KO oder OK?

Reisetagebuch 2018 – Teil 4

Hamburg – Mittwoch, 15.08.2018 – abends in der HafenCity

Junge, Junge – was für ein Tag. Da das Bergfest gestern schon war, gibt’s heute eine etwas verspätete Halbzeitbilanz „Hamburg 2018“:

Mir geht es gesundheitlich zwar besser als im letzten Jahr, aber wenn etwas rund dreiundzwanzig Jahre in dir schlummert, um irgendwann erneut fröhliche Urstände zu feiern, sollte man nicht mit einer Wunderheilung rechnen. So schön wie die Zeit bisher auch war – Weiterlesen

Hamburger Duo

Der Sommer 2016 lässt an diesem Sonnabend weiter auf sich warten, aber die Frühbucherrabattjäger haben ihre Städtereisen wahrscheinlich bereits im Februar (oder noch zeitiger) gebucht und sind Weiterlesen

Fünf etwas andere Tips für den Hamburg Trip

Nun ist der Januar schon fast halb rum – es dauert gar nicht mehr lange, dann beginnt wieder die Hochsaison für Städtereisen. Das merke ich vor allem daran, dass sich im Freundeskreis die Gespräche mehren, die mit der Einleitung „Du kennst dich doch in Hamburg so gut aus“ beginnen und mit der Bitte um entsprechende Empfehlungen enden.

Mit den üblichen Verdächtigen wie dem so oft besungenen Reeperbahnbummel in lauschiger Nacht oder dem Fischmarktbesuch brauche ich natürlich nicht um die Ecke zu kommen, die finden sich in jedem Stadtführer für drei fünfzig vom Ramschtisch im Supermarkt. Etwas, das nicht unbedingt diesen Massenprogrammen vertreten ist, soll es sein. Tscha, denn men to: Weiterlesen

Gegenwind

In Hamburg hat sich in diesem Jahr einiges getan. Nachdem es lange Zeit wirkte, als könnten die Gentrifizierer in ihrem Unterfangen, die Hansestadt komplett nach ihrer ganz eigenen Agenda zu gestalten verfremden, frei schalten und walten, stellen sich für die teils erheblichen Proteste endlich Erfolge ein.

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Für einige Gebäude(ensembles), darunter echte Hamburgensien wie die Esso-Häuser oder das Weiße Haus von Nienstedten, kommt dieser Erfolg leider zu spät. Doch an anderen Ecken hat sich das Blatt begonnen zu wenden oder war bereits erfolgreich darin. Auf dem Parkplatz der Zeisehallen in Ottensen, Bezirk Altona, etwa. Der ursprüngliche Bebauungsplan sah ein reines Wohnareal mit fünfzigprozentigem Anteil an Sozialwohnungen vor und wurde plötzlich in ein reines repräsentatives Businessgebäude umgewidmet. Da hatten die Investoren und auch Lokalpolitik aber die Rechnung ohne die Ottenser aufgemacht, obwohl sie es besser hätten wissen müssen: Der Neubau des Bahnhofs Altona Anfang der 1970er ist zwar errichtet worden, dafür ist es im selben Jahrzehnt aber gelungen, den Abriss altgewachsener Straßenzüge zugunsten einer modernen City West fast völlig zu verhindern. Auch wenn also nicht alle Protestbegehren der Vergangenheit erfolgreich waren, hat man sich den Protest an sich nie austreiben lassen. Erfolgreichen Aufbegehren gegen Gentrifizierung gab es in Ottensen also schon lange bevor der Begriff überhaupt geprägt war. Auf diese Tradition hat man sich in diesem Jahr wieder besonnen und mit einem Planungsstopp für die Bauarbeiten an den Zeisehallen einen beachtlichen Teilerfolg erzielt,

Am Marktplatz von Ottensen, dem Spritzenplatz, haben dieser Tage schon die ersten aufkeimenden Bürgerproteste ausgereicht um die Bezirksverwaltung Altona die Errichtung eines Neubaus nach Entwürfen des New Yorker Architekten Daniel Libeskind auf Eis zu legen. Zunächst soll ein neuer Bebauungsplan her, in dem die Grundbedingungen künftiger Neubauten komplett neu festgelegt werden sollen. Das Verfahren kann mehrere Jahre dauern und soll unter Bürgerbeteiligung durchgezogen werden.

