Küchenkinder

Als ich noch ein Kind war, wusste ich immer ganz genau, wann der Frühling begonnen hatte. Dafür habe ich nicht mal einen Blick auf den ersten Krokus gebraucht. Aber wenn ich, so wie jeden Sonnabend, zum Mittagessen bei emienen Großeltern gegangen bin und mein Opa ist mal nicht dagewesen, habe ich sofort Bescheid gewusst. Opa ist nämlich immer in der letzten halben Stunde vor dem Essen zuhause gewesen. Darauf hat er bestanden: Um Punkt zwölf Uhr gibt das Mittag – und wehe dem, der dann nicht am Tisch gesessen hat!

Nur zu Frühlingsbeginn nicht, da ist er pflegeleichter gewesen. Weiterlesen

Köökenkinners

As ik noch ’n Kind weesen bün, heff ik jümmers ganz genau wusst, wann de Blöhtiet anfangen hett. Doföör heff ik nich mol ’n Blick op den eersten Krokus bruukt. Ober wenn ik so as jeden Sünnobend to’n Mittagessen bi mien Grootöllern gangen bün un mien Opa is mol nich do wesen, heff ik sofort Bescheed wusst. Opa is neemich jümmers in de lotern halve Stünn vöör’t Eten tohus wesen. Dorop hett he bestannen: Um Slag Klock twölf gifft dat Middag – un wehe den, wokeen nich pünktlich an’n Disch sitten hett!

Blots an’n Anfang vun’n Blöhtiet nich, do is he wat pflegelichter wesen. Weiterlesen

Zukunftspläne

Angefangen hat es mit einer Verzweiflungstat. Gestern Vormittag hatte ich noch auf dem Balkon gesessen – lesend, kaffeeschlürfend und wieder mal die Wetterfrösche verlachend, weil das Wetter wie fast immer viel besser war, als man uns zugestehen wollte. Aber auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, deshalb behielten sie mit der Prognose für den Nachmittag leider reicht.

Ebenso schnell wie die Sonne verzog sich auch meine Laune, denn Weiterlesen

48 Meter im Quadrat

Es ist Sonntagabend und ich sitze in einer kahlen Küche – auf dem Fußboden, mit dem Rücken an die Speisekammertür gelehnt. Das Klappern der Laptoptastatur klingt in dem fast leeren Raum unnatürlich laut.

Über dieses Wochenende ist die Weiterlesen

Modeläden

20141110-2Nun wohne ich ja schon eine ganze Weile mit meinem Mann in der Stadt an der Emscher. Obendrein in einem der gefragtesten Quartiere, und wir haben schon so einiges an Moden hier gesehen. Nein, nicht Plünnen, Kledaasche, Couture oder Klamotten – wie immer man es nennen will -, sondern welche Art von Ladengeschäft gerade en vogue ist. Man kann da einen regelrechten „Takt“ beobachten: In Jahr 1 macht irgendein Pionier mit seiner Geschäftsidee den Anfang, in Jahr 2 und 3 steigt die Zahl der Läden, die diese Geschäftsidee auch verfolgen, sprunghaft an, bis in Jahr vier allmählich der Niedergang beginnt und die ersten Läden wieder verschwinden. Dieses Jahr 4 ist dann gleichzeitig Jahr 1 für die nächste neue Idee

Zuerst fiel mir die extrem hohe Rate an Putzbüddeln (Friseuren) auf – jede Straße schien schon ihren eigenen Laden zu haben, als ich herkam, und es wurden trotzdem immer noch mehr.

Diese wurden aber dann doch weniger und es machte eine Pizzeria nach dem anderen auf. Das war auch der langlebigste Trend. Wann immer mein Mann oder ich nach Hause kam und berichtete „Der ________-Laden in der ________-Straße hat dicht gemacht“ kam die Antwort: „Ach, brauchen wir wieder ’ne neue Pizzeria?“ Es war die Pest. Warum bekamen wir nicht mal ein indisches oder skandinavisches Restaurant? In unserem kosmopolitschen und aufgeschlossenen Quartier wäre das wirklich mal eine echte Marktlücke gewesen.

Es folgten Caféhäuser, Einrichtungsläden, Waschsalons und so weiter. Selbst von den an manchen Ecken des Potts schon totgesagten guten alten Kiosks erlebten wir für eine Weile eine echte Schwemme. Bis die ersten wieder verschwanden und von jeder Sorte nur noch ein, zwei Läden mit unerschütterlich treuer Stammkundschaft überleben konnten.

