Häppchenweise

Zum Wochenausklang mal kein langer Text, sondern nur ein paar kleine Häppchen, die sich den Tag über ergeben haben.

Foto-Happen:

Ruine der 1918 zwar nahezu fertiggestellten, aber nie in Betrieb gegangenen und anschließend verfallenen Station Beimoor der Hamburger Hochbahn. Die neue Geisterschichte nimmt Form an.

Musik-Happen:

Bei YouTube habe ich mein Lieblingslied von Esther Ofarim, Morning of My Life, in einer besonderen Version gefunden, die sie gemeinsam mit den Bee Gees aufgenommen hat, bevor diese den Disco-Falsett für sich entdeckt haben. Gefällt mir besser als die Duett-Version mit Abi. Suchbegriff: esther ofarim bee gees morning.

Wort-Happen:

Haberdashery – ich mag dieses Wort aus dem British English. Es klingt so großartig, kühn, verwegen, dabei heißt es einfach nur Kurzwaren. Aber warum sollen Knöpfe, Reißverschluss & Co. nicht auch mal großartig klingen?

Küchen-Happen:

Auf besonderen Wunsch eines vereinzelten Ehemannes gab’s bei uns heute Bauernfrühstück:

Pro Nase je 150 g gekochte Kartoffelwürfel und Erbsen/Möhren, ½ EL fein gewürfelte Zwiebeln, 2 Eier, etwas Milch. Für Fleischesser: 1/2 TL feine Speckwürfel zum Auslassen und 150 g Fleischwurst, fein gewürfelt. Für Vegetarier: Pflanzenfett zum Anbraten und anderes feines Gemüse nach Geschmack wie Maiskölbchen. In einer Pfanne Speck auslassen/Pflanzenfett erhitzen. Kartoffelwürfel, Zwiebelwürfel ( und Fleischwurst) in die Pfanne geben, braten und anbräunen. Erbsen und Möhren (und zusätzliches Gemüse) hinzugeben, erhitzen. Eier mit Milch verquirlen, salzen & pfeffern, in die Pfanne geben und unterrühren. Wenn das Ei gestockt und leicht angebräunt ist, Bauernfrühstück servieren.

Freuden-Happen:

Per eMail erreichte mich eine wunderschöne Reaktion auf mein Buch Frag doch das Vanilleeis: Holger und Christoph seien so lebensnah gezeichnet, die wünscht man sich als echte Freunde. Ich kann kaum beschreiben, wie mir da das Herz aufgegangen ist!

Genuss-Happen:

Seit Kindertagen begleitet mich die Stimme der großartigen Marianne Kehlau in unzähligen Hörspielen. Heute Abend gönne ich mir wieder einmal mein Lieblingsstück mit ihr, Gräfin Dracula – Tochter des Bösen von 1981. Sie zieht alle Register – verführt wie ein Vamp, wütet wie eine Furie. Und man hört ihr, die sonst eher auf liebe alte Damen und Königinnen abonniert war, den Spaß an, den sie dabei hatte, einmal richtig böse sein zu dürfen. In über dreißig Jahren bestimmt hunderte Male gehört – und ihr immer noch nicht überdrüssig geworden. Im Gegenteil! Noch heute läuft es mir bei diesem Satz eiskalt den Rücken runter: „Sie können sich Zeit lassen. Ich mag Gäste, die sich Zeit lassen. Und ich bin froh über junge Gäste, so wie sie. Junges Blut ist ungeduldig, aber es ist auch voller Kraft und Hitze.“

Schauder!

Verwunderungs-Happen:

Allmählich kommt heraus, dass über 2/3 der Ice Bucket Challenge-Spenden nicht in die Forschung fließen, sondern in andere Dinge wie Gehälter. Das einzig Überraschende daran ist doch nur, dass davon jemand überrascht ist.

Zitat-Happen:

„Wenn du für Schwulenrechte eintrittst, musst du doch selber schwul sein.“ – „Ich trete auch für Tierrechte sein. Sehe ich deswegen aus wie ein Alpaka?“ (aus dem Web)

Achselzuck-Happen:

Eben höre ich von meinem Mann, dass das Maggi-Kochstudio bei uns in der Fußgängerzone geschlossen hat. Nichts könnte mir gleichgültiger sein, wir haben für diesen Laden nie Bedarf gehabt. Wir können kochen. Also, richtig kochen. Schade nur um die Karrieregirls. Wo sollen die jetzt ihr Maggi Fix für Nudelwasser herkriegen?

Schönes Wochenende!

Es weihnachtet sehr…

Wenn wir uns in etwa drei Monaten dazu entscheiden, Judy Garlands Have Yourself a Merry Little Christmas zu spielen (oder das Radio uns Last Christmas aufnötigt), ist das jahreszeitlich angemessen. Schließlich ist der 30. November in diesem Jahr auch der Tag, an dem wir die erste Kerze auf unserem Adventkranz anzünden.

Als diese Aufnahmen zum allerersten Mal erklungen sind, kann dem nicht so gewesen sein. Ein Blick auf diverse Webseiten verrät, dass etwa Doris Day ihr Silver Bells am 17. Juni 1964 aufgenommen hat, und Connie Francis hat für White Christmas am 23. August 1959 im Studio gestanden. Mitten im Sommer also. Wenn alle Welt Eis am Stiel lutscht, in Flip-Flops rumläuft, Ventilatoren Hochsaison haben und abends im Bett selbst ein hauchdünnes Laken aus feinster Seide viel zu warm ist. Ich habe Frau Day und andere Künstler immer dafür bewundert, wie sie es trotzdem geschafft haben, dass ihre Weihnachts-LPs sich hinterher anhörten, als wären sie im Rollkragenpullover vor einem knisternden Kaminfeuer aufgenommen worden, während sich draußen vor der Berghütte der Neuschnee auftürmt.

Mir will das nämlich nicht so recht gelingen. Keine Panik! ich strebe keine neue Karriere an, bei der ich die Welt mit meinem Gesang (andere nennen es Hyänengeheul) beglücken werde.

Aber ich stecke im selben Vorbereitungsdilemma: Das Schreiben meiner Geistergeschichte Das Nebelschiff hat solche Freude bereitet, dass zur Weihnachtszeit eine weitere erscheinen soll, natürlich saisonal eingefärbt. Dafür muss ich sie erst einmal schreiben. Doch an Schneefall, Gänsebraten und heißen Eierpunsch zu denken ist schwerer als gedacht, wenn man selbst in Shorts rumläuft und Getränke aus dem Kühlschrank schlürft.

