Wir bleiben zuhause

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich es mit dem Fernsehen nicht so habe. Ich finde es sterbenslangweilig, stundenlang auf diesen ollen Glotzkasten zu schauen. Montags, die dreißig Minuten für diese Sendung auf BBC Two sind gerade noch das, was ich an Geduld aufbringen kann. Und selbst da bin ich froh, dass die aktuelle Staffel nun nach achtundzwanzig Folgen endlich vorbei und bis Oktober Ruhe im Karton ist.

Aber mit zwei Mannsbildern auf achtundvierzig Quadratmetern musst du dir was einfallen lassen, Weiterlesen

Wi blifft tohuus

Jedeen, de mi kennt, weet, datt ik dat nich so mit fernsehen heff. Ik find dat starvenslangwielig, stündenlang op diesen ollen Glotzkasten to kieken. Maandags de dörtig Minuten föör düsse Sendung op BBC Two is grad noch dat, wat ik an Geduld opbringen kann. Un sölvs do bin ik froh, dat de aktuelle Staffel nu no achtuntwintig Folgen endlich vörbi un bit Oktober Ruh in’n Karton is.

Aber mit twee Mannsbilder op achtunveertig Quadratmeter mutt du di wat infallen loten, Weiterlesen

Veränderung

Veränderung gehört zum Leben wie das trashige zum Eurovision Song Contest. Man mag das nicht immer leiden, aber es ist immer dabei, ob du das nun willst oder nicht. Kann man nicht gegen machen.

Dieser Tage ist mein Mann ziemlich missgelaunt. Weiterlesen

Verännerung

Verännerung gehört to’t Leven as dat „trashige“ to’n Eurovision Song Contest: Een much dat nich jümmers lieden, ober dat ist jümmers dorbi, ob du dat nu wüllst ode nich. Kannst nix gegen moken.

Düsser Doge is mien Mann bannig füünsch. Weiterlesen

Ring Ring – telefonier‘, es ist frei!

Ja, auch ABBA haben sich im deutschen Idiom versucht. Nicht lange, und ich glaube, auch nicht sehr erfolgreich. Jedenfalls haben sie auch ihren ersten Versuch, beim Eurovision Song Contest anzutreten, in unserer Sprache aufgenommen. Neben der o. g. Aufforderung wurde auch eine Telefonnummer genannt, derer man sich dafür bedienen sollte.

Es ist hinlänglich bekannt, was für kuriose Blüten die Medienwelt treiben kann: Weiterlesen

Denn sie fahren hinaus auf das Meer

Wer gelegentlich was für humoristische Autoren übrig hat, kennt die herrlichen Glossen von Erma Bombeck über das traute Familienleben. Zu den witzigsten gehören jene über den Moment, wenn Weiterlesen

Der Welthit aus dem Treppenhaus

Am Anfang stand ein Misserfolg. Genau wie der Eurovision Song Contest ist das alljährliche San Remo Festival eigentlich ein Komponistenwettbewerb, auch wenn in der öffentlichen Wahrnehmung die Sänger größere Aufmerksamkeit genießen.

Um die tatsächlichen Weiterlesen

Musikstunde

Es ist inzwischen nicht mehr zu übersehen: Der Eurovision Song Contest in Wien kommt mit großen Schritten auf die Musikwelt zu. Heute in vier Wochen ist er bereits Geschichte.

An meinem vor gut einem Jahr -> hier erklärten Ausstieg Weiterlesen

Die hohe Kunst der Selbstblockade

Genau neun Monate nach dem hohe Wellen schlagenden Coming out von Thomas Hitzlsperger ist anscheinend wieder Ruhe bei bei allen Beteiligten eingekehrt. Business as usual scheint wieder an der Tagesordnung zu sein: Bunte Aktionen bei CSD-Paraden und eher nüchterne Dinge wie Talkshowauftritte der „üblichen Verdächtigen“. Ab und zu erreicht ein Musikvideo etwas mehr Aufmerksamkeit, wird wie geschnitten Brot im Social Network angepriesen und alle weisen darauf hin, wie wichtig das Video sei, man es unbedingt teilen müsse und wie schön es wäre, wenn der im Song angesprochene Tag doch endlich kommen würde. Dazu ganz viele „Likes“ bei Statusmeldungen mit Solidäritätsbekundungen. Dabei bleibt es dann meist auch.

