Hamburger Duo

Der Sommer 2016 lässt an diesem Sonnabend weiter auf sich warten, aber die Frühbucherrabattjäger haben ihre Städtereisen wahrscheinlich bereits im Februar (oder noch zeitiger) gebucht und sind inzwischen dabei, die Koffer zu packen. Für diejenigen, die keine Lust haben, in Hamburg nur das Standardprogramm aus Musical, Reeperbahn, Fischmarkt und Bötchen fahren auf Alster und Elbe abzuspulen, habe ich noch einmal in den großen Glückstopf gegriffen und zwei weitere Sightseeing-Tips ausgegraben.

Anders als die vor einiger Zeit vorgestellten „Geheim“-Tips sind diese zwar durchaus in Reiseführern zu finden, werden aber nicht so oft von Touristen angesteuert, weil sie etwas abseits der üblichen Pfade liegen. Zur besseren Orientierung empfehle ich, einen Stadtplan mitzunehmen.

Genug geschnackt. Los geht’s:

 

1. Hirschpark

Im Stadtteil Nienstedten gelegen, ist der Hirschpark mit fünfundzwanzig Hektar Fläche einer der größten Elbparks – und stellt doch nur gut ein Dreißigstel (!) des ursprünglichen Anwesens dar, das einst in etwa den kompletten heutigen Stadtteil Nienstedten sowie Teile von Blankenese umfasste.

Der Park geht auf den Hamburger Kaufmann Johan Cesar IV. Godeffroy zurück, dessen Enkel Johan Cesar VI. Godeffroy sich später den Beinamen „Südseekönig“ erwerben und das Kaufmannshaus Godeffroy zu seiner größten Blüte führen sollte.

Neben verschiedenen Gartenlandschaften mit einer großen Vielfalt an Rhododendren, Eichen, Ahornbäumen und anderen Pflanzen findet sich hier vor allem das Wildgehege, das dem Park seinen Namen gegeben hat. Ferner stößt man bei einem Rundgang auf das ehemalige Kavaliershaus des Anwesens, das heute ein Café beherbergt, und das Landhaus Godeffroy, in dem nun die Tanzschule von Lola Rogge untergebracht ist, welche von ihrer Tochter Christiane Meyer-Rogge-Turner geführt wird.

Am Südende verläuft der Blankeneser Kirchweg, der eine kleine Besonderheit aufweist: Scheinbar sinnlos wird er von einem kurzen Tunnel unterquert. Zu Zeiten von Johan Cesar VI. Godeffroy diente dieser Tunnel auf dem Godeffroy’schen Anwesen als Zugang zu einem heute noch existierenden Aussichtsplateau mit Blick vom Geesthang hinunter auf die Elbe, so dass man auf dem Weg dorthin nicht mit den Passanten auf dem Blankeneser Kirchweg in Berührung kam. Zur Erbauungszeit war dieser Tunnel von einem Relief geschmückt, welches das Urteil des Paris darstellte, heute ist der Tunnel deutlich nüchterner und erinnert eher an einen Bergwerkstollen. Es lohnt sich aber trotzdem, ihn auf dem Rundgang durch den Hirschpark mitzunehmen.

Und wie kommt man dort hin? Zwei Möglichkeiten sollen hier vorgestellt werden. Erstens: Mit der S-Bahn der Linie S1 fährt man vom Jungfernstieg aus nach Blankenese. Von dort geht man über die Dockenhudener Straße und die Elbchaussee bis zu deren Einmündung in den Mühlenberg. Am Mühlenberg befindet sich der Haupteingang, der zum bereits erwähnten Kavaliershaus führt.

Zweitens: Ab den Landungsbrücken fährt man mit der Hafenfähre, Linie 62 Richtung Finkenwerder, bis zum Anleger Neumühlen. Von dort aus läuft man den Elbuferweg für ca. 6 Kilometer (lang, aber atemberaubendes Panorama) bis zur Franz-Gartmann-Treppe, die durch Schautafeln am Wegesrand gekennzeichnet ist. Diese Treppe (Achtung: steil!) erklimmt man, bis man an der Straße In de Bost ankommt. Von hier zweigt man auf den Blankeneser Kirchweg ab, ein wunderschöner Fußweg durch den Wald, der das südliche Ende des Hirschparks berührt.