Scheinbar hat die Lokalpolitik der Hansestadt aus dem Protest um die Esso-Häuser und dem erfolgreichen Volksentscheid gegen die geplante Seilbahn von St. Pauli zu den Musical-Theatern auf Steinwerder endlich gelernt, dass sich die Bürger a.) den Schneid und b.) ihr altes Stadtbild nicht um jeden Preis abkaufen lassen. Mit dem Signal „Fortschritt ja, aber nicht um jeden Preis und ohne Rücksicht auf Verluste“ streut man den Gentrifizierern mächtig Sand ins Getriebe. Kommt zwar für die eingangs genannten Bauten zu spät, lässt aber für die Zukunft hoffen.

Häppchenweise

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Moin! Zum Wochenende einfach mal wieder eine Häppchensammlung mit schönen Sachen, quasi als mentaler Aperitif.

Zitat-Happen

Ein Lächeln ist eine Kurve, die alles geraderückt. (Phyllis Diller)

Erinnerungs-Happen

Hamburg, Juli 2014. St. Pauli Landungsbrücken, Brücke 3. Blick auf die Elbe. Auf dem Strom zieht der Touristendampfer Louisiana Star auf Hafenrundfahrt vorbei. Hinter mir ein paar Touristen aus den US-Südstaaten, der Southern Drawl-Akzent, dickflüssig wie Schiffsdiesel, ist unverkennbar: „Whoay dou thaey imaytayte awr Missussipay-Staemurrs? Dair’re nawt even frum hair. Dis is sawch bullshet.“

Musik-Happen

Es lässt sich nicht leugnen: Das sommerliche Wetter ist ebenso vorbei wie das Goldene am Oktober. Zeit, die Sommerplaylist und die Sommeralben vom Smartphone runterzuschmeißen und das Winterrepertoire zusammenzustellen. Die ersten Album-Kandidaten: Billy Idol: Kings & Queens of the Underground – Mando Diao: Infruset – Garou: Version Intégrale – Minnie Driver: Sea Stories – Noa: Love Medicine – Curtis Stigers: Secret Heart – Rasmus Walter: Lige her, lige nu [Akustisk].

Unterwegs aufgeschnappt-Happen

Heute Morgen beim Edeka an der Kasse, die Kunden hinter mir: „Wollsse schomma bein Bäcker gehn, Küchsken für gleich nache Omma holn?“ Das kann man nicht mal mehr mit dem Urtümlichen eines Dialekts schönreden. Das tut einfach nur körperlich weh…

Freuden-Happen

Die Jahresabrechnung für Strom und Gas hat uns eine ordentliche Rückzahlung beschert. Schön, wenn die ergriffenen Maßnahmen was bringen und man so etwas Geld für den nächsten Urlaub zurücklegen kann.

Literatur-Happen

Ich liebe die plattdeutschen Kurzgeschichten von Matthias Stührwoldt. Witzig, bodenständig, ehrlich und ganz oft zu Herzen gehend. Den noch fehlenden älteren Band Gassi gahn und das gerade neu erschienene Buch Dat meiste geiht doch vörbi habe ich heute beim Bücherhöker meines Vertrauens bestellt und kann es morgen abholen. Lesestoff fürs Wochenende: Check!

Wochenendglückseligkeits-Happen

Mein Mann hat sich mal wieder selbstgebackene Franzbrötchen gewünscht. Wer kann bei diesem lieben Blick schon „Nein“ sagen?