Kürzlich gab es einen Handlungsstrang gegen Homophobie und homophobe Lehrpläne in der ältesten deutschen Daily Soap, doch wo ist das hauptsächlich zu finden gewesen? Auf den Fanseiten der Daily Soap an sich, und ich hab’s in Just Dave’s Blog gefunden. Aber dort, wo sonst auch über diese Sendung gesprochen wird, z. B. auf den Startseiten von eMail-Providern, die sich hauptsächlich über Werbung und Klatsch aus gerade solchen TV-Sendungen finanzieren und wegen ihres Gratiszugangs entsprechend viele Menschen ansprechen, war nichts zu lesen. Selbst wenn man es im Nachhinein per Suchmaschine ausfindig machen will, ist die Ausbeute eher dürftig.

Schade, dass auch die schwule „Gemeinschaft“, die den Schritt von Herrn Hitzlsperger so kontrovers diskutiert und somit das Generalthema eine Zeit lang lebendig gehalten hat, wieder so leise geworden und vielerorts in ihre alten Muster zurückgefallen zu sein scheint. Selbst von der vor fünf Monaten nach ihrem Sieg beim ESC noch als Galionsfigur gefeierten Conchita Wurst wird nicht mehr soviel gesprochen.

Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis wir im Zeichen des Regenbogens wirklich so in der Gesellschaft angekommen (nicht assimiliert!) sind, dass wir nur noch auffallen wie das Wappentier der ostfriesischen Nationalflagge*.

Das Problem ist bisweilen hausgemacht: Bereits zum diesjährigen Hafengeburtstag in Hamburg habe ich mich gewundet, warum es eine gesondert abgeteilte Gay-Area geben sollte. Auch zum unlängst zu Ende gegangenen Oktoberfest in München häuften sich in der „Community“ wieder die überschwänglichen Bekundungen, wie sehr man sich auf den reinen Gay-Abend freue.

Rufe nach Akzeptanz, Gleichberechtigung, Integration und Toleranz also hier, genussvoller Verzehr von Extrawürsten aber dort…? Da suche ich die Sinnhaftigkeit und frage mich, was hinter dem Enthusiasmus für rein schwule Areas auf Hafengeburtstag, Oktoberfest und was es sonst noch an großen Volksfesten gibt, steckt. Selbstbetrug? Angst vor der eigenen Chuzpe? Das blinde Auskeilen dessen, der unzufrieden mit sich selbst ist? PartyPartyParty-Egoismus? Oder „nur“ Gedankenlosigkeit?

Eigentlich ist es doch ganz einfach: Verzicht auf die Extrawürste, sich nicht hinter Promiidolen verstecken und rein in die Mitte. Sich sicht- und bemerkbar machen. Ohne großes Trara. So, wie man sich im Zug auf dem nächsten freien Sitzplatz niederlässt. Ein Foto vom Herzallerliebsten auf den Schreibtisch stellem. Kommentarlos, ohne dramatische Gesten. „Ich war mit meinem Mann am Wochenende im Kino“ genau so selbstverständlich sagen, wie der heterosexuelle Kollege „mit meiner Frau“ sagt. Auf ________________ (hier Volksfest nach Wahl einsetzen) mit allen anderen zusammen feiern oder gar nicht.

Der Rückzug in die eigenen Kasten setzt die falschen Signale. Wer nicht wie eine fremde Spezies behandelt werden will, tut sich selbst keinen Gefallen, wenn er sich genau so verhält. Oder?

Doch so einfach ist es scheinbar dann wohl wieder nicht. Denn müsste sich nicht zunächst intern, in der sogenannten „Gemeinschaft“, eine ganze Menge ändern? Etwa die Diskriminierung untereinander? „Bears“ gegen „Boys“, „Jeans & T-Shirt“ gegen „Leder“ und „Fummel“, Bartträger gegen Freunde der gepflegten Rasur, Conchita Wurst-Fans gegen jene, die andere Musik bevorzugen, und so weiter. Selbst die Organisatoren von CSD-Veranstaltungen, denen ja eigentlich gerade an Gemeinsamkeit und Miteinander gelegen sein sollte, sind in einigen Städten so zerstritten, dass es Konkurrenzveranstaltungen gibt.

Man sitzt im selben Boot, doch jeder rudert in eine andere Richtung? Es ist erschreckend, mit welcher Feindseligkeit die einzelnen Gruppen sich bisweilen gegenüberstehen. Die eine gönnt der anderen kaum das Schwarze unter den Fingernägeln oder den Lack darauf. Dagegen wirkt der aktuelle Konflikt Deutsche Bahn gegen GdL (die auch grade dabei ist, sich selbst das Wasser abzugraben, wie Spiegel Online sehr treffend feststellt) wie ein gemütliches Kaffeekränzchen.