Vielleicht hätte ich eher damit beginnen sollen. Noch am Montag und Dienstag war das Wetter kalt und unfreundlich genug. Seit gestern ist das Thermometer wieder auf über zwanzig Grad hochgeschnellt, der Himmel ist blau, die Sonne strahlt. Da möchte ich lieber von einer Bootsfahrt auf der Elbe schreiben statt darüber, wie eine emsige Köchin bei höheren Herrschaften eine prächtig gefüllte Gans in die Bratröhre schiebt.

Mein Mann ist auch keine Hilfe. Gerade kam er vom Grünhöker wieder und brachte mir ein dickes Stück Wassermelone an den Schreibtisch und verkündete, dass es zum Mittagessen eine Bickbeerenkaltschale* gibt.

Das ist glatte Sabotage.

* Bickbeeren = Heidelbeeren. Greetings to Austria!

Walzer für eine Hamburger Deern

HeidiKabel100Jedesmal, wenn ich Ron Goodwins Venus Walzer höre, denke ich nicht an die Ballsaison in englischen Seebädern wie Blackpool oder Torquay, sondern ich sehe eine naseweise Frau mit Hamburger Zungenschlag, die neben einem pensionierten Beamten beim Erklingen dieses Liedes für einen Moment ihre Biestigkeit vergisst und sich selig im Walzertakt wiegt. Das alles im schmucklosen Treppenhaus einer Mietskaserne irgendwo in Hamburg. In Barmbek, auf der Veddel, in Altona, in Wandsbek, selbst auf der Margarineseite (also der nördlichen Seite der Elbchaussee) von Blankenese … es hätte in jeden Stadtteil gepasst.

Ganz sicher geht es vielen anderen genau so, wenn sie zusätzlich drei Begriffe hören: Ohnsorg TheaterTratsch im Treppenhaus – Heidi Kabel.

Aber Heidi Kabel war mehr als eine Volksschauspielerin, die diese, im „seriösen“ Feuilleton eher abfällig gemeinte Titulierung stets als größtes Kompliment empfunden hat. Und recht hatte sie. Ein paar hochnäsige Feuilletonisten zu begeistern ist immer leicht, aber quer durch alle Bevölkerungsschichten einer ganzen Nation Zuneigung und Anerkennung zu finden, dazu bedarf es mehr.

Heute wäre sie hundert Jahre jung geworden, und mir fallen zwei Dinge ein, die mir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind.

Von allen Rollen, in denen ich sie erlebt habe, war die der Mudder Mews die ergreifendste. Beim Fernsehpublikum ist sie nahezu unbekannt, denn der NDR hat sich bei den Übertragungen stets nur auf die temporeichen Komödien beschränkt. Mudder Mews hingegen ist ein Drama, in welchem eine verbitterte Matriarchin ihre Schwiegertochter am Ende in den Suizid treibt. Heidi Kabel hat diese Rolle großartig gespielt und gezeigt, dass sie mehr konnte als laut und lustig. Es war auch ihre persönliche Lieblingsrolle.

Auf der anderen Seite war da ihr soziales Engagement. Sie hat es nicht dabei belassen, auf Wohltätigkeitsveranstaltungen mit wohl gewählten Worten an die Anwesenden um Spenden zu werben und selbst mit einem Scheck zu wedeln. Gewedelt hat sie ohnehin nie damit. Etwas wie diese appeldwatsche Ice Bucket Challenge wäre ihr vermutlich zuwider gewesen. Man macht um Wohltätigkeit kein großes Trara – man macht es einfach und gibt nicht noch damit an.

Wie dem auch sei, ihr Engagement ging weiter. Sie hat den Mund aufgerissen, ihre Meinung gesagt, Unbequemes wieder und wieder aufs Tapet gebracht und sich für Projekte eingesetzt, von denen andere aus Sorge um ihren Ruf die Finger gelassen haben, z. B. die Hamburger Babyklappe und das Hospiz Leuchtfeuer. In kalten Winternächten ging sie zu den Hamburger Berbern unter Brücken oder in Hauseingängen, half nicht nur mit Spenden, sondern auch mit menschlicher Wärme. Sie unterhielt sich mit ihnen und hörte ihnen ganz genau zu. Dabei verzichtete sie auf den Presserummel, ohne den die aktuellen Society-Schnepfen scheinbar nicht auskommen. Erfahren hat man von diesen Besuchen erst im Nachhinein, wenn sie sich zum unüberhörbaren Sprachrohr der sonst Überhörten machte. Obwohl sie ausgerechnet in diesem Stück des Ohnsorg Theaters nicht mitspielte, passte dessen Titel doch genau zu ihr: Minsch sien mutt de Minsch (Mensch sein muss der Mensch).

Das Lied In Hamburg sagt man ‚Tschüß‚ gehörte zu ihr, wie sie zu Hamburg gehörte. Obwohl es von Abschied erzählt, ist es ein heiteres Lied, denn schwingt immer mit, dass man zurückkehrt. Ein Lächeln huscht übers Gesicht. Selbst als sie 2010 starb und das Lied auf einmal trauriger denn je daherkam, vor allem bei der Trauerfeier im Michel, ging es nicht ganz weg.

Es ist übrigens auch ein Walzer.

Willkommenes Déjà vu

Déjà vu-Erlebnisse können wie Sternschnuppen sein. Mal lassen sie ewig auf sich warten, mal geht ein wahrer Regen nieder.

Ich nehme den Hauch einer Mischung aus Ostseeluft, Seetang, Raps und Pronto aus der Sprühflasche wahr, den es in der Stadt an der Emscher so eigentlich gar nicht geben dürfte. Wie auf dem Holodeck bei Star Trek verschwindet unsere Wohnungstür vor meinen Augen und verwandelt sich in den Eingang zu unserer Ferienwohnung an der Ostsee, frisch geputzt von unserem wunderbaren Hausgeist Anna. In der ungreifbaren Ahnung des Bruchteils einer Sekunde flackert es als vager Schatten auf, ist so real wie damals und verflüchtigt sich wieder. Ein Wimpernschlag dauert länger.