Erkenntnis-Happen

Auch, wenn man sein altes eMail-Postfach schon über ein halbes Jahr nicht mehr nutzt, es aber aus Kündigungsfristgründen aber noch existiert, sollte man immer wieder mal reingucken – es könnte sich doch noch mal eine wichtige Nachricht anfinden…

Dumm gelaufen-Happen

Wochenausklangs-Latte Macchiato im Lieblingscafé. Der Gemahl hat einen Arzttermin, also gehe ich ausnahmsweise allein. Am Tisch gegenüber attraktive Frau von Anfang dreißig. Sie baut Blickkontakt auf, lächelt mir immer wieder zu. Kurz: Sie flirtet. Schmeichelhaft, aber aus bekannten Gründen sinnlos. Ich lächle bedauernd, halte die rechte Hand hoch und deute auf mein Rainbow-Armband. Sie versteht, doch statt die Sache mit Humor zu nehmen, wirft sie mir böse Blicke zu und einen Geldschein auf den Tisch und stapft wütend raus. Tja, wir sind wohl doch Ganoven…

Schönes Wochenende!!!

Sonntagszwischenruf

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Heute: Volksentscheid in Hamburg

Liebe Freunde und Leser in Hamburg,

heute besteht in den dazu eingeladenen Quartieren letztmals die Möglichkeit, bei einem Bürgerentscheid für oder (hoffentlich) gegen eine die Elbe überspannende Seilbahn zu stimmen. Dazu möchte ich euch noch einmal meinen

Blogeintrag „Killarney, Hamburg und das große Geld“

ans Herz legen (Klick auf den Link führt dorthin).

Bitte trefft eine kluge Entscheidung für eure Stadt, eure gemeinsame Geschichte, für das, was von der historischen Stadtansicht noch übrig ist und nicht durch Elbphilharmonie und Tanzende Türme korrumpiert wurde, und trefft sie für eure (Mit)Bürger. Nicht für den schnellen Tourismus- und Investorendollar.

Alles Gute, Hamburg!!!

Killarney, Hamburg und das große Geld

Die Sterne am Himmel, ein Paar blauer irischer Augen, das liebevolle Seufzen einer Mutter, die Natur, ein echtes Shamrock und den Blarney Stein – wenn man das alles kaufen kann, so besagt ein altes Lied, dann kann man auch das irische Städtchen Killarney kaufen.

Mir scheint, derzeit stürzen sich all jene, die an Killarney gescheitert sind, auf Hamburg. Es war über Jahrhunderte das Drama von Hamburg, dass der Senat ausschließlich mit Kaufleuten besetzt war, die bei allen politischen Entscheidungen nur das eigene und das wirtschaftliche Wohl der Stadt im Sinn hatten. Was darüber hinausging, wurde mit Desinteresse betrachtet. Das bedeutete mangelndes Geschick in allen anderen politischen Belangen, was Hamburg viele Opfer abverlangte. Vor allem beim Volk, das aufgrund dieser völligen Indolenz der Würdenträger in Hamburgs größten Blütezeiten immer auf der falschen Seite gestanden und alles andere als profitiert hat, was u. a. in der Choleraepidemie von 1892 gipfelte.

Was hat sich geändert? Polemisch betrachtet scheinbar nur dieses: Der Senat besteht nicht aus Kaufleuten, sondern aus Berufspolitikern und es gibt keine Cholera. Ansonsten wird weiter hauptsächlich dem Mammon gedient: Statt Dinge wie den Ausbau des U-Bahn-Netzes in sinnvoller Weise voranzutreiben, wird bei den Buslinien geflickschustert mit Maßnahmen, die nach wenigen Monaten wegen ihrer Sinnlosigkeit wieder rückgängig gemacht werden müssen oder das soziale Gefüge eines Quartiers nachhaltig verändern. Förderung von erschwinglichem Wohnraum für Otto und Ottilie Normalverbraucher? Fehlanzeige.