In meinem Bekanntenkreis gibt es ein Paar, dem ich für die Erlaubnis danke, folgende Begebenheit wiedergeben zu dürfen. Die beiden – nennen wir sie Butch und Sundance – sind äußerlich zwei völlig verschiedene Typen: Butch ist über Fünfzig, etwas bullig, gut behaart, also ein „Bär“ nach Definition der „Gemeinschaft“. Sundance ist Mitte Zwanzig, schlank, athletisch und rasiert sich neben dem Kinn auch Brust und Beine – ein so genannter Twink. Vor einiger Zeit war Butch bei einem alten Freund zum Geburtstag eingeladen. Er ist gebeten worden, Sundance nicht mitzubringen. Nicht, weil Sundance schlechte Manieren hat. Nicht, weil Sundance beim letzten Besuch einen Silberlöffel hat mitgehen lassen. Nicht, weil Sundance ein Charakterschwein sein könnte. Sondern einfach, weil Sundance kein „Bär ist, und das passt einfach nicht zu der Runde, die ich mir wünsche.“

O-haue-ha, da liegt noch ein langer Weg vor uns, und das hat ausnahmsweise mal wenig bis gar nix mit homophoben Spinnern zu tun.


* Wer den Kalauer nicht kennt: Weißer Adler auf weißem Grund.

Gratulation, Conchita

ESC_neuGut eine Woche ist es jetzt her, seit Conchita Wurst für Österreich den Eurovision Song Contest 2014 gewonnen hat, und dafür meine Gratulation. Auch wenn ich bereits erwähnt hatte, dass Conchitas Song überhaupt nicht meine Kragenweite ist, meine ich das ehrlich und von Herzen. Denn: Einen einzigen Enthusiasten für etwas zu finden schafft man irgendwie immer. Aber Millionen von Menschen so für sich zu gewinnen, dass man es damit schafft, einen solchen Wettbewerb zu gewinnen, ganz egal, ob nun rein von der musikalischen Seite betrachtet oder von der Strahlkraft einer Botschaft – dazu gehört was.

Ironischerweise ist der Live-Moment von Conchitas Sieg an mir vorbeigegangen, denn ich habe das Grand Final des ESC gar nicht geschaut. Ganz unerwartet läutete am Sonnabend kurz vor dem Abendessen gegen achtzehn Uhr noch der Paketbote und brachte ein Buch, das ich schon vor Wochen bestellt hatte. Also habe ich es mir mit einem Glas Sherry und dem Buch Blood Maidens bequem gemacht statt mich an den Fernseher zu ketten.

Am nächsten Morgen bin ich aufgestanden, hab gefrühstückt, war zum Lauftraining. Beim zweiten Kaffee danach dann Ereignischeck bei F. A. Z. und Hamburger Abendblatt. Wahrgenommen, das Conchita gewonnen hat, genickt, „Glückwunsch“ gemurmelt, zum Tagesgeschehen übergegangen. Nachzuschauen, wie meine Favoriten Niederlande und Norwegen abgeschnitten haben, ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Warum auch? Hätte das Wissen über deren Platzierung wo auch immer etwas an meiner Zuneigung für diese Lieder geändert? Nein. Spielt der Wettbewerb dann überhaupt eine Rolle? Nein.

What a Difference a Day Book Makes, denn dieser spontane Leseabend hat mich an etwas erinnert, was ich schon 2010 beim Sieg von Lena mit ihrem Satellite gemerkt hatte.

Kurzer Rückblick: 1982 brachte den ersten ESC, den ich schauen durfte. Zumindest bis zum Auftritt von Nicole, dann machte meine Mutter von ihrem elterlichen Hoheitsrecht – gegen das man als 9jähriger keine Vetomacht hat – Gebrauch und schickte mich ins Bett. Das Voting und den eigentlichen Sieg verpasste ich also. Von da an habe ich jedes Jahr mit Begeisterung und Spannung sowohl wegen der Musik als auch wegen des Wettbewerbs geschaut, denn ich wollte ein einziges Mal komplett mitbekommen, dass Deutschland den „Pott“ nach Hause holt. Das ist 2010 geschehen, und schon während Lenas Reprise bei laufendem Abspann überkam mich so ein Gefühl von „Tja, das war’s dann wohl, Wunsch erfüllt, Zeit für neue Dinge.“

2011 und 2012 habe ich dann auch prompt lieber mit meinem Mann in Hamburg im Theater gesessen statt vor dem Fernseher – ohne das Gefühl irgendetwas verpasst zu haben. 2013 dann noch einmal ein kleines Aufflackern, als ich mich nochmal auf die insgesamt sieben Stunden TV eingelassen habe. Doch da fehlte was. . Der Spaß am Zusammenspiel von Kunst und Trash, der Spaß am Wettbewerb, an der riesigen Show, dem Lästern, dem Drumherum – dieses gewisse Etwas, das mich so lange begeistert hatte, war weg, und es ist weg geblieben. Während des ersten Semis in diesem Jahr bin ich sogar eingeschlafen, was mir früher nie passiert wäre. Der ESC triggert einfach nix mehr in mir.