Eine ganz bestimmte Note frisch gemähten Heus trifft mich und ich stehe neben meinem Onkel auf seinem Bauernhof. Gleich gehen wir raus in die weiten Felder, um einen Drachen steigen zu lassen.

Eine kleine Brise streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie riecht nach Fischbrötchen und Schiffsdiesel. Der Bahnsteig in Bottrop wird zur Brücke des Fährschiffes Karl Carstens, die ich als Vierzehnjähriger besichtigen durfte.

Es nimmt zu und ist wirksamer als jedes Foto, je älter ich werde. Eigentlich albern, schon mit einundvierzig vom Älterwerden zu sprechen – andererseits hat man die halbe Strecke auf dem Weg vom Kuscheltuch zur Rheumadecke (danke, Ina Müller) nun hinter sich, mit jedem neuen Jahresring wächst der Vorrat an Erinnerungen. Ebenso die Chance, den ein oder anderen „Altbestand“ in einer obskuren Ecke der Windmills of Your Mind zu vergraben. Darum will ich diesen Sternschnuppenregen auch gar nicht analysieren. Ich nehme ihn lieber genussvoll als freundliches Mitbringsel des Älterwerdens mit. Die weniger schönen drängen sich noch früh genug auf.

Fehlkonstruktion

Mal ehrlich – wenn Mutter Natur ihre Erfindung „Mensch“ vor der Serienproduktion von irgendeiner Kommission hätte abnehmen lassen müssen, wäre sie doch mit Pauken und Trompeten durchgerasselt. Es gibt so vieles an dieser Konstruktion, das schlechter geplant ist als der Berliner Flughafen.

Die Haare auf Armen und Beinen etwa brauchen wir nun nicht wirklich mehr zum Überleben, aber sie wachsen unser ganzes Leben lang. Wenn hingegen der zweite Satz Zähne weg ist, isser weg.

Futsch.

Wir können innerhalb von einem Tag zwei Kilo zunehmen, sie wieder loszuwerden, dauert hingegen einen Monat.

Mindestens.

Nicht zu vergessen die Körperteile, die im umgekehrten Verhältnis von Beanspruchung zu Fragilität vor bösen Begegnungen geschützt sind: Wenn  wir uns im engen Kellergang den Arsch Pöter an einem Fahrradlenker stoßen, grunzen wir höchstens ein leicht genervtes „Mist“. Stoßen wir uns jedoch den kleinen Zeh an einer hervorstehenden Kante, können wir das Hohe C besser jodeln als Montserrat Caballé. So wie ich gerade nach dem Jogging beim Einstieg in die Dusche.

Erwähnte ich, dass ich die Erfindung „Mensch“ in einigen Teilen für ziemlich schlecht geplant halte?

Schönen Montag!

Sonntagszwischenruf

hamburg-collage-blog2

Heute: Volksentscheid in Hamburg

Liebe Freunde und Leser in Hamburg,

heute besteht in den dazu eingeladenen Quartieren letztmals die Möglichkeit, bei einem Bürgerentscheid für oder (hoffentlich) gegen eine die Elbe überspannende Seilbahn zu stimmen. Dazu möchte ich euch noch einmal meinen

Blogeintrag „Killarney, Hamburg und das große Geld“

ans Herz legen (Klick auf den Link führt dorthin).

Bitte trefft eine kluge Entscheidung für eure Stadt, eure gemeinsame Geschichte, für das, was von der historischen Stadtansicht noch übrig ist und nicht durch Elbphilharmonie und Tanzende Türme korrumpiert wurde, und trefft sie für eure (Mit)Bürger. Nicht für den schnellen Tourismus- und Investorendollar.

Alles Gute, Hamburg!!!

Heiße Reifen, leichte Mädchen

Böse Zungen – genauer gesagt: ich – behaupten, das Leben in dem dörflichen Vorort des Vororts der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, wurde nur dann aufregend, wenn jemand ein lebendiges Karnickel vor den Linienbus warf, damit dieser überhaupt anhielt, aber das ist natürlich übertrieben. Ein wenig mehr (Betonung auf wenig) war schon los. Manchmal haben wir nur nichts davon mitbekommen. Meine Familie besteht nämlich aus notorischen Tiefschläfern. Neben uns könnte unbemerkt die sprichwörtliche Bombe explodieren.

In einer bestimmten Nacht vor einem guten Vierteljahrhundert war es allerdings ein Gasofen, der da unbemerkt explodierte. Das war Sensation #1.

Sensation #2 fand sich im Ort des Geschehens wieder: Als das Etablissement in die Räumlichkeiten eines ehemaligen Gasthofs eingezogen war, hatte sich bei uns erstaunlicherweise kein Protest geregt. Mit stoischem Gleichmut wurde registriert, dass es nun op’n Dörp einen Puff gab.

Zwei oder drei Jahre lang lebte man in friedlicher Koexistenz. Die meisten männlichen Pubertierenden in der Nachbarschaft, die sich optische Stimulanz, vielleicht sogar die ersten praktischen Erfahrungen vor Ort erhofft hatten und deshalb wie Kater auf Baldrian um das Haus geschlichen waren (aus bekannten Gründen war meine Wenigkeit hier ziemlich außen vor), wurden rasch bitter enttäuscht. Man bekam von dem Treiben (kein Wortspiel beabsichtigt) in dem Laden wirklich nichts mit. Zeitweise fragte man sich, ob dort überhaupt jemand verkehrte (dito).

Doch dann strebte besagter Gasofen eine neue Karriere als Rakete an. Die Feuerwehr rückte aus und hatte das Feuer bald unter Kontrolle, während verlegene Herren auf der Straße umher liefen, sich in irgendwelche Büsche schlugen, um hektisch ihre Kleidung in Ordnung zu bringen und sich dann so schnell wie möglich vom Acker zu machen. Letzteres wusste die Polizei aus Sorge um ausbleibende Zeugenaussagen natürlich zu verhindern.

Die Damen der Nacht hingegen waren die Ruhe selbst – für sie war das Feuer nicht aufregender als eine Razzia, denn trotz allem Chaos war niemand zu Schaden gekommen.