Hinzukommt die Gentrifizierung, ergänzt durch ein neues Wort: Disneyfizierung. Die alten Kieze auf St. Georg und vor allem auf St. Pauli werden durch Anzugträger von außerhalb überschwemmt, die die Stadt Hamburg allgemein und die Bevölkerung auf den Kiezen im Besonderen nicht einmal ansatzweise begriffen haben. Mit nichts als Dollarzeichen in den Augen werden historische Stadtbilder sowie über Jahrzehnte gewachsene Sozialstrukturen zunächst beschädigt und dann regelrecht vernichtet. Esso-Häuser ist nur eines der Stichworte. Die Tanzenden Türme ein anders. Dieser Glasmonolith passt in seiner Künstlichkeit bestens die HafenCity, aber partout nicht in das natürlich gewachsene St. Pauli. Gerade dieses Quartier wird vom Kiez, auf dem es auch mal nicht so schöne Anblicke gibt wie Stricher, die es ihrem Freier für ’nen Fünfziger extra auch mal ohne Gummi besorgen, zum garantiert jugendfreien Disneyland. Die Stadt verliert allmählich eine der wichtigsten Säulen ihrer Identität, und an anderen wie Eppendorf/Eimsbüttel/Harvestehude/Hoheluft (wertvolle Altbausubstanz, die Geschichte(n) erzählt, weicht seelenlosen Glaskästen, die obendrein wegen exorbitanter Immobilienpreise alteingesessene Bewohner entwurzeln) wird ebenso munter gesägt. Selbst die altehrwürdigen Kaufmannsvillen auf der Elbchaussee sind nicht mehr sicher davor, abgerissen und durch moderne Glaswürfel zu werden. Immer wieder hört man Nachrichten aus dem ganzen Stadtgebiet, dass einem historischen Gebäude mal wieder der Denkmalschutz entzogen wurde oder dass es in Kürze geschehen wird. Es ist erschreckend und einer so geschichtsträchtigen Stadt nicht würdig, wie leicht das zu sein geworden scheint.

All das geschieht, um noch mehr Touristen, noch mehr Unternehmen von außerhalb und vor allem noch mehr Geld in die Stadt zu holen. Einen Standort im Weltwirtschaftsgeschehen konkurrenzfähig halten zu wollen ist gewiss keine falsche Absicht, aber muss das zu Lasten der Identität, der Eigenlogik, der Eigendynamik dieses Standorts gehen? Muss man eine Stadt zum künstlichen Vergnügungspark umfunktionieren, in dem sich selbst Einheimische wie Gäste fühlen müssen?

Die neueste Idee der Disneyfizierer ist eine Seilbahn quer durch den Hafen. Das ganze wird manchmal als Verkehrsmittel zur schnellen Querung der Elbe verkauft, doch die Scheinheiligkeit dessen ist offensichtlich. Denn mal ganz ehrlich, wenn ich nur zu den beiden Musical-Theatern will, kann ich auch die extra dafür bereitgestellten Hafenfähren nehmen oder kann durch den alten Elbtunnel laufen.

Man stelle sich also nun dieses wunderbare Panorama vor wie hier im Bild vor, das künftig von einem Drahtseil durchschnitten wird, an dem immer wieder Gondeln mit gaffenden Menschen durchs Bild schweben. Wer wird davon hauptsächlich profitieren? Die Touristen und die Macher. Und die Lokalpolitik springt rollig drauf an wie eine notgeile Katze auf Baldrian. Kein Wort davon, wie es der Bevölkerung damit geht, wie die (ohnehin schon durch Elbphilharmonie & Co. eingeschränkten) historischen Sichtachsen auf die Stadt immer weiter ruiniert werden. Kein Wort von den täglichen Beeinträchtigungen für die direkte Nachbarschaft der Pylone und Stationen, wenn dort bis mitten in der Nacht der Antrieb röhrt. Hauptsache Geld.

Doch zum Glück regt sich Widerstand. Prominente Stimmen der Stadt erheben sich gegen die Seilbahn und ziehen die Bevölkerung mit. Man ist es satt, dass ständig über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden wird. In den direkt von der Seilbahn betroffenen Stadtteile (durch Infrastruktur, Touristenaufkommen etc.) ist daher u. a. eine Bürgerabstimmung im Gange, deren Ergebnis bindend sein wird. Dazu gehört auch St. Pauli. Dort ist man durch das Drama um die Esso-Häuser entsprechend sensibilisiert, und ich glaube, dadurch bestehen gute Chancen, den hypergentrifizierenden und disneyfizierenden Geldsäcken von außerhalb, die – ich wiederhole es gerne noch mal – Hamburg einfach nicht begriffen haben, klarzumachen, dass man nicht nur Killarney nicht kaufen kann. Auch bei Hamburg ist irgendwann Schluss.