Der kleine Horrorbalkon

In den vergangenen Jahren haben mein Mann und ich es uns mit dem Balkon immer leicht gemacht: Einen der drei Balkonkästen haben wir mit Dekoartikeln wie einer auf antik getrimmten Amphore, etwas Nippes und am Ostsee- und Elbstrand gesammelten Kieseln hergerichtet, im anderen hat mein Mann typische Balkonblumen wie Geranien eingepflanzt. Im dritten Kasten war Tongranulat mit ein wenig Erde vermischt, so dass sich alles, was so an Samenkörnern vom Wind durch die Gegend geweht wurde, niederlassen und selbst aussäen konnte.

Das Ergebnis war meist mager. Für eine größere Ansiedlung optisch gefälligen Wildgrüns liegt unser Balkon zu geschützt, und das Bisschen, was dann doch hier einnistete und im wahrsten Sinne des Wortes Wurzeln schlug, war so schwach auf der Brust, dass der Sommer fast schon wieder vorbei war, noch bevor sich etwas so entwickelt hatte, dass man erkennen konnte, was es überhaupt war.

In diesem Jahr haben wir es anders gemacht. Kasten eins und zwei wurden wie gehabt hergerichtet, in Kasten drei kam frischer Mutterboden. Anschließend haben wir drei oder vier Tütchen gemischte Samenkörner ausgesät. Da das Ganze erstmal rein experimentell laufen sollte, haben wir einfach Mischungen für 49 Cent die Tüte aus dem Diskontsupermarkt genommen. Wenn auch nur die Hälfte davon angehen sollte, würde es schon okay sein.

Das war vor acht Wochen. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass scheinbar alle ausgestreuten Samenkörnchen angegangen sind, denn im Balkonkasten herrscht mächtig viel Leben. Er quillt förmlich über. Vor allem der Bienenfreund und die Stinkblumen (ja, ich weiß – die heißen Tagetes oder auch Studentenblumen, aber bi uns op’n Dörp haben wir sie wegen ihres bisweilen penetranten Duftes immer Stinkblumen genannt) breiten sich aus, dass es einer Invasion gleichkommt. Die anderen Blumen haben fast gar keine Chance. Das ist der einzige erkennbare Nachteil der Diskontermischung: Die ziemlich unausgewogene Zusammensetzung der Samenmischung. Der Züchter der Stinkblumensamen verdient mehr als die Züchter der anderen Sorten zusammen!

Aber egal – es wächst und gedeiht so üppig, dass ich gestern im Balkonkasten aufgeräumt habe. Ein paar der Stinkblumen wurden sorgfältig ausgegraben und in den Garten umgesiedelt, damit im Blumenkasten etwas mehr Platz für friedliches Miteinander der verschiedenen Blumensorten ist.

Noch geht alles gut. Nur eins weiß ich: Wenn mich eines Morgens beim Gießen eine der Stinkblumen anspricht und sich als Audrey II vorstellt, habe ich ein echtes Problem…