Mein Clan erfuhr all dies aus zweiter Hand, denn wir hatten rein gar nichts mitbekommen. Und das, obwohl es von unserem Haus keine hundertfünfzig Meter bis zu dem Puff waren. Als die Geschehnisse in der Nachbarschaft die Runde machten, lautete einer der Kommentare dann auch prompt: „Ihr verpennt ja sogar, wenn euer eigenes Haus fast zusammenbricht!“

Schuldig in allen Anklagepunkten… An einem Morgen kurz vorher war ich nämlich aufgestanden und ging aus meinem Dachzimmer nach unten. Ich schlurfte an dem Fenster auf halber Treppenhöhe vorbei, stutzte und kniff die Augen zusammen. Stand da wirklich ein Auto in unserem sonst so gepflegten Vorgarten? Tatsächlich. Der Maschendrahtzaun war geborsten, die beiden Koniferen waren zur Seite genickt, die Begonien plattgewalzt – und mitten auf dem Rasen stand ein Opel Kadett, dessen Fahrt durch unsere Hauswand gestoppt worden war. Vom Fahrer keine Spur.

Bald darauf klingelte unsere Hauswirtin, eine sprichwörtliche alte Jungfer und als solche mit der Situation hoffnungslos überfordert. Sie müsse die Polizei rufen, dabei wisse sie nicht mal, wann der Unfall passiert sei.

Am Ende löste sich alles in Wohlgefallen auf. Die Polizei ermittelte den Halter des Wagens, der reumütig alles zugab. Er erhielt seine Strafe, unsere Hauswirtin einen Schadenersatz und wir den Rat, unsere Ohren doch mal ein wenig mehr auf Wachsamkeit zu trainieren. Denn wäre Fräulein L. beim Prozess als Nebenklägerin aufgetreten, hätte ihr Anwalt uns als Belastungszeugen glatt abgelehnt…

Das letzte Kapitel

Seit fast drei Wochen ist Frag doch das Vanilleeis auf dem Markt, und nachdem ich mich (abgesehen von der Bloggerei) ein bisschen auf den Lorbeeren ausgeruht habe, geht’s nun langsam mit neuen Projekten weiter. Für gleich drei Stories (plus eine neue Gespensterstory, die zu Weihnachten erscheinen soll) sind die ersten groben Planungen gelaufen. Eine davon wird sich auch wieder um Holger und Christoph drehen.

Eigentlich sollte ausschließlich Wodka für die Königin von diesen zwei leicht durchgeknallten Jungs erzählen, aber die sind bei den Lesern so gut angekommen, dass nur sie als Hauptfiguren in Frage kamen, als die Idee für Frag doch das Vanilleeis langsam Gestalt annahm. Auch die derzeit noch ganz profan als #3 betitelte Story kann nur von den beiden handeln. Es scheint sich da eine richtige Saga um die beiden zu entwickeln, was so nie geplant war, mich aber trotzdem freut. Denn irgendwas Positives scheinen die Jungs ja bei den Lesern auszulösen.

Trotzdem habe ich letzte Nacht das allerletzte Kapitel geschrieben, das besagte Holger & Christoph Saga irgendwann mal zum endgültigen Abschluss bringen wird.

Nein, weder plane ich a priori sieben Bände wie die Kollegin J. K. Rowling noch fürchte ich das Schicksal von Agatha Christie, die ihren Hercule Poirot schon nach dem dritten Roman so gründlich satt hatte, dass sie ihn da am liebsten selbst abgemurkst hätte, aber by popular demand für weitere dreißig Romane mit ihm gestraft war. Mein Größenwahn hält sich – hoffe ich zumindest – in Grenzen.

Trotzdem kam mir gestern Abend nach zwei Gläsern meines Lieblingsbiers („rotblond“, obergärig, Kenner werden den richtigen Schluss ziehen) dieser Gedanke: Wenn Holger und Christoph als „meine literarischen Kinder“ nun scheinbar noch eine ganze Weile in meiner Obhut bleiben, dann möchte ich größeres Bild dessen haben, was den beiden noch alles so passieren kann und wird. Zumindest erst einmal nur für mich.

Ich stelle es mir wie eine Sonntagspartie im Traumcabrio vor: Mal geht es in die eine Richtung, mal in die andere, manchmal nimmt man absichtlich einen Umweg und manchmal verfährt man sich unabsichtlich, aber dafür ganz gewaltig. Aber es macht unheimlichen Spaß, wieder auf den rechten Weg zurückzufinden. Und irgendwann ist die Fahrt von A nach B dann zu Ende.

Genauso soll es Holger und Christoph ergehen. Der Wodka und das Vanilleeis ergeben zusammengenommen quasi den Ausgangspunkt A, das in der vergangenen Nacht geschriebene letzte Kapitel wird das Ziel, Punkt B sein. Was dazwischen kommt? Bleiben sie in Norddeutschland? Verschlägt es sie woanders hin? Welche Typen kreuzen noch ihren Lebensweg? Irgendwann wird die Reise von A nach B jedenfalls zu Ende sein. Was in der Zwischenzeit passiert? Ich habe da schon ein paar vage Ahnungen, aber insgesamt muss ich mich im Moment noch genau so überraschen lassen wie die Leser…

Killarney, Hamburg und das große Geld

Die Sterne am Himmel, ein Paar blauer irischer Augen, das liebevolle Seufzen einer Mutter, die Natur, ein echtes Shamrock und den Blarney Stein – wenn man das alles kaufen kann, so besagt ein altes Lied, dann kann man auch das irische Städtchen Killarney kaufen.

Mir scheint, derzeit stürzen sich all jene, die an Killarney gescheitert sind, auf Hamburg. Es war über Jahrhunderte das Drama von Hamburg, dass der Senat ausschließlich mit Kaufleuten besetzt war, die bei allen politischen Entscheidungen nur das eigene und das wirtschaftliche Wohl der Stadt im Sinn hatten. Was darüber hinausging, wurde mit Desinteresse betrachtet. Das bedeutete mangelndes Geschick in allen anderen politischen Belangen, was Hamburg viele Opfer abverlangte. Vor allem beim Volk, das aufgrund dieser völligen Indolenz der Würdenträger in Hamburgs größten Blütezeiten immer auf der falschen Seite gestanden und alles andere als profitiert hat, was u. a. in der Choleraepidemie von 1892 gipfelte.