Der neueste Trend sind Änderungsschneidereien, der allerdings jetzt schon wieder von Burger-Restaurants ohne Großkettenanschluss abgelöst wird, kaum dass er richtig begonnen hat.

Die Pizzerien (oder auch Döner- und Gyrosbuden) mal ausgenommen – futtern geht bekanntlich immer. Aber bei all den anderen Dingen will sich mir diese Nachahmer-Mentalität nicht erschließen. Es ist doch seit Urzeiten ein Gesetz von Angebot und Nachfrage, dass letztere irgendwann erschöpft ist, wenn ersteres im Überfluss da ist. Und dann setzt das Sterben ein.

Wenn in einem Quartier X einer Stadt also bereits zehn Läden für Idee Y vorhanden sind, obwohl das schon drei zuviel sind, warum tue ich es mir dann an, mich noch mit meinem elften Laden dazwischen zu quetschen? Verspricht der Kuchen der Gentrifizierung wirklich so viel, dass er so blind für die Gefahren macht, die entstehen, je später man sich einem Trend anschließt? Oder ist es Gedankenlosigkeit? Schauen sich die Leute in dem Quartier, in dem sie ihren Laden eröffnen wollen, vorher nicht genügend um? „Oh, da ist ein leeres Ladenlokal. Ziehen wir da doch mit unserer Tintentankstelle ein“ – dabei schön ignorierend oder gar nicht erst bemerkend, dass es drei Häuser weiter längs bereits eine gibt. Ist denn niemand da, der diese ambitionierten, ihren großen Traum leben wollenden, spannenden Menschen warnt und sagt, „Lass es hier lieber sein – hier gibt’s zuviel davon. In ’nem anderen Viertel hast du viel größere Chancen“??? Kein Banker, kein Immobilienmakler, kein Berater für Existenzgründer?

Man weiß es nicht. Schade nur um all jene, die am Ende ihren großen Traum begraben müssen, weil er von den Gesetzen der Gentrifizierung und der Mode aufgefressen wurde.

Das schmutzige Wort mit G

Lange kam unser Quartier in punkto wohnen ein wenig wie das sprichwörtliche Gallierdorf daher. Während alle anderen Ecken der Stadt mal schöner wurden, mal etwas mehr verkamen und vice versa, blieb hier eigentlich immer alles gleich. Ganz selten mal, dass ein Haus neue Fenster, ein neues Dach oder gar einen Anstrich bekam. Die einzige Veränderung war und ist, dass fast an jedem Wochenende in irgendeiner Straße ein Umzug stattfindet – was dann aber wiederum gleichzeitig eine der Konstanten ist, zeigt es doch, wie beliebt und erstrebenswert es nach wie vor ist, hier zu wohnen. Vor allem auch wegen seiner spannenden Mischung aus Studis, Künstlern, Arbeitern, Akademikern, Lebenskünstlern jeder Couleur und Nationalität in sympathischem Miteinander.

Seit etwas über einem Jahr hat sich das Bild gewandelt. Vor Häusern, von denen man dachte, ihre Besitzer würden sie eher einstürzen lassen, als dass sie auch nur einen Cent in den Erhalt investieren, schnellen plötzlich Gerüste in die Höhe. Auf einmal werden nun doch neue Fenster eingebaut, Dächer neu gedeckt, Fassaden gestrichen. Teilweise aufgegeben wirkende Gemäuer werden zu neuem Leben erweckt. Das Quartier wird schicker.

Mit der Optik ändert sich auch die Atmosphäre. Die Latte Macchiato-Muttis mit ihren Designerkinderwagen und den Kalendern voll mit Terminen zum Baby-Yoga sind angekommen. Noch nicht im Übermaß, aber genug, um unübersehbar zu sein. In einigen Cafés kehren jetzt die überteuerten Angestellten des lokalen Bolzvereins ein. Sehen und gesehen werden.

Wechsel bei den Geschäften: Bunte Sammelsurienläden weichen schicken Einrichtungsstudios, Alternatives dem Mainstream. Die etwas rummelige Pommesbude macht dem schicken Burgerladen (natürlich mit veganer Abteilung auf der Speisekarte) Platz.

 

Offen ausgesprochen habe ich das Wort hier noch nicht gehört, aber es schwebt unsichtbar über dem Quartier. Das böse Wort mit G. Gentrifizierung. Derzeit mit einem Fragezeichen dahinter. Doch zuckt es nicht manchmal, als wolle es sich in ein Ausrufzeichen verwandeln? So wie es in Hamburg, Frankfurt, München, Berlin längst geschehen ist?

 

Im Moment hält die Waage sich. Wie lange noch?