein Kinderspiel!

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Mol hü, mol hott

„Nee, dat dröffs du nu nich. Ik mutt hier erst betohlen. Nee, ook nich, wenn wi döör de Kass döör sünd. Dat sünd blots fief Minuten bit nor Oma. Solang kunnst du nu weerklich noch töven un sitten blieven!“

De lütte Buttscher in sien Kinnerwogen voor mi in de Schlange an de Supermorktkass deiht mi richtig leed. He much so gern, ober he dröff nich. Un he weet nicht, worüm! He wüllt doch alln’s richtig mooken. He strengt sik so an – un weet nich, worüm dat nich richtig sien schall.

Is mi freuher ook so gangen as ehm. Een Kind to sien is weerklich keen Kinnerspeel! Weiterlesen

Kinder und Besoffene….

… sagen immer die Wahrheit, heißt es im Volksmund. So manche leidgeprüfte Ehefrau wird dem von Herzen, widersprechen, wenn ihr Göttergatte das „Wir gehen nach der Arbeit noch einen trinken“ mal wieder sehr großzügig ausgelegt hat. Wenn er nämlich nuschelt „‚Swar wrklch… hicks… nur ein Bier…“, wird sie das automatisch als „ein Kasten Bier“ identifizieren. Und wer auch nur ein einziges Mal Erfahrung mit dem klassischen Eltern-Kind-Dialog „Was machst du da“ – „Nichts!“ sammeln durfte, wird diesen Spruch ebenfalls mit Freuden ins Reich der Legenden verbannen.

Vor einigen Jahren hatten mein Mann und ich die Stadt mal wieder für einen längeren Heimatbesuch gen Hamburg verlassen und deckten uns gerade in einem Supermarkt nahe beim Michel mit dem Nötigsten für die nächsten Tage ein. Erfahrungsgemäß ist die Kasse mit der kürzesten Schlange diejenige, an der es am längsten dauert. Also stellten wir uns dort an, wo wir noch zwei Leute mehr vor uns hatten. Wie es der Zufall wollte, stand eine Mutter vor uns, die ihren Sohn in dem praktischen Kindersitz des Einkaufswagens geparkt hatte.

Sie hatte einiges an Waren zusammengetragen, doch es war zu erahnen, dass der Kassiervorgang rasch und unkompliziert verlaufen würde. Diese Frau war nämlich von einer Aura der Kompetenz und Zielorientierung umgeben, dass wir in ihr eine Topmanagerin in Elternzeit vermuten. Das verriet allein schon ihre Kleidung aus den besten Läden des Bleichenviertels. Als sie auch noch anfing, ihre Einkäufe nach Warengruppen sortiert auf das Laufband zu sortieren, hatte sie ihren Spitznamen bei uns weg: Mutter Effizienzia.

So rasch, wie wir es erhofft hatten, ging es an dieser Kasse dann aber doch nicht vonstatten. Denn vor Mutter Effizienzia war noch eine Seniorin an der Reihe, die gelinde Schwierigkeiten hatte, das passende Münzgeld zusammenzusuchen. Aber mal ehrlich – kann man da böse sein? Seit der Euroeinführung fummeln doch eigentlich wir alle umständlicher als früher in den Portemonnaies herum, weil das Kleingeld so verdammt schwer auseinander zu halten ist. Und wer weiß, wie wir selbst mal drauf sind, wenn wir das Alter zwischen siebzig und Open End erreicht haben.

Während diese Transaktion also noch andauerte, begann Mutter Effizienzia, mit ihrem Sprössling herumzuplänkeln. Irgendwann sagte sie zu ihm: „Willst du der Mami nicht mal ein Küsschen geben?“

Daraufhin gab der pfiffig dreinblickende Bengel eine knappe, aber bestimmte Erklärung zur Lage ab: „Nö.“

Damit wollte Mutter Effizienzia sich aber nicht zufrieden geben: „Och, bitte – gib der Mami doch nur ein einziges klitzekleines Küsschen.“

Doch der Lütte blieb bei seinem „Nö“ und schüttelt heftig den Kopf. Obendrein verschränkte er die Arme vor der Brust.

Das ging noch ein paar Mal hin und her, bis Mutter Effizienzia die Mitleidswalze auflegte: „Damit machst du die Mama aber ganz traurig. Warum willst du der Mami denn kein Küsschen geben?“

Eigentlich war der lütte Buttscher noch viel zu jung für solch raffinierte Schachzüge, aber die Kunstpause vor seiner Antwort besaß ein so perfektes Timing, dass man eigentlich gar nicht anders konnte, als ihm blanke Absicht zu unterstellen. Denn der Bengel schaute seine Mutter lange an, wobei er gleichzeitig die Umstehenden genauestens zu taxieren schien. Und erst, als er sich sicher sein konnte, dass jeder, aber auch wirklich jeder seine Worte mitbekommen würde, tat der Junge kund, was er neulich per Zufall gesehen hatte und seine Mutter daran erinnerte, in Zukunft ganz genau darauf aufzupassen, wann welche Zimmertüren zuhause geschlossen zu halten waren.

So etwas hatte Hamburg lange nicht gesehen! Die Kassiererin ließ vor Lachen das Kleingeld fallen, an der inzwischen auch geöffneten Nebenkasse ließ ihre Kollegin den Kopf auf die Tastatur ihrer Kasse sinken und trommelte hysterisch mit einer Faust auf das Laufband, ein Azubi fiel beinahe von einer Leiter, meinem Mann und mir standen die Lachtränen in den Augen, und selbst die alte Dame griente vergnügt.

Manchmal stimmt der Spruch, das Kinder immer die Wahrheit sagen, eben doch – es passiert nur immer genau dann, wenn man es am allerwenigsten gebrauchen kann: „Du hast Papas Dingsmann in den Mund genommen!“