Was hat sich geändert? Polemisch betrachtet scheinbar nur dieses: Der Senat besteht nicht aus Kaufleuten, sondern aus Berufspolitikern und es gibt keine Cholera. Ansonsten wird weiter hauptsächlich dem Mammon gedient: Statt Dinge wie den Ausbau des U-Bahn-Netzes in sinnvoller Weise voranzutreiben, wird bei den Buslinien geflickschustert mit Maßnahmen, die nach wenigen Monaten wegen ihrer Sinnlosigkeit wieder rückgängig gemacht werden müssen oder das soziale Gefüge eines Quartiers nachhaltig verändern. Förderung von erschwinglichem Wohnraum für Otto und Ottilie Normalverbraucher? Fehlanzeige.

Hinzukommt die Gentrifizierung, ergänzt durch ein neues Wort: Disneyfizierung. Die alten Kieze auf St. Georg und vor allem auf St. Pauli werden durch Anzugträger von außerhalb überschwemmt, die die Stadt Hamburg allgemein und die Bevölkerung auf den Kiezen im Besonderen nicht einmal ansatzweise begriffen haben. Mit nichts als Dollarzeichen in den Augen werden historische Stadtbilder sowie über Jahrzehnte gewachsene Sozialstrukturen zunächst beschädigt und dann regelrecht vernichtet. Esso-Häuser ist nur eines der Stichworte. Die Tanzenden Türme ein anders. Dieser Glasmonolith passt in seiner Künstlichkeit bestens die HafenCity, aber partout nicht in das natürlich gewachsene St. Pauli. Gerade dieses Quartier wird vom Kiez, auf dem es auch mal nicht so schöne Anblicke gibt wie Stricher, die es ihrem Freier für ’nen Fünfziger extra auch mal ohne Gummi besorgen, zum garantiert jugendfreien Disneyland. Die Stadt verliert allmählich eine der wichtigsten Säulen ihrer Identität, und an anderen wie Eppendorf/Eimsbüttel/Harvestehude/Hoheluft (wertvolle Altbausubstanz, die Geschichte(n) erzählt, weicht seelenlosen Glaskästen, die obendrein wegen exorbitanter Immobilienpreise alteingesessene Bewohner entwurzeln) wird ebenso munter gesägt. Selbst die altehrwürdigen Kaufmannsvillen auf der Elbchaussee sind nicht mehr sicher davor, abgerissen und durch moderne Glaswürfel zu werden. Immer wieder hört man Nachrichten aus dem ganzen Stadtgebiet, dass einem historischen Gebäude mal wieder der Denkmalschutz entzogen wurde oder dass es in Kürze geschehen wird. Es ist erschreckend und einer so geschichtsträchtigen Stadt nicht würdig, wie leicht das zu sein geworden scheint.

All das geschieht, um noch mehr Touristen, noch mehr Unternehmen von außerhalb und vor allem noch mehr Geld in die Stadt zu holen. Einen Standort im Weltwirtschaftsgeschehen konkurrenzfähig halten zu wollen ist gewiss keine falsche Absicht, aber muss das zu Lasten der Identität, der Eigenlogik, der Eigendynamik dieses Standorts gehen? Muss man eine Stadt zum künstlichen Vergnügungspark umfunktionieren, in dem sich selbst Einheimische wie Gäste fühlen müssen?

Die neueste Idee der Disneyfizierer ist eine Seilbahn quer durch den Hafen. Das ganze wird manchmal als Verkehrsmittel zur schnellen Querung der Elbe verkauft, doch die Scheinheiligkeit dessen ist offensichtlich. Denn mal ganz ehrlich, wenn ich nur zu den beiden Musical-Theatern will, kann ich auch die extra dafür bereitgestellten Hafenfähren nehmen oder kann durch den alten Elbtunnel laufen.

Man stelle sich also nun dieses wunderbare Panorama vor wie hier im Bild vor, das künftig von einem Drahtseil durchschnitten wird, an dem immer wieder Gondeln mit gaffenden Menschen durchs Bild schweben. Wer wird davon hauptsächlich profitieren? Die Touristen und die Macher. Und die Lokalpolitik springt rollig drauf an wie eine notgeile Katze auf Baldrian. Kein Wort davon, wie es der Bevölkerung damit geht, wie die (ohnehin schon durch Elbphilharmonie & Co. eingeschränkten) historischen Sichtachsen auf die Stadt immer weiter ruiniert werden. Kein Wort von den täglichen Beeinträchtigungen für die direkte Nachbarschaft der Pylone und Stationen, wenn dort bis mitten in der Nacht der Antrieb röhrt. Hauptsache Geld.

Doch zum Glück regt sich Widerstand. Prominente Stimmen der Stadt erheben sich gegen die Seilbahn und ziehen die Bevölkerung mit. Man ist es satt, dass ständig über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden wird. In den direkt von der Seilbahn betroffenen Stadtteile (durch Infrastruktur, Touristenaufkommen etc.) ist daher u. a. eine Bürgerabstimmung im Gange, deren Ergebnis bindend sein wird. Dazu gehört auch St. Pauli. Dort ist man durch das Drama um die Esso-Häuser entsprechend sensibilisiert, und ich glaube, dadurch bestehen gute Chancen, den hypergentrifizierenden und disneyfizierenden Geldsäcken von außerhalb, die – ich wiederhole es gerne noch mal – Hamburg einfach nicht begriffen haben, klarzumachen, dass man nicht nur Killarney nicht kaufen kann. Auch bei Hamburg ist irgendwann Schluss.

Werbelügen

Angefangen hat es mit Frauengold. Ein Werbeclip aus den 1950ern für dieses „Stärkungsmittel“ hat es bei YouTube zu einigem Kultstatus gebracht: „Was?! Keine Kapern?! Und SIE wollen ein Delikatessengeschäft sein?! Das ich nicht lache! Wie stellen Sie sich das eigentlich vor, Frollein?! Keine Kapern!“

Wäre es 1981 nicht wegen einiger krebserregender Inhaltsstoffe verboten worden (erstaunlich, dass das Suchtpotential bei über 16 % Alkoholanteil keine Rolle spielte!), wäre es vielleicht heute noch auf dem Markt und würde in schärfstem Zweikampf mit einem gewissen, von weiblichen Geistlichen hergestellten Kräutergeist um die Gunst der weiblichen Senioren unserer Nation buhlen. Frauengold wäre in seiner Oma-Mäßigkeit quasi das Tosca für die Innenanwendung.