„Wus geven is geven is nitu“ – „was gewesen ist gewesen ist nicht da“, heißt es in einem jiddischen Traditional. Und es stimmt. Es gibt Dinge im Leben, die sind irgendwann einfach vorüber und kommen nicht mehr zurück. Also wird’s Zeit, loszulassen. Tschüß, ESC.

Sorry, Conchita

ESC2bGestern hatte mein Mann Geburtstag, darum ist die Live-Übertragung des zweiten Semifinale beim diesjährigen Eurovision Song Contest in wonderful, wonderful Copenhagen völlig an mir vorbeigegangen. Aus einer im wahrsten Sinne des Wortes Bierlaune heraus haben wir uns aber noch in einem gemütlichen Popcorn-Camp auf dem Wohnzimmersofa bis in die Morgenstunden hinein sowohl das erste als auch das zweite Semi in der Aufzeichnung angeschaut, virtueller TV-Recorder sei Dank.

Heute Morgen dann ein kleiner Klönschnack mit einem Bekannten. „Und?“ so die gespannte Frage. „Hättest du gestern für Conchita Wurst gestimmt? Kriegt sie morgen deine Stimme?“ – „Öhm, nein und nein.“ – „Aber du musst doch für sie stimmen! Von wegen schwule Ikone und so und als Statement gegen die Homophoben.“

Nö.

Ich – genau wie jeder andere Homosexuelle – muss nicht etwas automatisch gut finden, nur weil es andere Gays gut finden. Madonna ist auch schwulbeliebt – ich kann sie trotzdem nicht ausstehen.

Auch als Abgeber oder Unterstützer von Statements möchte ich mich nicht einspannen lasen. Ich gebe das ganze Jahr über im Großen und Kleinen, öffentlich und privat, -> hier oder -> dort genug Statements zum Thema ab… da behalte ich mir die Freiheit vor, den Eurovision Song Contest als reine Unterhaltung zu genießen. Es mag altmodisch sein, aber von mir wird am Sonnabend nicht das Lied mit dem größten Massenappeal bzw. der größten (gesellschafts)politischen Strahlkraft mein Daumendrücken und evtl. Stimmen beim Televoting bekommen, sondern das Lied, das mich ganz persönlich am meisten innerlich berührt hat.

Und das ist nun einmal nicht Conchita Wursts Rise Like a Phoenix. Ganz einfach, weil mich dieses Lied nicht anspricht, es löst in mir nichts aus, es lässt mich unbeeindruckt. Tut mir leid, Conchita – ich sag‘ ja nicht, dass du schlecht bist. Handwerklich gab’s an deinem Auftritt überhaupt nichts auszusetzen. Aber deine Musik und ich passen einfach nicht zusammen. Such is life.

Verstehen wir uns nicht falsch: Wenn Conchita Wurst gewinnen sollte, ist das eben so und es sei ihr gegönnt. Das gilt aber auch für jeden anderen in Kopenhagen antretenden Künstler und seine Fans.

Trotzdem gehören meine Sympathie und meine Punkte beim Televoting am Sonnabend einem anderen Beitrag aus den Semis, über dessen Sieg ich mich noch viel, viel mehr freuen würde, weil Song, Künstler und Vortrag für mich einfach perfekt zusammenpassen und mir positive Gänsehaut bereitet haben. Er wird’s wohl nicht schaffen, das zeigt die Resonanz auf Conchita Wurst. Und sie hat’s ja auch verdient wie jeder andere, der sich einem solchen Publikum stellt. Aber versteht – und vor allem: akzeptiert – doch bitte: Ein anderes Lied hat mein Herz erobert, deshalb hat dieses und nur dieses meine volle Unterstützung.

Diese Ansicht hat mir dann von o. g. Bekannten einen hier wegen seiner Wortwahl nicht wiedergebbaren Rüffel sowie die Facebook-Entfreundung eingebracht.

Hm. Wie ist das Credo in der „Community“ noch? Sei wie du bist, steh zu dir, bleib dir selber treu, lass dich nicht verbiegen? Akzeptanz und Toleranz für alle? „I am what I am and what I am needs no excuses“? Der ganze Zisslaweng?

Klingt verlockend, scheint aber, wenn es jemand wirklich lebt, in Scherben der Theorie zu zerfallen.

Dabei steht Conchita doch angeblich für genau das Gegenteil.