Wem Fußmarsch zu lang ist, der kann mit der Hafenfähre 62 auch bis zum Anleger Finkenwerder fahren und dort auf die Fähre der Linie 64 nach Teufelsbrück umsteigen, dies verkürzt den Fußweg zur Franz-Gartmann-Treppe auf gut 2,5 Kilometer.

 

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2. Altona – „von hinten angeschlichen“

Der Schellfischposten hat schon lange den Ruf, die älteste noch erhaltene echte Seemannskneipe Hamburgs zu sein. Wirklich berühmt geworden ist sie allerdings erst durch die TV-Sendung Inas Nacht mit Ina Müller. Sie ist sozusagen der stumme Star der Sendung und bekommt so neben den Akteuren die meiste Zeit on camera. Dadurch versäumt der Zuschauer eines der wenigen historischen Bauwerke Hamburgs, die in unmittelbarer Umgebung noch erhalten sind: Die Köhlbrandtreppe. Kaum zwanzig Meter vom Eingang zum Schellfischposten entfernt erhebt sich dieses imposante Bauwerk mit seinen aufwendigen Verzierungen, das früher zum täglichen Arbeitsweg tausender Hafenarbeiter gehörte.

Man erreicht sie, wenn man von den Landungsbrücken aus zunächst der St.-Pauli-Hafenstraße bis zum Fischmarkt folgt, diesen passiert und dann auf der Großen Elbstraße bis zum Schellfischposten geht (ca. 1,2 Kilometer). Wenn man die Köhlbrandtreppe hinaufgeht, erreicht man am oberen Ende einen der letzten echten Altbauten von Altona-Altstadt in Elbufernähe. Hier beginnt auch der Elbhöhenweg, den man als Ausgangspunkt längs des Elbufers über den Altonaer Balkon (tolle Aussicht auf das Dockland-Gebäude, das Kreuzfahrtterminal Altona, den Köhlbrand, die Köhlbrandbrücke sowie das Containerterminal Waltershof) und durch viele ehemalige private, heute öffentliche zugängliche Parks bis nach Wittenbergen noch hinter Blankenese führt, u. a. vorbei an den ehemaligen Anwesen von Salomon Heine, dem Onkel Heinrich Heines, und weiterer Hamburger Kaufmannfamilien.

Lässt man den Zugang zum Elbhöhenweg jedoch im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und geht geradeaus weiter, gelangt man nach gut hundertfünfzig Metern zur Palmaille, die im 18. Jahrhundert zu den teuersten Adressen im damals noch eigenständigen und lange Zeit zu Dänemark gehörenden Altona. Die Häuser mit ihren klassizistischen Fassaden sind fast durchgängig in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild erhalten, was man in dieser Ausdehnung nur noch selten in Hamburg findet.

Ans westliche Ende der Palmaille schließt sich die kurze Klopstockstraße an. Hier findet sich auch die Christianskirche mit der Grablege des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock und seiner beiden Ehefrauen.

Nach diesem kurzen Abstecher führt der Weg zurück zur Kreuzung Palmaille. Hier biegt man in die Max-Brauer-Allee ein. Dieser folgt man, vorbei am Altonaer Rathaus und dem Altonaer Museum, bis man schließlich den Altonaer Bahnhof erreicht. Architektonisch ist die aktuelle Bahnstation sicherlich keine Verbesserung gegen über dem alten Bahnhof, in dem sich heute das Rathaus befindet, dennoch ist er es zumindest für Eisenbahninteressierte durchaus wert, sich ein halbes Stündchen Zeit für ihn zu nehmen, denn in gut zehn Jahren soll dieser Kopfbahnhof der Vergangenheit angehören, weil einige hundert Meter weiter nördlich eine neue Station entstehen wird. Die Art, wie hier z. B. Autozüge beladen werden, ist einmalig in Deutschland: Statt über eine etwas abseits liegende Anlage, führt der Weg durch einen (hierfür vorübergehend für Fußgänger gesperrten) Teil des Personenbahnhofs und die ganz normalen Bahnsteige.

Wer sich für derlei nicht erwärmen kann, steigt einfach in die S1 oder S3 und fährt zurück zum Jungfernstieg…