Verflixt… ich schweife mal wieder ab. Jedenfalls habe ich gestern den Frauengold-Clip geschaut, und von da aus waren es nur noch ein paar Klicks zu anderen Werbefilmen der 1950er. In einem ging es um hohe Kochkunst. Da servierte die Hausfrau in schönstem Agfacolor einen herrlichen gedünsteten Blumenkohl am Stück. Richtig lecker sah er aus auf der Porzellanplatte mit dem Streublumenmuster, und es war klar: Am Montag gibt’s bei uns Blumenkohl! Und ich würde ihn genau so servieren wie im Werbefernsehen der Fifties!

Also ging mein Mann vorhin zum Grünhöker unseres Vertrauens und kam freudestrahlend zurück, weil Blumenkohl sogar im Angebot gewesen war. Stolz wuchtete er einen der weißen Köpfe mit dem vielen Grünzeug drum aus dem Korb.

„Ist nicht dein Ernst?“ fragte ich fassungslos.

„Wieso? Der sieht doch toll aus. Und groß ist er auch, nicht so mickrig wie sonst.“

„Aber das ist ja nur einer!“

„Das reicht doch. Hat man doch gestern in dem Werbefilm gesehen – da hat sich eine vierköpfige Familie einen Blumenkohl geteilt.“

Tz…!

Man sollte nicht alles glauben, was in der Reklame an Blödsinn vermittelt wird. Ein Blumenkohl für vier, dass ich nicht lache! Tünkram! Spijöök! Unfug! LÜGE!

Also muss ich gleich selber nochmal los und einen zweiten Blumenkohl besorgen..

Es wird wohl Zeit für ein Geständnis: Ja, ich kann einen ganzen Blumenkohl allein vertilgen. Pur. Ohne was dazu. Nur ’n lüttes büschen Muskatnuss drüber. Ich oute mich sozusagen als Blumenkohlvielfraß. Und in dieser Eigenschaft als unwillig zu teilen. Macht man mit einem Kosakenzipfel ja auch nicht!

Spaßig

„Oh, shite, the bas…!“ – „Jaysus!“ – „The feckin‘ eeji…!“ – „Me ars…!“

Mir rollen sämtliche Kraftausdrücke über die Zunge, die ich von Agnes Brown gelernt habe, aber immer nur unvollständig. Jede Kurve, jedes hin- und hergeschleudert werden, jede rasche Talfahrt und das plötzliche wieder hochgerissen werden für einen neuen Anlauf reißen die letzten Silben unausgesprochen von meinen Lippen. Es ist der letzte Donnerstag der Sommerferien, und ich bin mit meinem Mann und meiner Schwester nebst Familie im Movie Park in Bottrop – Ferienabschluss für die Kinder, nachträgliches Geburtstagsgeschenk für meinen Mann.

Kaum, dass es begonnen hat, ist die Fahrt auf der Wilden Maus auch schon wieder vorbei und ich wanke wie auf rohen Eiern laufend zum Ausgang. Davor habe ich sechzig Minuten angestanden,

Es ist schon merkwürdig – da regen wir uns auf, wenn wir an der Kasse im Supermarkt mal zwei Minuten länger warten müssen, aber sobald wir in einem Freizeitpark sind, macht es uns überhaupt nichts aus, für ein Fahrgeschäft von knapp anderthalb Minuten bis zu zwei Stunden in der Schlange zu stehen.

Aber es gehört irgendwie dazu, und zumindest den Erwachsenen macht es ja auch ein wenig Spaß. Es ist eine Variante von Lästern im Café: „Nix gegen Parfum, aber die hat vielleicht einen Nuttendiesel aufgelegt.“ – „Tja, wenn man die Haarbleiche mit dem eigenen Chemiekasten anrührt, darf man sich über den Grünstich nicht wundern.“ – „Hast du den gesehen? Der sieht ja auf dem Kopf aus wie Madonna im Schritt.“ (Gut, dass jeder das sofort als rein rhetorischen Vergleich ansieht und man die Herkunft dieses „Wissens“ nie erklären muss…)

Dabei weiß man natürlich, dass man selber von seinen Mit-Wartenden genauso mit Argusaugen beobachtet und kommentiert wird. Ich glaube, ich möchte gar nicht wissen, welche Reaktionen meine Frisur gestern bei den Umstehenden hervorgerufen hat. Aber ich habe es vorher nicht mehr zum Putzbüddel* geschafft und daher meine ab einer gewissen Länge einsetzenden Naturlocken morgens einfach mit Unmengen von Gel und Brisk (Opa knows best!) nach hinten gekämmt. Vor der Fahrt mit der Wasserbahn hätte ich somit problemlos als Double von Bela Lugosi einspringen können, nach der Wasserbahn hatte ich diese Rosinenschneckenlocken wie Prinzessin Leia aus Star Wars um die Ohren (mich dünkt, ich weiß genau, welcher Hase zu diesem Thema was mümmeln wird *grins*), und als dann auch noch der Platzregen vorbei war, hätte ich Doris Day in Eine zuviel im Bett bei der Fahrt mit dem offenen Cabrio durch die Waschstraße vertreten können. Dabei mag ich den Film mit der Happy-Seife viel lieber. „Mein Name ist Beverly Boyer und ich bin ein Schwein!“

Die den Wasserbahnfahrten folgende Erkältung gehört zu einem Freizeitparkbesuch genauso dazu wie das Lästern in der Schlange. Besagte Erkältung hab‘ ich jetzt – hatschi! -, aber das wird mich nicht davon abhalten, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein. Stundenlang anstehen für zwei Minuten Fahrt macht nämlich Spaß.

Ich geh‘ mir mal ’nen Tee kochen…

* Für die Nicht-Platten: Friseur

Robin Williams – und was danach kam

OLYMPUS DIGITAL CAMERADer Tod von Robin Williams hat ein Tabuthema wieder etwas mehr in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt: Depressionen.

Wie schon erwähnt, gibt es in meinem Umfeld mehrere Menschen, die daran erkrankt sind. Ebenso gibt es hier im Wortgepüttscher Leser, denen das Thema nicht fremd ist, wie auch die Kommentare zu meinem Eintrag von vorgestern zeigen. Diesen Lesern und Mitbloggern spreche ich ganz herzlichen Dank aus, dass sie sich für alle anderen lesbar geäußert haben.


Wichtig:

Falls du unter Depressionen leidest und dich Suizidgedanken verfolgen, gibt es bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den Hotlines 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 rund um die Uhr Hilfe. Diese Anrufe sind kostenlos und anonym. Gespräche, die zu diesen Rufnummern aufgebaut werden, tauchen auch nicht im Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung auf.


Der Großteil der Reaktionen zeigte sich jedoch in nicht-öffentlichen Privatnachrichten. Natürlich werde ich jetzt nicht das Vertrauen dieser Menschen enttäuschen und den Inhalt ihrer Nachrichten an mich schildern. Aber ganz allgemein: Ist es nicht traurig, dass nicht mal die Möglichkeit hier bei WordPress, sich mit einem Pseudonym an Kommentarthreads zu beteiligen, ausreichend anonym genug ist, um Menschen zum Thema sprechen zu lassen?

Ich könnte jetzt ein Plädoyer für die Erkrankten halten. Die Symptome erklären, auf den Wikipedia-Artikel verweisen, dazu raten, sich mal mit einem Betroffenen zu unterhalten, und noch tausend andere Dinge tun in dem Versuch, die Realität und Schwere dieser Krankheit zu verdeutlichen. Doch sofort frage ich mich, ob das überhaupt Sinn machen würde. Denn offenbar reicht nicht mal ein so prominentes Beispiel wie Robin Williams aus, um vielen Nicht-Betroffenen klarzumachen, wie schwerwiegend diese Krankheit ist, die einem die Kommandohoheit über die eigene Willenskraft nimmt. Denn selbst zu Robin Williams konnte ich Kommentare lesen wie „Der hatte doch alles – warum hat der sich so angestellt?“

Manchmal kann man gar nicht soviel fressen, wie man kotzen möchte, um mit Max Liebermann zu sprechen. Was muss noch passieren, damit unsere Umwelt aufhört, diese ernste Krankheit mit so fiesen Stigmata zu belegen wie „Der stellt sich nur an“ oder „Die simuliert doch nur“ oder „Kann ich nicht heißt Will ich nicht“ oder „Reiß dich zusammen“?

Das macht so verdammt hilflos und wütend. Als Kranker oder Angehöriger eines Kranken (denn die werden genauso in – ich benutze das Wort bewusst wiederholt – Geiselhaft genommen) ist man genügend damit beschäftigt, einen Don Quixote-Kampf gegen einen unsichtbaren Feind auszufechten. Die Sabotage der Ignoranten von außen trägt nicht gerade zum Gesundungsprozess bei.

Wenn man eine Krankheit nicht sehen kann wie den Haarausfall bei Chemotherapie oder den Gips bei einem gebrochenen Bein, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht existiert.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass manche Menschen das erst lernen, wenn sie selbst davon betroffen sind.

Aber das wünscht man keinem.


Wichtiger Hinweis:

Falls du unter Depressionen leidest und dich Suizidgedanken verfolgen, gibt es bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den Hotlines 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 rund um die Uhr Hilfe. Diese Anrufe sind kostenlos und anonym. Gespräche, die zu diesen Rufnummern aufgebaut werden, tauchen auch nicht im Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung auf.

Robin Williams und der Mann von nebenan

KreuzRobin Williams ist tot. Heute morgen, gleich beim Frühstück, als ich die Online-Ausgabe des Hamburger Abendblatt las, schreckte mich diese Nachricht auf. Dieser Verlust wird eine große Lücke in der Welt des puren Entertainments, aber auch der höheren Kultur hinterlassen, weil er einfach beides konnte.

Doch ich will jetzt gar nicht vom folgenden RIP-Storm anfangen, dem man sich ebenso anschließen konnte wie man ihn belächeln oder gar verdammen konnte. Ich will auch nicht davon anfangen, wie sehr Robin Williams, besonders mit Der Club der toten Dichter, mein eigenes Leben berührt und zu einem gewissen Grad auch meine Entwicklung als damals knapp 17jähriger beeinflusst hat.

Das stimmt alles, doch ich muss vor allem spontan an liebe Menschen in meinem Umfeld denken. Menschen, die wie Robin Williams von der Krankheit Depression betroffen sind.


Wichtig:

Falls du unter Depressionen leidest und dich Suizidgedanken verfolgen, gibt es bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den Hotlines 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 rund um die Uhr Hilfe. Diese Anrufe sind kostenlos und anonym. Gespräche, die zu diesen Rufnummern aufgebaut werden, tauchen auch nicht im Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung auf.


Denn die Medien nennen (derzeit noch als unbestätigte Theorie) Suizid aufgrund dieser Krankheit als Todesursache. Wenn das stimmt (was, wie gesagt, immer noch nicht offiziell bestätigt wurde und daher zum Erstellugngszeitpunkt dieses Artikels reine Vermutung ist), was bedeutet der Tod von Robin Williams dann für seine Fans, die mit ihm im selben Boot gesessen haben? Oder auch das weitere Schicksal von anderen betroffenen Promis, deren Krankheit öffentlich bekannt ist, wie etwa Carrie Fisher oder Owen Wilson.

Psychische Krankheiten werden oft unter den Teppich gekehrt, gerade Depressionen. „Reiß dich zusammen“ und „Stell dich nicht so an“ gehören noch zu den netteren Belehrungen der Unwissenden und Ignoranten. Ächtung und Stigmatisierung von außen, Rückzug und Scham bei den Betroffenen sind Zutaten, die den Kranken neben ihren ohnehin schon schweren Symptomen oft zusätzlich aufgebürdet werden.

Über psychische Krankheiten spricht man nicht. Darum bekommt man auch oft nicht mit wie sich ein Mitmensch aus diesem Loch wieder nach oben arbeitet. Aha-Erlebnisse wie „Ach, du auch? Mir geht’s genau so!“, die einen positiven Einfluss auf Verbesserung der Situation bei Betroffenen haben könnten, bleiben oft aus.

Für diese Betroffenen sind prominente Beispiele durchaus wichtig. Denn erstens zeigen sie, dass ernste Krankheiten nicht nur den Otto Normalverbraucher betreffen, sondern vor niemandem Halt machen.

Zum anderen sind sie natürlich auch ein Vorbild. Sie zeigen: „Der/die hat genau die gleiche miese Krankheit wie ich und hat wegen seiner Prominenz noch viel mehr Druck von außen. Aber der kriegt seinen Alltag mit Auftritten, Interviews und so weiter gewuppt!“ Mit Hilfe von Medikamenten und sonstigen Therapien, ganz klar. Aber nichtsdestotrotz ist da das Zeichen: Man kann es schaffen. Vielleicht wird man nicht geheilt, aber man kann die Krankheit wenigstens im Zaum halten.

Für die einen ist ein Promi einfach ein Vorbild nur wegen seiner Schönheit, der man nacheifern kann. Das ist vollkommen in Ordnung. Aber es ist genauso in Ordnung, dass der Promi für andere eine Art Telekolleg darstellt, die aufzeigen kann, dass es möglich ist, trotz einer schweren Krankheit, das einigermaßen gut zu leben, was im individuellen Mikrokosmos für Normalität steht.

Wie fatal, desillusionierend, in den (ohnehin schon wackligen) Grundfesten erschütternd muss da der Tod des Promis ausgerechnet aufgrund dieser Krankheit sein?

Denn nochmal: Wer im eigenen Umfeld mit der selben Diagnose „Depressionen“ wie man selbst rumläuft und den Kampf gewinnt – oder verliert – bekommt man oft nicht mit. Denn man spricht ja nicht drüber. Krankheit ist bäh. Und Depression erst recht.

Dadurch wird der Tod eines Promis zum Spiegelbild mit Vergrößerungseffekt für jemanden, der selbst von der Krankheit X betroffen ist. Und auch für dessen Angehörige, die von dieser Krankheit genauso in Geiselhaft genommen werden wie der Betroffene selber und die darum am Ende nicht nur um einen geliebten Menschen trauern, sondern auch mit dem quälenden Wissen leben müssen, dass ihre Fürsorge und Liebe nicht gereicht haben, um zu das Los des Kranken genügend zu erleichtern.

Das schafft nicht nur Trauer um einen geschätzten Promi, sondern auch eine verdammte Scheiß-Angst, wie es mit einem selber weitergeht.

Alles Gute, Robin Williams und Familie – und auch allen anderen, die von dieser Krankheit besiegt wurden oder immer noch mit ihr ringen.


Wichtiger Hinweis:

Falls du unter Depressionen leidest und dich Suizidgedanken verfolgen, gibt es bei der Telefonseelsorge online oder telefonisch unter den Hotlines 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 rund um die Uhr Hilfe. Diese Anrufe sind kostenlos und anonym. Gespräche, die zu diesen Rufnummern aufgebaut werden, tauchen auch nicht im Einzelverbindungsnachweis der Telefonrechnung auf.

Back to mono

ITT, gesprochen Ih-Te-Te.

Erinnern sich die Leser meiner Generation Bazooka-Kaugummi noch an diesen Hersteller von Radios, Fernsehern und so weiter?

Etwa 1981 habe ich ein Kofferradio dieser Marke, Modell Golf Europa, von meiner Großmutter väterlicherseits geschenkt bekommen. Es war das einzige Radio im Haus, mit dem man in dem dörflichen Vorort des Vororts unserer Stadt das damalige Radio Luxemburg mit Kultsendungen wie Mahlzeit mit Jochen Pützenbacher, Viva mit Helga Guitton und Liederlotto mit Biggi Lechtermann empfangen konnte. Natürlich war es ein Monogerät mit nur einem Lautsprecher, was den ohnehin schon dürftigen Klang von Sendern, die nur über Mittelwelle empfangen zu waren, nicht gerade verbesserte. Denn da waren ja auch noch die atmosphärischen Störungen im Empfang.

Außerdem hörte man seine Musik über Schallplatten, die irgendwann wie verrückt knisterten oder gar Sprünge hatten, und Kassetten, welche  ebenfalls nach einiger Zeit merklich an Wohlklang verloren.

Dann kamen ab Mitte der 1980er die CDs und wir wurden allmählich soooooo verwöhnt. Kein Soundverlust mehr, alles kristallklar ohne irgendwann dumpf zu werden oder zu knistern, knacken und rauschen. Auch das Radio wurde besser, viele Sender schwenkten von Mittelwelle auf UKW um, bis irgendwann alles digital war. Und natürlich stereo, weil alle Geräte zwei Lautsprecher hatten. Mono war nahezu ausgestorben.

Schnelles Vorspulen ins Jahr 2014: In der Öffentlichkeit begegnen einem Menschen, die Musik über die schmalen Lautsprecherschlitze ihres Mobiltelefons abspielen. Oder über spezielle Player mit nur einer einzigen Box. Das einzige, was dabei noch an die technische Entwicklung in der Musik erinnert, ist die Soundklarheit der Musikdatei an sich, was aber durch die Geräte an sich schon wieder sabotiert wird. Kristallklarer Sound? Blechern (und bei schlechter Geräteverabeitung auch dröhnend-vibrierend) trifft es eher. Stereo? Fehlanzeige, gibt ja nur einen „Lautsprecher“.

Also ehrlich, da hätten wir auch bei Mittelwelle und ITT, Modell Golf Europa bleiben können…!

Die Agonie des Schreiberlings

Eine Woche ist vorüber.

Seit einer Woche ist mein neues Buch Frag doch das Vanilleeis im Handel. Es hat richtig gut begonnen. Glückwünsche zum Start sind ebenso eingegangen wie die ersten positiven Lesermeinungen, für die ich mich genauso von Herzen bedanke wie für die konstruktive Kritik.

Aber bei jeder Buchveröffentlichung ist da auch während der ersten ein, zwei Wochen diese merkwürdige Phase… Für gewöhnlich ist sie sehr kurz, aber solange sie andauert nervt sie, und zwar richtig!

Das Buch ist also nicht nur fertig, es ist auch „offiziell abgenommen“ und zum Vertrieb freigegeben worden. Im Grunde könnte man sich langsam auf das nächste Werk stürzen. Aber dann ist da plötzlich dieses Gefühl, alle Kreativitäts- und Ideenvorräte mit diesem letzten, gerade veröffentlichten Buch völlig aufgebraucht zu haben. Obwohl es völliger Quatsch ist, lebt man in der festen Überzeugung, nie wieder ein weiteres Wort zu Papier zu bringen.

Ihr glaubt gar nicht, wie froh ich sein werde, wenn das vorbei ist.

So in etwa in einer Woche. Vielleicht auch in zwei. Ich hab da nämlich schon eine Idee, was ich als nächstes schrei…

Sorry, muss aufhören – mein Laptop ruft. Auf ein Neues!